Zwischen Bittstellern und Brandstiftern – Merz, Trump und der deutsche Realitätsverlust

Ein eher kri­ti­scher Blick auf Merz’ Trump-Auf­tritt, media­le Dop­pel­mo­ral und poli­ti­sche Versäumnisse.

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Wie bemüht sich man­che Jour­na­lis­ten und Poli­ti­ker­kol­le­gen geben, damit Merz bei Trump ja einen guten Ein­druck macht. Selbst das Regio­nal­pro­gramm des WDR-Fern­se­hens bil­det da kei­ne Aus­nah­me. Da wer­den Ver­hand­lungs­exper­ten her­bei­zi­tiert, nur um dem Publi­kum vor den Bild­schir­men ein paar Tipps zu lie­fern – für Merz, ver­steht sich. „An uns hat’s nicht gele­gen“, soll das wohl heißen.

Nun ja – es ist ja glimpf­lich aus­ge­gan­gen. Wie schön, dass der Frit­ze so gut Eng­lisch kann. Und dass er auch noch die rich­ti­ge Kör­per­grö­ße mit­bringt. Er selbst sag­te, er wol­le nicht als Bitt­stel­ler auf­tre­ten. Nein? War­um auch? In Gegen­wart die­ses oran­ge­nen Nar­ziss­ten gewinnt man kei­nen Blu­men­topf – und sei man noch so diplo­ma­tisch. Höchs­tens einen Ach­tungs­er­folg im Hier und Jetzt. „Is a good guy.“ Ein Satz wie aus einem schlech­ten Dreh­buch – pas­send zu die­sem so schreck­lich unsou­ve­rä­nen, wan­kel­mü­ti­gen und intel­lek­tu­ell unter­be­lich­te­ten TV-Prä­si­den­ten, des­sen erra­ti­sche Ent­schei­dun­gen jedem Dumm­kopf als Irr­sinn erschei­nen müss­ten. Nur halt nicht allen Ame­ri­ka­nern. Und wir sor­gen uns um unser Bildungssystem.

In einem Inter­view mit dem laut Tages­spie­gel „rechts­ge­rich­te­ten“ US-Sen­der FOX sprach Fried­rich Merz – auf Eng­lisch. Und sie­he da: Deut­sche Jour­na­lis­ten lob­ten ihn dafür, als hät­te er das Rad neu erfun­den. Best­no­ten für die Sprach­be­herr­schung. Wir erin­nern uns an ande­re Poli­ti­ker, die von den­sel­ben Medi­en für »schlech­tes Eng­lisch« in der Luft zer­ris­sen wurden.

Merz wur­de im Gespräch auf den wach­sen­den Anti­se­mi­tis­mus in Deutsch­land ange­spro­chen. Und natür­lich ließ er das nicht auf sich sit­zen. So weit reicht der berüch­tig­te „Schuld­kult“ dann doch nicht. Statt­des­sen griff er, ganz staats­män­nisch, das auch vom US-Prä­si­den­ten beklag­te „Migra­ti­ons­cha­os“ auf – und bedien­te damit das von der AfD kul­ti­vier­te Nar­ra­tiv des „impor­tier­ten Anti­se­mi­tis­mus“. Dass die­ser Begriff 2024 zum Unwort des Jah­res erklärt wur­de, schien ihn nicht zu stören.

Die AfD hat­te bereits im Bun­des­tag gefor­dert, Anti­se­mi­tis­mus durch Zuwan­de­rung „klar zu benen­nen“ und „effek­tiv zu bekämp­fen“. Sie sprach von einer „ernst­zu­neh­men­den Bedro­hung für unser west­li­ches Wer­te­sys­tem“. Bea­trix von Storch for­mu­lier­te es noch kla­rer: „Der impor­tier­te Juden­hass zeigt das Ver­sa­gen der Migrationspolitik.“

Ich bin sicher, dass sich die Mehr­heit im Land der Rea­li­tät bewusst ist: Anti­se­mi­tis­mus ist in Deutsch­land wei­ter­hin tief ver­an­kert – und hat in den letz­ten Jah­ren eine beschä­men­de Renais­sance erlebt. Dass jüdi­sche Ein­rich­tun­gen unter Poli­zei­schutz ste­hen, weil irre­ge­lei­te­te Gewalt­tä­ter sie per­ma­nent bedro­hen, emp­fin­den vie­le als mora­li­sche Bank­rott­erklä­rung. Dass sol­che Sze­nen aus­ge­rech­net in Deutsch­land gesche­hen, berührt mich zutiefst.

Dass sich die­ses Bild nach den furcht­ba­ren Ver­bre­chen der israe­li­schen Regie­rung und des Mili­tärs in Gaza noch ein­mal kom­pli­zier­ter dar­stellt, wer­den nur jene leug­nen, denen Mit­ge­fühl fremd ist – oder kei­ne Kategorie.

Und wie äußern sich deut­sche Jour­na­lis­ten dazu? Typisch. Je kla­rer sie dem links-grü­nen Lager zuzu­ord­nen sind, des­to ein­deu­ti­ger ver­ur­tei­len sie Merz’ Auf­tritt bei Fox. Da ist er wie­der: Der Fried­rich, der mit flot­ter Zun­ge über­zieht und unbe­dacht Din­ge aus­spricht, die ihm sofort von den über­kor­rek­ten Jako­bi­nern in Gestalt lin­ker Kom­men­ta­to­ren um die Ohren gehau­en werden.

Ich habe Merz nicht gewählt, son­dern Scholz. Also eigent­lich die SPD. Von der Uni­on erwar­te ich nicht viel – und von Merz als Kanz­ler eben­so wenig. Trotz­dem muss ich zuge­ben: Ich ver­ste­he, was Söder mein­te, als er von der „letz­ten Patro­ne der Demo­kra­tie“ sprach. Auch wenn das vie­le reflex­haft ablehn­ten – weil es eben von der fal­schen Per­son kam.

Aber Fakt ist: Die­se Regie­rung muss lie­fern. Und zwar nicht außen­po­li­tisch, son­dern da, wo es zählt: innen. Die Wirt­schaft muss wie­der in Schwung kom­men. Und vor allem braucht die­ses Land eine Migra­ti­ons­po­li­tik, die klar, ver­bind­lich und gerecht ist – nicht ideo­lo­gisch auf­ge­la­den, nicht chao­tisch, son­dern trag­fä­hig. Sonst reißt es uns wei­ter auseinander.

Ich wün­sche mir ein bes­ser funk­tio­nie­ren­des Deutsch­land. Dafür braucht es gro­ße, muti­ge und schmerz­haf­te Refor­men. Ich hof­fe, wir fin­den dafür noch die nöti­ge Kraft – und die Zeit.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Antisemitismus Merz Migrationspolitik

Quelle Featured-Image: Merz trifft Trump...
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