Multipolarität und Machtverschiebungen
Die Welt gleicht einem Schachbrett, dessen Figuren neu aufgestellt werden. Die USA, China, Indien, Brasilien – auch Russland – sie alle drängen nach Einfluss und Deutungshoheit. Was früher in festen Strukturen ruhte, gerät ins Wanken. Internationale Organisationen verlieren an Gewicht, Absprachen verflüchtigen sich, weil Staaten entschlossener und leider auch rücksichtsloser ihre eigenen Interessen durchsetzen. Die alte Ordnung bröckelt – und an ihre Stelle tritt ein Ringen, das die Unsicherheit vermehrt. Die Entwicklung war aus meiner Sicht schon seit Längerem zu beobachten. Wahrscheinlich war sie unaufhaltsam.
Globalisierung und Ordnungsverlust
Die Globalisierung hat Wirtschaften und Gesellschaften enger verwoben, doch sie bringt keine Garantie auf Harmonie. In Krisenzeiten kehrt das Nationale zurück, als Schutzschild und Abgrenzung. Gemeinsame Regeln verlieren ihre bindende Kraft, das Vertrauen schwindet. Institutionen wie die Vereinten Nationen wirken wie müde Riesen – unfähig, den Konflikten unserer Zeit wirksam zu begegnen. In vielen Ländern wächst die Kritik an der UN. Sie ist in Teilen nachvollziehbar. Wir sehen durchaus ähnliche Vorbehalte gegenüber der EU.
Klimawandel und Ressourcenknappheit
Der Klimawandel ist kein fernes Schreckgespenst, sondern ein Brandbeschleuniger. Wasser, Nahrung, Land – all das wird knapper. Wo Knappheit herrscht, da wächst der Streit. Migration nimmt zu, fragile Staaten zerfallen, Extremismus findet Nahrung. Die Konkurrenz um das Lebensnotwendige schürt neue Spannungen, die über Grenzen hinauswirken. Quelle: IPCC
Technologie, Digitalisierung und Gesellschaft
Die Digitalisierung beschleunigt alles – Chancen und Risiken zugleich. Künstliche Intelligenz verändert Arbeit (schafft ein Risiko für hohe Arbeitslosigkeit und wirkt im Übrigen wie die Versprechung, die Globalisierung würde viele Gewinner und nur wenige Verlierer hervorbringen), Kommunikation und Machtstrukturen. Doch im Schatten wachsen die Bedrohungen: Cyberangriffe, hybride Kriegsführung, digitale Polarisierung. Gesellschaften stehen unter Strom, während sich das Spielfeld der Politik ins Virtuelle verlagert. Quelle: OECD
Vorteile für Populismus und Nationalismus
Pandemien, Kriege, Energie- und Währungskrisen, Inflation – die Liste der gleichzeitigen Schocks ist lang. Regierungen wirken überfordert, Populisten nutzen diese Krisen in virtuoser Weise. Demokratische Parteien wirken vor diesem Hintergrund oft schwach, die Demokratie selbst scheint kein wertvolles Gut mehr zu sein, sondern viele sehen in ihr eher Ballast. Deutsche Rentner ziehen nach Ungarn, weil sie Deutschland, ausgelöst durch die Folgen der massenhaften Migration, nicht mehr als lebenswert und sicher betrachten.
Sie hören auf die einfachen Narrative, die Rechtsextremisten und Rassisten, aber nicht zuletzt auch unsere Medien und die asozialen Netzwerke ihnen bieten, und appellieren an das Nationale, verallgemeinern und übertreiben migrantische Verbrechen in einer Weise, die denkende Menschen abstoßen sollte. Aber sie verstärken die Spaltung, den somit Zuspruch für illiberale Überzeugungen. So entstehen innenpolitische Schwächen, die sich mit den globalen Brüchen verweben. In Sachsen-Anhalt werden nach neuesten Meinungsumfragen 39 % der Wähler der AfD ihre Stimme geben. Am liebsten würde ich losschimpfen und pöbeln. So wie diese Menschen es gegenüber der Demokratie tun. Mir fällt nur noch der Spruch mit den Kälbern ein, die sich ihre Metzger selbst aussuchen.
»Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.«
Waren Buffet, 2006
Auf der Suche nach einer neuen Weltordnung
Im Kern verdichten sich die Spannungen zu einer großen Frage: Wer schreibt die Spielregeln der Zukunft? Die alten Dominanzsysteme verlieren an Kraft, nationale Interessen gewinnen die Oberhand, Ressourcen werden knapper, Technologien entziehen sich der Kontrolle. Menschen mit großen Vermögen gewinnen immer mehr Einfluss. Nicht nur durch solche fragwürdigen Gestalten wie Trump. Es ist eine Zeitenwende, die nicht nur das Verhältnis der Staaten betrifft, sondern tief in unsere Gesellschaften hineinwirkt.



Eine großartige Zusammenfassung! Zum „Sturm unserer Zeit“ gehört auch noch Trump inkl. Maga et al, die als Katalysator des US-amerikanischen Niedergangs wirken – mutwillige Selbszerstörung, jedoch unglaublich gefährlich, denn KRIEG war immer schon ein Ausweg der Mächtigen, wenns eng wurde. Das Ministerium hat er ja schon mal passend umbenannt.
Ich verfolge diverse Youtube-Kanäle (z.B. hier, hier, hier u.a.) die die Situation vieler US-Amerikaner inmitten Inflation, erheblicher Preissteigerungen, Hauskrise, Jobverlusten und Obdachlosigkeit abseits offizieller Verlautbarungen (!) beschreiben und kommentieren – allen außer den Reichen geht es zunehmend richtig dreckig. Und das in einer Kultur, in der Konsum durch Verschuldung ganz normal war und kaum ein soziales Netz existiert! Normale Einkommen reichen nicht mehr, um alle Raten zu bezahlen, mehrere Jobs sind normal geworden, Kündigungsschutz (Haus, Job) gibts sowieso nicht. Such mal „Living in car“ auf YT, das gibt einen Eindruck!
Trump wird mittlerweise bei öffentlichen Auftritten ausgebuht – und das einem Narzisten! Es wundert nicht, dass er mit der Nationalgarde renitente Städte und Staaten einschüchtern will.
Angesichts all dessen, was gerade in der Welt passiert, wirken viele der hierzulande in den Medien und seitens der Politk verhandelten Themen – nun ja: inadäquat!
Na ja, ich möchte behaupten, das die Auswanderungswelle der Rentner, insbesondere nach Rumänien oder Ungarn wohl eher daran liegt, dass sich viele als Rentner ein Leben in Deutschland nicht mehr leisten können. Die Durchschnittsrente heute nach 45 Versicherungsjahren liegt bei 1600 Euro brutto. Je nach Steuerklasse sind das ca. 1300 Euro netto. Der Mietpreis liegt, selbst hier im Ländlichen, selten unter 8 Euro/qm2, Kaltmiete. Da brauch es keine große Rechenkunst, um zu sehen, dass das nicht reicht. Da entscheiden sich eben viele zwangsläufig für eine Migration in die osteuropäischen Länder.
@ClaudiaBerlin: Manchmal glaube ich, dass Trump und seine „Bewegung“ uns eher in einen großen Krieg stürzten könnte als das Arschloch in Russland. Mich wundert und betrübt es sehr, wie sich die Amerikaner scheinbar in ihr „Schicksal“ fügen.
Ein Irrer als Präsident. Gut, es ging schon mit diesem Cowboy in den 80ern los. Später wurde der Terminator zum Gouverneur von Kalifornien. Da kann man noch den Mantel des Schweigens ausbreiten und durchaus konzedieren, dass beide es nicht ganz schlecht gemacht haben. Aber was jetzt ist…
Die Risiken liegen womöglich gar nicht so sehr im Politischen, sondern in dem Druck, den die wirtschaftliche Krise auslösen dürfte. Das wiederum liefert Trump Vorwände, die ich gar nicht zu Ende denken möchte. Das Departement of War exisiert schon mal.
@Peter Lohren: Die gibt es. Auch darüber habe ich Reportagen gesehen. Der Beitrag im ZDF behandelte allerdings den Teil der „Auswanderer“, die sich persönlich auf die Auswirkungen der Migration bezogen. Was ich da gehört habe, führte mich zu der Überzeugung: Gut dass die weg sind.