Heute Morgen habe ich die Zeitung aufgeschlagen – und da war es wieder. Ein Name, ein Gesicht, ein Mensch aus meinem Jahrgang, 1953. Einer, den ich in den 1970er Jahren im Kegelklub kennengelernt habe. Wir haben gelacht, geredet, gefeiert, das Leben geteilt. Dann, wie so oft, sind die Wege auseinandergegangen. Nicht im Streit, nicht aus einem bestimmten Grund – einfach so, wie das Leben seine Linien zieht. Und nun lese ich, dass er gegangen ist. Für immer.
Es ist merkwürdig, wie sehr sich mit den Jahren der Blick verschiebt. Früher war der Tod ein fernes Wort, ein düsterer Mythos, der irgendwo am Horizont lauerte. Heute aber, mit 71, spüre ich ihn wie einen stillen Begleiter. Mal legt er die Hand auf meine Schulter, wenn ein Bekannter oder Freund von uns geht. Mal huscht er nur durch die Gedanken, wenn ich über die Endlichkeit des eigenen Weges nachdenke.
Und dennoch – der Tod ist nicht nur Verlust. Er erinnert uns daran, wie kostbar die Zeit ist, die bleibt. An die Abende, an denen das Lachen unbeschwert durch den Raum schallte. An die Begegnungen, die unser Leben leuchten ließen, selbst wenn sie längst verblasst sind. Vielleicht ist das das eigentliche Geschenk der Vergänglichkeit: dass wir die Momente, die Liebe, die Nähe intensiver würdigen.
Ich merke, dass mein Jahrgang nach und nach leiser wird. Aber zugleich wächst in mir die Dankbarkeit für all die Wege, die ich gehen durfte. Für die Menschen, die mich begleiteten – auch wenn ich sie unterwegs verlor. Und für das Bewusstsein, dass selbst ein schmerzlicher Abschied uns etwas schenkt: die Erinnerung.



„Ich merke, dass mein Jahrgang nach und nach leiser wird. Aber zugleich wächst in mir die Dankbarkeit für all die Wege, die ich gehen durfte. Für die Menschen, die mich begleiteten – auch wenn ich sie unterwegs verlor. Und für das Bewusstsein, dass selbst ein schmerzlicher Abschied uns etwas schenkt: die Erinnerung.“
Welch ein schönes und auch auf meine eigene Lebenssituation (Jahrgang 1938) zutreffendes Resümmee!
@Fred Lang: Danke, Fred. ❤️
@Horst Schulte: Gern geschehen, Horst.
Hier eine Korrektur. Falsch: Resümmee. Richtig: Resümee.
Zum Glück verblassen die Erinnerungen, je länger das Ereignis her ist …
Dein Resümee treffend formuliert!
Im höheren Alter wird es einem eher bewusst, dass die eigene Lebenszeit abläuft.
@SuMu: Wann, wenn nicht jetzt? Allerdings beschäftigt mich das Thema schon lange.
Ein sehr schöner, nachdenklich stimmender Artikel! Kannst du dich an den Castaneda-Hype in den 70gern erinnern? In den „Lehren des Don Joan“ wurde der Tod als Verbündeter beschrieben, der immer auf der linken Schulter sitzt und den Entscheidungen tiefere Bedeutund verleiht.
Ich denke oft an den Tod, der ja auch plötzlich kommen kann, wie ich immer wieder über Gleichaltrige und auch deutlich Jüngere lese. Deshalb treiben mich häufig Gedanken um, wie ich die Dinge für den „Nachlassverwalter“ (=mein 14 Jahre jüngerer Partner) einfach und machbar gestalte: online und offline. Auch sonstige Vorsorgen (Vollmachten, Patientenverfügungen etc.) sind auf dem Schirm, aber nur teilweise abgearbeitet. Auch habe ich vor, noch eine Menge Dinge loszuwerden, die ich nicht nutze – damit bin ich aber noch nicht wirklich weit. Offenbar ist die Verdrängung phasenweise immer noch stärker!
@ClaudiaBerlin: Danke, Claudia. Nein, mit der New Age-Szene dieser Zeit hatte ich wenig am Hut. Ich habe gestern noch darüber nachgedacht, welche Faktoren für mein Leben wirklich maßgeblich gewesen sind. Lasse ich die persönlichen Dinge beiseite, lande ich da immer bei meiner Arbeit. Die war (die 10 letzten ausgenommen!) bestimmend. Ich bin immer gern arbeiten gegangen und habe viele Dinge aufgrund dessen nicht so mitbekommen. Heute bedaure ich das etwas. Nachholen lässt sich das leider nicht. Aber sei’s drum. Entscheidend ist, dass ich dankbar dafür bin, wie ich in diesem Land leben konnte. In Frieden und mit Möglichkeiten versehen, die mich nichts (sehr wenig) vermissen ließen.
