Es war im Oktober 2023, also vor gut drei Monaten!, als Olaf Scholz erstmals eine Ansage dazu gemacht hat, dass Deutschland in größerem Stil abschieben müsse. Wir erinnern uns, weil diese Aussage auch zu allerhand Verstimmung führte. Jedenfalls auf einer Seite.
Wie das angesichts unveränderter Bedingungen zur Realität werden soll, bleibt das Geheimnis des Kanzlers. Insofern hat die NZZ nicht unrecht. Der Vorwurf an Scholz, dass seit seiner Ansage nichts geschehen wäre, ist allerdings mehr als unfair. Wäre der Autor ein Schweizer, umso mehr. Schließlich sind die für ihre Langsamkeit berühmt.
Der deutsche Journalist, Marc Felix Serrao, inzwischen Chef-Redaktor NZZ, Deutschland, nach der »Wannseekonferenz« der Gegenwart fühlt sich bemüßigt, daran zu erinnern, was Scholz Mitte Oktober sagte und kommt erneut mit den schweren Versäumnissen deutscher Politik in Migrationsfragen um die Ecke. Das ist keine Überraschung. Dass er dies tut, weil er auf diese Weise die Bedeutung der Konferenz der Neuen Rechten herunterspielen will, ist ebenso unsympathisch wie typisch für ihn.
Serrao kritisiert auffällig penetrant die deutsche Politik, genauer gesagt, alles Linke und Grüne in unserer Gesellschaft. Ich wünschte, er würde seine einseitigen Zuschreibungen wenigstens von Zürich aus in die Welt bringen. Oh, rede ich jetzt auch der Remigration das Wort? Die Vorzeichen sind andere. Aber sonst. Merke, Horst: Es ist schlechtes Gebaren, jemanden für seine Meinung so zu »bestrafen«. Das dürfen nur die anderen.
Dass der Journalist »Correctiv« als teilweise mit Steuergeld finanzierte Medium ist ein durchsichtiges Unterfangen. Es soll die Glaubwürdigkeit untergraben. Das wiederum kommt bei der geneigten rechten Leserschaft spitzenmäßig an. Die Kommentare sind wieder mal eindeutig und belegen, wie erfolgreich dieser „andere Blick“, der auch ‚rechter Blick‘ heißen könnte, läuft.
Dass die AfD (nicht nur Höcke) schon seit Langem von Remigration redet, ist wahr. Den wenigsten (auch nicht potenziellen Wählergruppen der Nazi-Partei) wird die Vokabel entgangen sein. Beim letzten Treffen der AfD kam das Wort häufig vor. Ich verstehe nicht, weshalb ein TAZ-Redakteur sich weniger über die damit verbundenen Ungeheuerlichkeiten aufregt, sondern über die mögliche Normalisierung durch Benutzung des Wortes.
Nicht mal mehr Tacheles kann man reden. Ich wäre dafür, das zu tun. Auch, wenn es den mutmaßlichen Wählern dieser Partei nicht passt. Dass Politiker keine Wählerbeschimpfung machen möchte, ehrt sie nicht und es ist auch kein Ausweis besonderer taktischer Cleverness. Es ist nötig, mit diesen Leuten Klartext zu reden. Wenn sie denn überhaupt noch zuhören, sollten sie die richtigen Signale hören und keine Beschwichtigungen.
Und dann wäre da noch dieser Absatz. An dem kann ich nichts falsch finden. Das Dilemma kommt wirklich nicht von ungefähr.
Wenn alle etablierten politischen Kräfte ein Problem dieser Grössenordnung liegenlassen, dann schlägt das Pendel irgendwann in die andere Richtung aus. Das passiert jetzt. Unter der wachsenden Zahl von Deutschen, die sich zur AfD bekennen, kann sich vermutlich nur eine Minderheit für den Radikalismus von Sellner und Höcke erwärmen. Aber die anderen scheinen deren Äusserungen hinzunehmen – weil ihnen eine Partei, die bei der Bekämpfung der Migrationskrise über das Ziel hinausschiesst, allem Anschein nach inzwischen lieber ist als Parteien, die nichts tun.
Remigration? Ja, aber richtig
Die Konferenz war ein Scoop, leider nicht für Correctiv, sondern für die AFD. Mit der fast datumsgleichen und örtlichen Nähe zur berüchtigten Wannseekonferenz, hat die AFD ihrer rechtsextremen Klientel gezeigt, wofür sie steht.
Die Bekanntgabe hat einen neuen Pflock rechtsextremistischer Normalität gesetzt (und ja, natürlich beziehen sich die Rechten auf den Bundeskanzler, der sich ja überflüssigerweise auch noch mit dem Zitat auf den SPIEGEL Titel hat ablichten lassen.)
Den Mitläufern signalisiert die AFD, anders als die andern Parteien, ihre vermeintliche Entschlossenheit in dieser Frage, die – das ist zumindest meine Vermutung – in breiten Teilen der Bevölkerung zumindest einige Sympathien findet.
Die Rechtsextremen um die AFD haben ein Mühlespiel aufgebaut, bei dem sie bei jedem Zug nur gewinnen können. Die Wut, die sich in der Bevölkerung aufgrund vermeintlicher oder tatsächlich falscher Entscheidungen aufstaut, tut ihr Übriges.
Vielleicht ist ein Parteienverbot doch der richtige Weg?
Allerdings wurde die NSDAP vor exakt hundert Jahren auch schon mal verboten, genützt hat es bekanntlich nur der rechtsextremen Bewegung.
https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/innenpolitik/nsdap
Als die Nachrichten kamen, dass die AfD jetzt geliefert sei. Wie naiv von mir. Diesmal wird kein Deutscher mehr sagen können, er habe nichts gewusst. Kein Trost.