Getarnte Risse im Bündnis: Der NATO-​Gipfel und seine Konfliktlinien

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Trump wirk­te zufrie­den. Immerhin hat­te er mit dem König gefrüh­stückt. Außerdem hat er sei­nen „Partnern” bei­gebracht, wie teu­er ein wehr­fä­hi­ges Militär zu sein hat. Er stand damit im Einklang mit deut­schen Militärexperten, die die­se Frage qua­si rund um die Uhr beschäf­ti­gen. Jedenfalls, wenn man deren media­le Präsenz als Maßstab nimmt.

Trump for­der­te aus dem hoh­len Bauch her­aus 5 % des jewei­li­gen BIP der NATO-​Mitgliedsländer und die Führer der frei­en Welt fol­gen ihm. Wer hät­te mit die­sem Ergebnis ange­sichts die­ser hin­ge­bungs­vol­len Arschkriecherei der „Partner” rech­nen können?

Der unter­wür­fi­ge Stil mag im Umgang mit einem ego­is­ti­schen Präsidenten ange­bracht sein, doch gera­de die­se Notwendigkeit offen­bart eine Brüchigkeit der trans­at­lan­ti­schen Einheit. Trumps unver­bind­li­che Launenhaftigkeit ist kein unbe­deu­ten­der Charakterzug, der sich mit Schmeicheleien in den Griff bekom­men lie­ße. Sie ist Ausdruck sei­ner Unfähigkeit, sich ech­te Partnerschaften auf Gegenseitigkeit zwi­schen Staaten vor­zu­stel­len. Er betrach­tet ande­re Nato-​Mitglieder als Vasallen und fühlt sich ihnen gegen­über nicht dau­er­haft ver­pflich­tet. Er emp­fin­det weder Zuneigung noch Respekt für die Demokratie und fühlt sich in der Gesellschaft von Despoten wohl. Doch er ver­fügt auch über die mili­tä­ri­sche Macht, auf die die Sicherheit der euro­päi­schen Demokratien ange­wie­sen ist und die auch noch eine Zeit lang ange­wie­sen sein wird.

Quelle – The Guardian

Der NATO-​Gipfel in Den Haag war von gro­ßer sym­bo­li­scher Strahlkraft (so soll­te es sein, nicht nur, wenn es nach Rutte ging) – und von nicht min­der gro­ßen inhalt­li­chen Spannungen geprägt. Hinter der Fassade der Einigkeit bro­del­te es. Und wie so oft in diplo­ma­ti­schen Kreisen geschieht das Brodeln lei­se, aber mit lang­fris­ti­ger Sprengkraft. Wer weiß schon, was aus den Zusagen in den nächs­ten Jahren wird? Deutschland ist jeden­falls in den Augen Trumps der Musterschüler! Wir wol­len schon 2029 soweit sein, dass wir den Spielraum unse­res Jahresbudgets so ein­schrän­ken, dass heu­te ver­mut­lich noch nie­mand weiß, wo die­se damit allo­kier­ten Finanzmittel sonst wo feh­len werden.

Spanischer Widerstand gegen 5‑Prozent-​Ziel

Die spek­ta­ku­lärs­te Verweigerung kam aus Madrid. Ja, die­se Sozialisten. Trump droht, die Spanier zei­gen sich (noch) unbe­ein­druckt. Spanien lehnt das ange­streb­te Ziel ab, bis 2035 fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts in Verteidigung zu ste­cken. Die Sorge um sozia­le Gerechtigkeit und öko­no­mi­sche Stabilität wiegt dort offen­bar schwe­rer als das Prinzip Bündnistreue. Auch Belgien und die Slowakei äußer­ten Zurückhaltung – aus haus­halts­po­li­ti­schem Kalkül.

Osteuropa drängt, Westen zaudert

Während die bal­ti­schen Staaten, Polen und Dänemark eine rasche­re Umsetzung for­dern, mahnt ins­be­son­de­re Deutschland zur Vorsicht. Der Graben zwi­schen denen, die an der Frontlinie Russlands leben, und jenen, die auf Diplomatie set­zen, ist nicht neu – aber tie­fer denn je.

Analyse von Politico Europe

Ukraine bleibt Randfigur – zum Ärger Selenskyjs

Die Enttäuschung des ukrai­ni­schen Präsidenten war mit Händen zu grei­fen. Die NATO signa­li­siert erneut kei­ne kla­re Perspektive auf eine Mitgliedschaft. Stattdessen: vage Formulierungen, Solidaritätsrhetorik und Waffenhilfen nach Kassenlage.

Die Trump-​Karte: Artikel 5 unter Vorbehalt?

