Wie schnell wir bereit sind, Überzeugungen über Bord zu werfen! Wer glaubt außer Annalena Baerbock noch ans Völkerrecht?

Kri­tik an Euro­pas Rol­le im Nah­ost­kon­flikt, der media­len Kriegs­rhe­to­rik und der Ent­frem­dung vom zivil­ge­sell­schaft­li­chen Friedenswillen.

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Horst Schulte

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In den hie­si­gen Medi­en ver­dam­men vie­le Jour­na­lis­ten den Sta­tus der EU zum Nah­ost­kon­flikt. Selbst­ver­ständ­lich ist die­ser Kri­sen­herd nicht der ein­zi­ge Vor­wand für die­se Damen und Her­ren, Kri­tik am euro­päi­schen Han­deln zu üben. Man könn­te glau­ben, die­se Men­schen for­dern uns in einer pene­tran­ten Art und Wei­se dazu auf, alle Über­zeu­gun­gen der Nach­kriegs­jahr­zehn­te über Bord zu wer­fen. Merz wur­de von den USA über den Angriff auf den Iran erst infor­miert, als er schon gelau­fen war. Die­se Gering­schät­zung schmerzt Jour­na­lis­ten in die­sem Land schein­bar mehr als der Tat­be­stand selbst.

Wenn ich reak­tio­nä­re Zyni­ker wie den Focus-Kolum­nis­ten Jan Fleisch­hau­er aus dem Urlaub in einem sizi­lia­ni­schen Luxus­ho­tel dar­über schwät­zen höre, wie ver­rückt sich die Deut­schen mit ihrer Ableh­nung des Autos ver­hal­ten, einem der wich­tigs­ten Export­gü­ter des Lan­des, fragt man sich, ob die­ser Mann, eben­so wie all die ande­ren Jam­mer­frit­zen je zu Erkennt­nis­ge­win­nen gelan­gen könn­te. Dass sich der Kanz­ler mit sei­nen Wor­ten häu­fi­ger mal in die Brenn­nes­seln gesetzt hat, ist kei­ne neue Erkennt­nis. Immer­hin, da stim­me ich sogar mit Fleisch­hau­er über­ein, klingt Merz leben­dig, und damit sehr viel anders als sein rhe­to­risch immer äußerst drö­ge daher­kom­men­der Vorgänger. 

Beim «Pres­se­club» von heu­te spiel­ten sich die anwe­sen­den Jour­na­lis­ten die Ver­hee­rungs­bäl­le zu. Ich weiß nicht, wie lan­ge der Frie­de, der eigent­lich nach die­sen Leu­ten schon jetzt kei­ner mehr ist, noch andau­ern wird. Nach die­sen 45 Minu­ten hat­te ich echt genug von die­sem als Hul­di­gung emp­fun­de­nen Gere­de von Krieg und Gewalt, Auf­rüs­tung und Kriegslüsternheit.

Ich emp­fand es als wohl­tu­end, als einer der Anru­fer nach der Sen­dung exakt die­ses Gekräch­ze ganz direkt ansprach und mas­siv kri­ti­sier­te. Der Anru­fer führ­te aus, er habe zwei Söh­ne im Alter von fünf­zehn Jah­ren. Er sei nicht bereit, die­se in den Krieg zu schi­cken. Dar­über müss­te die gesell­schaft­li­che Debat­te geführt wer­den, nicht dar­über, wel­che Waf­fen ange­schafft und wie das per­so­nel­le Defi­zit der Bun­des­wehr am geschick­tes­ten aus­ge­gli­chen wer­den sol­le. Wel­cher nor­ma­le Bür­ger könn­te sich ange­sichts der gan­zen Lügen und des Stres­ses, den uns die inter­na­tio­na­len Bedro­hun­gen des Welt­frie­dens machen, sol­chen Gedan­ken ent­zie­hen. Ist es den Pro­gramm­ver­ant­wort­li­chen egal, dass sie uns sol­chen gera­de­zu eupho­risch klin­gen­den Kriegs­pro­pa­gan­dis­ten aus­lie­fern? Ich bin ehr­lich: Mich kotzt das an!

