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Die Rache der Assistenzsysteme: Wenn Technik Fahrfreude killt

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Moderne Autos wollen helfen – doch oft nerven sie uns in Grund und Boden. Zwischen Phantomschildern, müden Fahrern und überfürsorglichen Spurhaltern zeigt sich: Die Technik hat Humor oder tut jedenfalls manchmal etwas, das man dafür halten könnte, nur der Fahrer nicht immer.

Wer Christians Beitrag auf buggisch.wordpress.com gelesen hat, weiß: Autofahren im Jahr 2025 fühlt sich an wie eine Therapiesitzung mit einem übermotivierten Sprachassistenten. Kaum lenkt man, piept’s. Kaum schweift der Blick ab, blinkt’s. Kaum atmet man anders, schlägt das Müdigkeitssystem Alarm.

Der Mensch soll sich sicher fühlen – fühlt sich aber offenbar zunehmend eher beobachtet, bevormundet und irgendwann vielleicht paranoid.

Christian Buggischs Artikel mit dem schönen Titel „Ding, Ding, Ding“ hat mich zu diesem kleinen Beitrag inspiriert. Mein Auto stammt aus einer Ära, in der Autos noch nicht mit uns geredet haben, sondern einfach gefahren sind. Nicht ganz. Das Navi hat mir mal geholfen und mal in die Irre geführt. Wortwörtlich. Mein Škoda Octavia RS wurde vor 18 Jahren erstzugelassen – also fast schon Oldtimer nach heutiger Software-Logik.

genervter autofahrer assistenzsysteme
genervter autofahrer assistenzsysteme

Assistenz gibt’s da kaum, aber ein paar kleine Helferlein, auf die ich nicht verzichten möchte. Nein, nicht die elektrischen Fensterheber oder die Sitzheizung – das sind nur Komfortzuckerl. Wirklich nützlich ist der Rückfahrpiepser: ein ehrlicher, altmodischer Warnton, der mit jedem Zentimeter lauter wird, bis man weiß, jetzt ist’s genug.

Ein klarer Ton, kein Algorithmus, keine Belehrung – einfach piep und fertig.

Andererseits: Wenn ich mal vergesse, den Gurt anzulegen, verwandelt sich derselbe Wagen in eine pädagogische Nervensäge. Dieses ständige, vorwurfsvolle Gepiepse klingt, als würde mir das Auto persönlich misstrauen.

Der „Beifahrer“, der nie schweigt

Es erkennt „Hände nicht am Lenkrad“, obwohl sie da sind, nur etwas locker. Es entdeckt „mangelnde Konzentration“, weil man kurz auf die Rückbank schaut. Und es glaubt, eine Baustelle sei ein Feind, den es alle drei Sekunden melden muss.

Forscher fanden heraus, dass moderne Kamerasysteme auf Fake-Verkehrszeichen in Werbeanzeigen hereinfallen. Die KI liest ein Plakat als Tempolimit, bremst automatisch – und der Fahrer wundert sich, warum das Auto plötzlich glaubt, in einer Tempo-30-Zone zu sein, während rechts die Burger-Werbung leuchtet.

Die Zukunft ist da – sie kann lesen, aber nicht verstehen.

Spurhalteassistent mit Todessehnsucht

Eine Fahrerin berichtete, ihr Hyundai Elantra habe sie bei 130 km/h in die Betonwand gedrückt.

Das System wollte offenbar verhindern, dass sie „die Spur verlässt“. Was es nicht erkannte: die Ausweichspur selbst war gerade zur Baustelle geworden.

Ironie des Schicksals: Das System zur Vermeidung von Unfällen verursachte beinahe einen.

Nutzer des Hyundai Ioniq 5 berichten, ihr Autobahnassistent verabschiede sich ohne Vorwarnung. Piepton, Blinken, Ende.

Es fühlt sich ein bisschen an, als würde der digitale Co-Pilot plötzlich sagen: „Ich bin raus, Kollege – jetzt sieh zu.“

Eine Studie aus Australien fand heraus, dass rund ein Fünftel aller Fahrer ihre Sicherheitsassistenten einfach abschaltet. Nicht, weil sie gefährlich sind – sondern weil sie zu sehr nerven.

Die Zukunft soll uns retten, aber manchmal zieht man doch lieber die Handbremse der Vernunft und zwar manuell.

Das Auto als Erziehungsberechtigter

Früher war das Auto ein Ort der Freiheit. Heute ist es ein moralischer Begleiter mit Dauerabo auf deine Fehler. Man kennt es aus der Politik, die allerdings was die Assistenzsysteme anlangt, gar nicht mitgemischt hat. Die Zahl der Unfalltoten bzw. schweren Autounfälle ist seit Jahren stark rückläufig. Wir dürfen uns also trotz solcher negativer Beispiele sicher sein, dass die Assistenten insgesamt dabei geholfen haben.

Manchmal wünsche ich mir ein Auto, das mich einfach fahren lässt – ohne „Ding“, ohne „Bitte übernehmen Sie die Kontrolle“.

Vielleicht ist das wahre Fahrerlebnis heute: den Aus-Knopf zu finden.


Weniger Verkehrstote durch bessere Technik

Langfristige Entwicklung

  • Starker Rückgang seit 1970: Die Zahl der Verkehrstoten hat sich seit 1970 (19.193 Getötete) dramatisch verringert.
  • Längerfristiger Trend: Trotz kurzfristiger Schwankungen ist der langfristige Trend nach unten gerichtet. 

Jüngste Entwicklung

Verlangsamter Rückgang: Seit den frühen 2010er Jahren hat sich die Geschwindigkeit des Rückgangs verlangsamt. 

2024: Die Zahl der Verkehrstoten sank auf 2.770, was einem Rückgang von 59 Personen (2 %) im Vergleich zu 2023 entspricht.

2023: Im Vorjahr gab es 2.839 Verkehrstote, was einen Anstieg gegenüber 2022 bedeutete.

Corona-Jahre: Die niedrigsten Zahlen wurden 2020 (2.719) und 2021 (2.562) verzeichnet, als die Verkehrsdichte aufgrund der Pandemie stark reduziert war.

Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

- alleiniger Autor dieses Blogs -

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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