Donald Trump, im Schlepptau des Wahlkampfes, sorg­te mit alten Andeutungen für neue Unsicherheit. Die NATO ver­sprach zwar erneut, Artikel 5 ernst zu neh­men – doch eini­ge euro­päi­sche Hauptstädte ver­lie­ßen den Gipfel mit einem flau­en Gefühl im Magen. Was, wenn es nur Worte bleiben?

Hintergrund bei Reuters

Iran und die Gratwanderung der Worte

Ein wei­te­res Spannungsfeld bil­de­te der Umgang mit dem Iran. Während Trump mit mili­tä­ri­schen Erfolgen prahl­te, wähl­ten vie­le NATO-​Partner vor­sich­ti­ge­re Formulierungen – aus Angst, den geo­po­li­ti­schen Flächenbrand wei­ter zu schüren.

Kommentar bei The Guardian

Strategische Autonomie: Wunsch oder Notwendigkeit?

Frankreich, Deutschland und die EU-​Kommission drän­gen auf mehr Unabhängigkeit von den USA. Nicht aus Trotz, son­dern aus wach­sen­der Einsicht: Die trans­at­lan­ti­sche Verlässlichkeit ist kei­ne Konstante mehr, son­dern ein poli­ti­scher Glücksfall – mit Ablaufdatum.

Gemeinsam, aber nicht geeint

Der NATO-​Gipfel war mehr Ausdruck geo­po­li­ti­scher Unsicherheit als geschlos­se­ner Stärke. Die Uneinigkeit über Geld, Strategie und Haltung zu neu­en wie alten Feinden zeigt: Die NATO steht – aber nicht immer auf fes­tem Grund.

Weiterlesen:

Hier die Themen, über die man sich bewusst nicht aus­ein­an­der­ge­setzt hat, obwohl der Dissens offen­kun­dig ist.

ThemaHauptdissensBetroffene Länder
Verteidigungsbudget (5 %)España ver­wei­gert ZustimmungSpanien, + Belgien, Slowakei
ZeitplanEher 2035 vs. schnel­ler UmstiegBaltische Staaten, Polen, Dänemark
UkraineBloße Partnerrolle – kei­ne MitgliedsschaftUkraine, EU-​Staaten
Artikel 5Zweifel an Washingtons ErnstUSA, euro­päi­sche MAP
IranPolitische Unterstützung umstrittenIran, USA, Nato-Wording
RusslandStrategisches Signal fehltPolen, Baltikum
Strategische AutonomieDebatte über US‑UnabhängigkeitDeutschland, Frankreich, EU

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4 Gedanken zu „Getarnte Risse im Bündnis: Der NATO-​Gipfel und seine Konfliktlinien“

  1. Es wäre wün­schens­wert, wenn sich Europa end­lich von den USA eman­zi­piert. Die Lösung wäre ein euro­päi­sches Verteidigungsbündnis mit einer eige­nen Armee. Diese aus­ge­rich­tet auf den Einsatz von Spezialkräften, Panzertruppen zur Grenzverteidgung und Drohnentechnik, alles aus­schließ­lich zum Zweck der Verteidigung. Oder aber Europa lässt sich wei­ter­hin von den USA auf der Nase her­um­tan­zen zudem mit der Gefahr, sich im Konfliktfall immer wie­der in einen Angriffskrieg zie­hen zu las­sen. Europa hat jetzt schon zusam­men eine enor­me Schlagkraft der Armeen im Verbund. So what?!

  2. Leider will in D kei­ner zur Bundeswehr, weil anschei­nend nie­mand das Land ver­tei­di­gen möchte.

  3. @_Su: Es muss klar sein, dass sich ein demo­kra­ti­sches System nicht her­bei­re­den lässt und dass Frieden und Freiheit kei­ne Selbstverständlichkeiten sind. Der Grundwehrdienst muss mei­ner Meinung nach wie­der staats­bür­ger­li­che Pflicht wer­den, in des­sen Verlauf sich dann eini­ge für den Soldatenberuf im wahrs­ten Sinne des Wortes „rekru­tie­ren“ las­sen. Davor muss aber der poli­ti­sche Grundsatz der Landesverteidigung ste­hen. Die Freiheit wird nicht am Hindukusch ver­tei­digt, son­dern in den Grenzen Europas und dass ohne Wenn und Aber. Wenn es gelingt, eine Armee als euro­päi­scher Verbund für die rei­ne Landesverteidigung ohne den Einfluss der USA, dann bin ich davon über­zeugt, lässt sich auch die Notwendigkeit einer Verteidigungsarmee glaub­haft machen.

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