Auch die Tat­sa­che, dass Euro­pa in die­sem Rei­gen der Wahn­sin­ni­gen kei­ne Rol­le spielt, wird stän­dig von irgend­wel­chen Jour­na­lis­ten bemän­gelt. Der Rus­se steht schließ­lich vor der Tür. Dass die Bedro­hung im Wesent­li­chen von einem geis­tes­kran­ken Kri­mi­nel­len in Mos­kau aus­geht, wird zu wenig betont. Aber die Früch­te der Über­zeu­gungs­ar­beit unse­rer Jour­na­lis­ten gehen auf. Die Rus­sen sind natür­lich alle schwer auf Putins Kurs. Wer es glaubt. Wenn die alten SPD-Scher­gen ihr Mani­fest an den Markt brin­gen, wer­den sie wie alte Hun­de geprü­gelt. Sol­che alten wei­ßen Män­ner sind ein­fach nicht mehr auf der Höhe unse­rer Zeit. So ein­fach geht die Erklä­rung der Geg­ner. Von Car­lo Mas­sa­la bis Clau­dia Major und wie­der zurück. 

Poli­tik in Deutsch­land redet über 5 % des BIP, die für unse­re Auf­rüs­tung aus­ge­ge­ben wer­den sol­len. Das sind weit über 220 Mrd. EUR. Unser Gesamt­haus­halt beläuft sich in die­sem Jahr auf unge­fähr 488 Mrd. EUR. Wel­che Spiel­räu­me für die wirk­lich wich­ti­gen Din­ge blei­ben da? 

Man­che „Exper­ten“ behaup­ten, wir befän­den uns bereits im Krieg und bald wer­de die­ser auch sicht­bar wer­den. Ich erin­ne­re dar­an, wie unver­schämt Geheim­diens­te und die bri­ti­sche und die US-Regie­rung damals gelo­gen haben. Der Krieg wur­de sei­ner­zeit mit angeb­li­chen Gift­gas­fa­bri­ken im Irak begrün­det. Wie die­ses Ver­bre­chen, für das nie irgend­wer zur Rechen­schaft gezo­gen wur­de, heu­te noch nach­wirkt, erken­nen wir an der Sor­ge der Amis, dass der Iran nun die immer noch im Irak befind­li­chen US-Stütz­punk­te angrei­fen könn­ten. Außer­dem gibt es die Stra­ße von Hor­mus, deren Blo­cka­de durch den Iran die Welt­wirt­schaft zum Erlie­gen brin­gen könnte. 

Das Augen­merk der Welt liegt zur­zeit auf dem Krieg zwi­schen Isra­el und dem Iran. Was den Men­schen in Gaza täg­lich wider­fährt, ist aus dem Blick­feld gera­ten. Immer­hin wur­de wenigs­tens die­ses Sze­na­rio (das bewusst von Netan­ja­hu insze­niert wur­de) von den Medi­en halb­wegs pro­mi­nent beschrie­ben. Wenn die UN sich dort „ein­mi­schen“, kom­men Typen wie die­ser Fleisch­hau­er um die Ecke und stem­peln die UN-Insti­tu­tio­nen in einer Art und Wei­se ab, die eigent­lich zu einem lau­ten Auf­schrei füh­ren soll­te. Ich war lan­ge Zeit hin­durch der Über­zeu­gung, dass das Völ­ker­recht für zivi­li­sier­te Län­der die Basis für gewalt­freie Kon­flikt­lö­sun­gen sein wür­de. Statt­des­sen wer­den die UN als Sach­wal­ter zur Par­tei erklärt und von Schwach­köp­fen dif­fa­miert. Das ist unerträglich!

Deutsch­land und Euro­pa spie­len kei­ne gro­ße Rol­le, wenn es um geo­po­li­ti­sche und vor allem um mili­tä­ri­sche Fra­gen geht. Das mag man bedau­ern, mir ist das egal. In unse­rem Euro­pa leben vie­le hun­dert Mil­lio­nen Men­schen. Die­se Men­schen wol­len Frie­den und ihr Leben so füh­ren, wie es die zivi­li­sa­to­ri­sche Ent­wick­lung der Mensch­heit zulässt und in Form demo­kra­ti­scher Insti­tu­te auch vor­gibt und absichert.