Wir haben auch in bestimmten Sachen Vorsorge getroffen. Das hatte sich so ergeben, weil wir ja viele Jahre meine Schwiegermutter gepflegt haben. Da sieht man sehr praxisnah, an was man denken muss. Meine virtuellen Hinterlassenschaften werden von meiner Schwester geregelt. Meine Frau hat zu diesen Dingen keinen Bezug.
Hoffentlich bleibt alles noch ein paar Jahre so wie es im Moment noch ist. Da darf ich meinen Blick nicht zur Seite schweifen lassen. Politik gibt nur noch Anlass zur Sorge und zum Zweifel. Die schaffen es NICHT! Dass ich das so negativ sehe, liegt wohl vor allem an dem riesigen Vertrauensverlust, mit dem sich viele im Land herumquälen dürften.
@Horst Schulte: „Ich bin immer gern arbeiten gegangen“ – das ist doch wirklich wichtig und unterscheidet dich von vielen, die offenbar nur aus Pflicht und Druck arbeiten und das „richtige Leben“ auf die Rentenzeit verschieben.
@ClaudiaBerlin: Das war es zweifellos. Wahrscheinlich wäre sonst die Zeit nicht so rasend schnell vergangen. Man müsste was tun, was die Zeit in die Länge zieht. Irgendwas ganz Langweiliges oder was ganz Aufregendes. Ich schwanke zwischen Urlaub und Fallschirmspringen.
Mir scheint der Tod näher zu sein als dir und Claudia , die ja alle gleichalt sind.
Wenn nicht eine drastische Krankheit reinbricht ,sind wir noch nicht am Ende. Dennoch wäre es vermessen zu fragen: Welche Träume , welche Ziele haben Sie noch? Eine geradezu absurde Frage, denn keiner von uns kann garantieren, nächstes Jahr um die gleiche Zeit noch da zu sein.
@Gerhard: Solche Garantien krieg (leider oder Gott sei Dank) ja keiner. Vielleicht die (noch) einzige Gerechtigkeit auf unserer Welt. Großartige Pläne haben meine Frau und ich gar nicht. Wir verreisen nicht aber wir haben uns und fühlen uns miteinander in unserer Umgebung so wohl, dass es uns an nichts mangelt. Wir sind uns in dieser Sichtweise wirklich einig. Das klingt bescheidener als wir vermutlich sind. Der schlimmste Gedanke für mich, wenn ich unseren Kosmos so betrachte, wäre, wenn ich allein zurückbliebe. Jetzt aber mal Schluss mit diesen morbiden Gedanken. Nun, die Jahre machen den Unterschied zu früher. Da hätten wir bei solchen Gesprächen sich unsere Augen verdreht.
Hallo,
ich bin durch das Thema von ClaudiaBerlin hierhergekommen und möchte, wenn auch verspätet, auch noch meine 50 Cent beitragen:
1. Wenn ich mein Leben (78 Jahre alt) auf einem Maßband von einem Meter Länge markiere, so zeigt es mir an, wieviel Jahre dem Tod bereits gehören. Dann sage ich mir „Der Tod steht zwar noch nicht vor der Tür, aber er sucht sich draußen schon mal einen Parkplatz“!
2. Wenn ich meinen Focus auf die Elendsregionen dieser Welt richte, wird mir immer wieder bewußt, welch ein privilegiertes Leben ich trotz aller Probleme bislang führen durfte.
3. Angesichts der mit absoluter Gewissheit fortschreitenden Klimakatastrophe bei gleichzeitiger Untätigkeit der dafür Verantwortlichen kann das hohe Alter und der herannahende Exitus auch eine Gnade sein.
@GK: Schön, dich hier zu lesen!
Dieses „Bonmot“ habe ich schon einmal gehört :–)
Die Menschheit scheint sich rückwärtszuentwickeln. Das mache ich nicht einmal am Aufkommen von rechtskonservativen oder rechtspopulistischen Kräften auf dem Globus fest, sondern am Hang der Bevölkerung zu konservativem Verhalten. Wir führen großenteils zwar ein privilegiertes Leben, haben uns aber so darin eingerichtet, dass wir verharren statt gestalten.
Wir sprechen im Freundes– und Bekanntenkreis genau über das Thema. Die meisten äußern sich ähnlich wie du es tust. Eigentlich ein schlimmer, deprimierender Zustand. Oder?