Rentenkasse geplündert?

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von Horst Schulte

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In Debatten über die gesetzliche Rente hört man oft drastische Bilder: Die Rentenkasse werde geplündert, Gelder flössen in Krisen- oder Entwicklungshilfeprojekte. Solche Bilder treffen einen Teil der Realität, verkürzen sie aber und schüren zusätzliches Misstrauen.

Leserbriefe der tristen Art

Im Fokus heißt es in einem der bei diesem Thema »üblichen« Leserbriefe:


Sorry guter Mann… beim Thema Rente, fragen Sie mal diejenigen die sich auskennen.. wieviel Gelder aus der Rentenkasse entnommen wurden und werden für Ukraine / Corona ectr… wenn ich in meinen Eimer immer mehr Löcher rein bohre, brauch ich mich nicht wundern, warum der Eimer immer schneller leer wird. Geld aus der Rentenkasse nur noch und ausschließlich für diejenigen die auch einbezahlt haben !!!! FERTIG

Gewisse Akteure unterstellen seit diversen Regierungen nicht mehr und nichts weniger als Betrug. Solche Berichte werden natürlich gelesen, weitergegeben und interpretiert:

In allen Jahren, in denen eine Berechnung/Hochrechnung/Abschätzung durch den VDR bzw. die DRV gemacht wurde, machte der Anteil der versicherungsfremden Leistungen an den Rentenausgaben insgesamt zwischen 34 und 40 Prozent aus. Der Anteil der dafür zur Verfügung gestellten Bundesmittel bewegt sich dagegen seit Jahren zwischen 26 und 27 Prozent, so dass sich ein mit den Rentenausgaben wachsender Fehlbetrag von inzwischen 1.070 Milliarden Euro zu Lasten der Versicherten und Rentner ergibt.

Kein Wunder also, dass Politik und Justiz seit Jahrzehnten ablehnen, das Thema endlich transparent zu machen.

Quelle

Wer setzt Spekulationen und Halbwahrheiten in die Welt?

Die Typen mit den Goldkettchen reiten ebenfalls darauf herum und vergiften die öffentliche Meinung. Dort wird sogar behauptet, die Renten könnten laut Experten (die nicht namentlich genannt werden) 13,6 % höher sein.

Ex-Arbeitsminister Heil (SPD) hat sich auf Anfrage zum Thema geäußert. Allerdings nur sehr allgemein. Auf Größenordnungen ist er nicht eingegangen:

Sicherlich kann man unterschiedlicher Auffassung sein, ob sich durch neue gesetzliche Maßnahmen der Umfang der nicht beitragsgedeckten Leistungen verändert hat und diese ausreichend finanziert sind. Andererseits ist der Umfang nicht beitragsgedeckter Leistungen in den vergangenen Jahren erheblich zurückgegangen, sei es durch gesetzliche Änderungen oder durch Zeitablauf (z. B. Rückgang der Kriegsfolgelasten).

Der Umfang der nicht beitragsgedeckten Leistungen in der gesetzlichen Rentenversicherung ist daher immer auch Ergebnis einer gesetzgeberischen Entscheidung darüber, wie umfangreich das Ziel des sozialen Ausgleichs definiert wird. Unterschiedliche Auffassungen über die Frage, was unter den sozialen Ausgleich fällt und was als „versicherungsfremd“ angesehen wird, wird es immer geben.

Quelle

Welche versicherungsfremden Leistungen gibts?

Hier eine Auflistung der sogenannten versicherungsfremden Leistungen, die aus der Rentenkasse finanziert werden:

  • Kindererziehungszeiten (z.B. Mütterrente)
  • Zeiten der Erwerbslosigkeit, Krankheit oder Ausbildung, die als rentensteigernde Ersatzzeiten angerechnet werden
  • Kriegsfolgelasten (z.B. Renten für Kriegsgeschädigte)
  • Rentenzuschläge für Menschen mit vormals geringem Einkommen (Grundrente)
  • Rentenleistungen für Aussiedler und im Ausland lebende Berechtigte (Fremdrenten)
  • Leistungen im Rahmen der Rentenanpassungen in den neuen Bundesländern (Ost-West-Ausgleich)
  • Hinterbliebenenrenten (Witwen- und Waisenrenten), teilweise weil sie über die Beitragsleistungen hinausgehen

Dass diese Leistungen teilweise durch den wachsenden Bundeszuschuss finanziert werden, der inzwischen deutlich über 100 Mrd. EUR p. a. beträgt, muss der Ordnung halber erwähnt werden.