Solch eine Tat­sa­che muss doch ein­mal in der Geschich­te der Mensch­heit am Ende schwe­rer wie­gen als mili­tä­ri­sche Akti­vi­tä­ten von ver­bre­che­ri­schen, aggres­si­ven Leu­ten wie Putin oder Netan­ja­hu. Und ja, auch von Trump! Das setzt ein gewis­ses Selbst­ver­trau­en der Euro­pä­er vor­aus, und zwar nicht nur in pla­ka­tiv-poli­ti­scher Form. Wenn ich sehe, wie die G7-Teil­neh­mer die­sem Idio­ten in den Hin­tern gekro­chen sind, schä­me ich mich für die Teil­neh­mer­län­der bzw. ihre Reprä­sen­tan­ten. Haben wir das nötig? Müs­sen sich funk­tio­nie­ren­de, demo­kra­ti­sche Staa­ten vor sol­chen Idio­ten auf die Knie werfen? 

Einig­keit macht stark. Heißt es doch. Wie­so ergrei­fen die Euro­pä­er (allen vor­an die EU-Mit­glie­der) die­se Chan­ce nicht? Jeden­falls erzäh­len Jour­na­lis­ten uns stän­dig, wie uneins und von unter­schied­li­chen Inter­es­sen gelei­tet, EU-Ent­schei­dun­gen zu spät oder gar nicht getrof­fen wer­den. Gleich denkt man an Län­der wie Ungarn oder die Slo­wa­kei und ein paar ande­re. Dass vie­le Län­der von Rechts­po­pu­lis­ten regiert wer­den, macht auch nicht gera­de froh. Es gibt wir­kungs­vol­le Ver­fah­ren, die teil­wei­se auch zur Anwen­dung kom­men. Trotz­dem müss­te die EU es hin­be­kom­men, ein wir­kungs­vol­le­res Sank­ti­ons­re­gime zu eta­blie­ren. Dass Orban und Ungarn die EU ver­las­sen soll­ten, steht für vie­le Men­schen in der EU wohl außer Fra­ge. Es schwächt die EU, dass sol­che Maß­nah­men bis­her nicht ermög­licht wer­den. Lei­der kann das ego­is­ti­sche Ver­hal­ten der Ungarn für ande­re Län­der ein schlech­tes Vor­bild sein. 

Ich habe ChatGPT ein­mal her­aus­su­chen las­sen, ob die Stand­punk­te der grö­ße­ren EU-Län­der zur israe­li­sche-ame­ri­ka­ni­schen Poli­tik gegen Iran und Gaza tat­säch­lich so unter­schied­lich bewer­tet wird, wie uns die Medi­en das täg­lich ver­mit­teln. Ich über­las­se es euch, die Schluss­fol­ge­run­gen zu zie­hen. Feh­ler­haf­te Aus­sa­gen der ChatGPT – Ant­wor­ten habe ich nicht entdeckt.

🇩🇪 Deutschland

  • Kanz­ler Merz zeig­te sich klar pro‑israelisch: Er lob­te Isra­el dafür, „den Drecks­job für uns zu erle­di­gen“ und beton­te, dass das Ziel sein müs­se, Iran an der Ent­wick­lung von Nukle­ar­waf­fen zu hin­dern; laut ihm habe Isra­el mit den Angrif­fen den Ter­ro­ris­mus gestoppt und künf­ti­ge Bedro­hun­gen abgeschwächt.
  • Gleich­zei­tig unter­stützt Deutsch­land diplo­ma­ti­sche Initia­ti­ven: Außen­mi­nis­ter Wade­phul bie­tet Iran Ver­hand­lun­gen zur nuklea­ren Dees­ka­la­ti­on an, betont aber, dass Isra­el ein legi­ti­mes Recht auf Selbst­ver­tei­di­gung habe.
    Unter­schied: Kanz­ler spricht mit mili­tä­risch-expres­sio­nis­ti­scher Direkt­heit, Außen­mi­nis­ter setzt eher auf diplo­ma­ti­schen Klang – öffent­lich mar­kiert, aber nicht staatszersetzend.

Fazit Deutsch­land: Kom­bi­na­ti­on aus restrik­ti­ver Mili­tär­kri­tik an Iran, star­ker Soli­da­ri­tät mit Isra­el und diplo­ma­ti­schem Engagement.


