
Die Vorstellung, dass eine „unsichtbare Hand“ gesellschaftliche Debatten lenkt, ist nicht neu – doch sie erlebt eine Renaissance, gerade unter konservativen und rechten Stimmen. Sie behaupten, in Deutschland gäbe es eine Art informelle Allianz aus Regierung, Medien und NGOs, die die Deutungshoheit beansprucht – vor allem bei kontroversen Themen wie Migration, Klima oder Gender.
Kritik an dieser angeblichen Steuerung kommt laut und deutlich, oft zugespitzt bis zur Karikatur. Aber sie trifft einen Nerv. Denn Vertrauen in Medien, Politik und Institutionen ist längst kein Selbstläufer mehr.
Was ist dran an der Kritik? Und wo beginnt das Märchen von der gelenkten Demokratie?
Was rechte und konservative Kritiker beklagen
Wer rechte Debattenräume – ob in Zeitungen, Podcasts oder sozialen Medien – aufmerksam verfolgt, stößt auf immer dieselben Namen: ARD, ZDF, Heinrich-Böll-Stiftung, Amadeu Antonio Stiftung, Fridays for Future, Campact, Pro Asyl, Greenpeace. Sie alle gelten dort als Teil eines „Meinungskartells“, das mit Hilfe öffentlicher Förderung und medialer Dauerpräsenz angeblich einen linken, „woken“ Gesellschaftsentwurf in Szene setzt – oft gegen den Willen der schweigenden Mehrheit.
Die zentralen Vorwürfe lauten:
- Staatsnähe: NGOs würden mit Steuergeldern alimentiert, um regierungsfreundliche Narrative zu verbreiten.
- Einseitigkeit der Berichterstattung: Öffentlich-rechtliche Sender seien nicht neutral, sondern parteiisch – besonders zugunsten der Grünen oder SPD.
- Verengung des Sagbaren: Wer vom gesellschaftlich gewünschten Tonfall abweiche, werde moralisch diskreditiert oder gecancelt.
- Verzerrte Debattenkultur: Kritische Stimmen kämen zu kurz – während NGOs sich als zivilgesellschaftlich legitimiert inszenierten, obwohl sie oft nur kleine Gruppen repräsentieren.
Ein häufig zitiertes Beispiel ist die Amadeu Antonio Stiftung, die sich dem Kampf gegen Rechtsextremismus verschrieben hat. Kritiker werfen ihr ideologische Schieflage vor, insbesondere wenn sie Akteure der politischen Rechten pauschal mit „Hassrede“ in Verbindung bringt. Auch Campact, Attac oder Seebrücke werden als Aktivisten mit politischer Agenda kritisiert, nicht selten mit dem Vorwurf, den politischen Diskurs einseitig zu verschieben.
Was die Kritisierten entgegnen
Natürlich bleibt diese Debatte nicht einseitig. Die betroffenen Organisationen verweisen auf ihre Satzungen, ihre Transparenzberichte – und auf die demokratische Notwendigkeit einer starken Zivilgesellschaft. In einer Zeit wachsender Polarisierung und zunehmender Demokratiefeindlichkeit sei Engagement gefragt – und Haltung sei eben nicht automatisch Propaganda.
Auch öffentlich-rechtliche Medien halten dagegen: Ihre redaktionelle Unabhängigkeit sei gesetzlich garantiert, die Vielfalt der Perspektiven sei groß. Die Kritik sei selbst Ausdruck eines lebendigen Meinungspluralismus – und nicht Zeichen eines Demokratiedefizits. Der Vorwurf der Gleichschaltung sei infam.
Tatsächlich existieren journalistisch hochwertige Formate, die sich dem Reflex entziehen, jeder politischen Richtung zuzuarbeiten. Doch der Vertrauensverlust bleibt, nicht zuletzt befeuert durch Skandale, Pannen und den generellen Bedeutungsverlust linearer Medien.
Was wirklich auf dem Spiel steht
Die Wahrheit liegt, wie so oft, nicht auf einer Seite. Ja, manche NGOs agieren politisch. Ja, sie erhalten öffentliche Mittel – wie viele andere gesellschaftliche Gruppen auch. Ja, sie vertreten mitunter klare Haltungen. Doch das macht sie noch nicht zur Regierungspropaganda.
Gleichzeitig ist es ein Fehler, jede Kritik an der sogenannten „Zivilgesellschaft“ sofort als populistische Stimmungsmache abzutun. Denn wer politische Meinungsbildung betreibt – sei es mit Mahnwachen, Petitionen oder Instagram-Kampagnen – muss sich auch Kritik gefallen lassen. Demokratie lebt vom Streit, nicht vom Heiligenschein.
Und noch etwas: Wer auf „die Medien“ oder „die NGOs“ schimpft, sollte auch sagen, was er sich stattdessen wünscht. Weniger Debatte? Weniger Engagement? Weniger Widerspruch?
Rechte und konservative Kräfte fordern nicht nur weniger „Meinungssteuerung“. Sie wollen oft auch mehr Deutungshoheit für sich selbst – und rufen laut nach einem „Rollback“ gesellschaftlicher Öffnung: mehr Nation, mehr Ordnung, mehr Identität. Wer das ernst nimmt, muss auch ernsthaft hinterfragen, welche Art von Öffentlichkeit da eigentlich neu gedacht werden soll.
Am Ende geht es um Vertrauen – und um die Frage, ob wir Institutionen noch zutrauen, aus verschiedenen Perspektiven einen gemeinsamen Raum der Verständigung zu ermöglichen.
Ich glaube: Ja. Aber dafür braucht es mehr Transparenz, mehr Widerspruch, mehr Mut zur Uneindeutigkeit. Und ein bisschen weniger Empörungstheater – auf allen Seiten.
Ich hatte vor ein paar Tagen aus einem bestimmten Anlass schon einen Artikel über NGO’s und ihre Gegner aus dem konservativen Lager geschrieben. Er wurde ein paar Mal aufgerufen. Das Thema scheint auf wenig Interesse zu stoßen. Vielleicht ist das ein gutes Zeichen, vielleicht allerdings auch das Gegenteil. Ich riskiere deshalb einen erneuten Aufschlag.
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