Staatliche Zuschüsse für die Rentenkasse steigen immer schneller

JahrBundeszuschuss (in Mrd. €)
2003≈ 77
2010≈ 58,9
2012≈ 60,0
2020≈ 75,3
2021≈ 78,9
2022≈ 81,0
2023≈ 113,0

Unterstellungen mancher Leute, die eine größere Öffentlichkeit erreichen, gehen so weit, zu behaupten, dass auch die Unterstützung der Ukraine gegen den russischen Aggressor aus der Rentenkasse finanziert werden würde. Die Finanzierung mancher Leistungen aus der Rentenkasse mag vielen nicht einleuchten oder die Transparenz dieser Verfügungen mag nicht hinreichend gegeben sein. Das mag man alles kritisieren. Nur – ohne ein gewisses Vertrauen geht’s einfach nicht. Wie es aber genau darum in diesen Zeiten bestellt ist, brauche ich nicht auszuführen.

Gesetzliche Rente muss geschützt werden

Johannes Winkel (CDU) hat letzte Woche bei Illner eine bemerkenswerte Aussage gemacht, die ich sofort überprüft habe. Dass sie zutreffend ist, hatte ich nicht erwartet.

Wir haben eine Grundsicherungsquote von unter 4 % bei den Rentnern … also 96 % der Rentner sind nicht auf Grundsicherung angewiesen. Das sind immer noch 4 % zu viel, nur ist das trotzdem erst mal ein guter Wert.

Johannes Winkel (CDU) bei Maybrit Illner in der letzten Woche

Ende 2024 waren es rund 739 000 Rentner und Rentnerinnen, die Grundsicherung bezogen haben. Das ist laut Winkel ein »guter Wert«. CDU halt.

Sorgen über die Tragfähigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung muss man sich dennoch machen. Selbst, wenn man nicht ohne Grund feststellen kann, dass die heutige Rentnergeneration noch gut über die Runden kommt.

Rentenniveau

Die durchschnittliche Altersrente in Deutschland lag im Jahr 2024 für Männer bei 1.355 € (West) und 1.271 € (Ost) und für Frauen bei 929 € (West) und 1.218 € (Ost). Der Eckrentner (45 Jahre berufstätig) erhält 1.769,40 € brutto. Leuten, wie Herrn Winkel werden diese Beträge als gute Werte vorkommen. Da darf man sicher sein.

Wir werden aufgrund der zunehmenden Finanzierungsprobleme damit zu rechnen haben, dass zunächst das Renteneintrittsalter heraufgesetzt wird und zweitens – wohl gleichzeitig – die Kopplung der Rentensteigerungen nicht mehr an die Lohnentwicklung, sondern bestenfalls an die Inflation (nominal) angeglichen wird. Ich vermute, dass selbst das nicht mehr gewährleistet ist.

Jüngere Arbeitnehmer

Vor allem sind das Botschaften an die jüngeren Arbeitnehmer. Diese Tendenz kann niemanden froh machen. Nicht die Rentner, aber vor allem nicht die Jungen, die verständlicherweise gegen die Entscheidungen der Politik auf die Barrikaden gehen. Es ist aber eben nicht damit getan, dem Staat heute vorzuwerfen, das Geld für andere Dinge ausgegeben zu haben. Inwieweit man den Vorwürfen folgen mag, die dem Staat Fehlallokation oder gar Schlimmeres unterstellen, ist nicht nur Geschmackssache. Auch diese Diskussionen zeigen, wie schwach unsere Demokratie zurzeit aufgestellt ist.

Leserbriefe zu Artikeln aus reaktionären Schreibstuben wie der des Focus oder der Welt sind heutzutage keine Überraschung mehr. Allerdings wünschte ich schon, dass wenigstens mal der eine oder andere darunter wäre, der ein wenig genauer hinsehen und nicht alles nur nachplappern würde.


Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe auf dem Land.

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Artikelinformationen

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