🇫🇷 Frankreich

  • Prä­si­dent Macron erkennt Israe­lis Recht zur Selbst­ver­tei­di­gung an und betont zugleich den drin­gen­den Bedarf an Ver­hand­lun­gen – er lei­tet eine „Initia­ti­ve“, um einen diplo­ma­ti­schen Weg aus dem Kon­flikt zu finden.
  • Außenminister:innen der E3 (F, D, UK) rufen Iran auf, zurück an den Ver­hand­lungs­tisch zu kom­men – ohne Vor­be­din­gun­gen.
    Prä­si­dent Macron unter­stützt Isra­els Selbst­ver­tei­di­gungs­recht gegen Iran, kri­ti­siert zugleich die huma­ni­tä­re Lage in Gaza, warnt vor „dis­pro­por­tio­na­len“ Angriffen.
  • Außen­mi­nis­ter Bar­rot mahnt diplo­ma­ti­schen Weg an und droht indi­rekt mit Sank­tio­nen gegen Isra­el, soll­te der Gaza‑Krieg wei­ter eskalieren.
  • Varia­ti­on: Prä­si­dent stärkt Nah­ost-Alli­anz, Außen­mi­nis­ter streut War­nung gegen Eska­la­ti­on durch Israel.

Fazit Frank­reich: Ähn­lich wie Deutsch­land: pro-israe­lisch in Selbst­ver­tei­di­gung, aber stark auf Diplo­ma­tie ausgerichtet.


🇬🇧 Vereinigtes Königreich

  • Pre­mier Star­mer übte sich in Diplo­ma­tie: Er erklär­te, Groß­bri­tan­ni­en aner­ken­ne Isra­els Recht zur Selbst­ver­tei­di­gung, hielt Iran jedoch für eine nuklea­re Gefahr und plä­dier­te für Deeskalation.
  • Außen­mi­nis­ter Lam­my warn­te, es sei ein „sehr gefähr­li­cher Moment“ und akti­vier­te vor­sorg­lich Kampf­flug­zeu­ge im Nahen Osten.
    Gesell­schaft­li­ches Bild: Regie­rung zeigt Einig­keit mit Isra­el, Außen­po­li­tik prio­ri­tär diplo­ma­tisch abge­stimmt – leich­te Tonunterschiede.

Fazit UK: Mili­tä­risch vor­beu­gen­de Sicher­heits­vor­keh­run­gen, aber pri­mär diplo­ma­tisch abge­stimmt und zurück­hal­tend in direk­ter Kriegsteilnahme.


🇪🇸 Spanien

  • Das Außen­mi­nis­te­ri­um ver­ur­teil­te die israe­li­schen Angrif­fe scharf und for­der­te sofor­ti­ge Zurückhaltung.
  • Spa­ni­en betont Sta­bi­li­tät im Nahen Osten und mahnt inter­na­tio­na­le Zusam­men­ar­beit für Frie­den an.
    Minis­ter­prä­si­dent Sán­chez ver­ur­teilt Isra­els Vor­ge­hen in Gaza als „Kriegs­zweck an sich“ und for­dert „inter­na­tio­na­le Aner­ken­nung Palästinas“.
  • Vize­prä­si­den­tin Díaz wirft EU/​USA „Kom­pli­zen­schaft bei Kriegs­ver­bre­chen“ vor.
  • Varia­ti­on: Sán­chez wirkt etwas gemä­ßig­ter („Krieg um des Krie­ges wil­len“), Díaz schär­fer und kon­fron­ta­ti­ver – star­ke Diver­genz im Regierungsbild.

Fazit Spa­ni­en: Kri­tisch gegen­über israe­li­scher Gewalt, poli­tisch-distan­zier­ter Ansatz, Fokus auf Dees­ka­la­ti­on und mul­ti­la­te­ra­le Koordination.


🇮🇹 Italien

  • Ita­li­en rief bei­de Sei­ten zum Rück­zug und zur Rück­kehr an den Ver­hand­lungs­tisch auf.
  • Ita­li­en legt Haupt­au­gen­merk auf Ent­span­nung und diplo­ma­ti­sche Lösung statt Eska­la­ti­on.
    Minis­ter­prä­si­dent betont Unter­stüt­zung von Isra­els Recht zur Selbst­ver­tei­di­gung, ver­ur­teilt jedoch Hamas’ Terror.
  • Innen­po­li­tisch weni­ger medi­en­de­stil­liert: Schwer­punkt liegt auf Secu­ri­ty, weni­ger direk­te Kri­tik an Israel.

Fazit Ita­li­en: Neu­tral bis zurück­hal­tend, mit Appell für Verhandlungen.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: EUAußenpolitik Nahostkonflikt

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