Thema: Reden

4 Artikel

Politiker können reden. Und sonst so?

Wenn ich mich krank fühle, geh ich zum Arzt. Vielleicht nutze ich die Möglichkeit, mir danach eine zweite Meinung einzuholen. In der Regel reicht mir die Diagnose meines Hausarztes. Ich verlasse mich darauf, dass er mich an einen Spezialisten überweist, falls er es für erforderlich hält. Ihr wisst schon: Vertrauensverhältnis und so. Wieso verdammt, kommt dann stündlich, gefühlte vierundzwanzigmal am Tag, die Meinung eines neuen Experten in den Medien vor? Immer zum gleichen Thema: Corona.

Überforderung allenthalben

Dass Wissenschaftler ihren permanenten Erkenntnisgewinn verarbeiten, vielleicht auch miteinander kommunizieren müssen, habe ich ja noch verstanden. Aber ist es nötig, dreiundachtzig Millionen Menschen in diesen Prozess mit einzubeziehen? Warum bekommen die Medien es nicht hin, sich auf einen einzigen Wissenschaftler zu verständigen, der uns neue Erkenntnisse zum Thema möglichst verständlich vorträgt? Jetzt wäre die Chance da. Schließlich gibt es den neuen Gesundheitsminister, der als Wissenschaftler voll im Thema ist. “Also”… wenn ich es mir richtig überlege: vielleicht sollte der Pressesprecher von Lauterbach die Kommunikation übernehmen? Das könnte allerdings politisch problematisch werden, weil der nämlich noch von Spahn eingestellt wurde. Nicht, dass der die Inventurergebnisse anzweifelt…

Wir leben jetzt fast zwei Jahre mit dieser Pandemie. Die Sommerzeit gab uns Hoffnung, dass alles wieder wie früher werden könnte. Jetzt fühlen sich viele von uns in einer Art von Dauermelancholie gefangen. Ich mag mir nicht ausmalen, wie es sein muss, in solchen Zeiten als alter Mensch allein in der Wohnung oder im Altenheim zu hocken und kaum noch etwas mitzubekommen. Ich halte es für möglich, dass sich in mancherlei Hinsicht diejenigen leichter tun, die im Pandemieverlauf irgendwann damit begonnen haben, die widersprüchlichen Aussagen von Medien, Experten und Politikern zu ignorieren.

Bundestagsdebatte

Ich hingegen habe mir heute einen Teil der Bundestagsdebatte angehört. Natürlich war ich darauf vorbereitet, dass die Hirnis der AfD gewaltig für (Miss-)Stimmung sorgen werden. Meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Stefan Brandner, AfD, fand die Debatte um die Sitzverteilung im Bundestag kindisch. Irgendwie ist sie das auch. Allerdings passten seine “Argumente” auch in dieses Bild. Er warf, ohne ihren Namen zu nennen, der FDP-Verteidigungsexpertin, Agnes Strack-Zimmermann vor, dass sich einer seiner AfD-Freunde von ihr sexuell belästigt gefühlt hätte. Vorher hatten FDP-Leute erzählt, was sie sich alles an Beschimpfungen und rassistischen Tiraden von AfD-Leuten hätten anhören müssen.

Nee, neben solchen Menschen will man nicht sitzen. Sollten wir nicht das Plenum ein wenig umgestalten? Da werden aufgrund der höheren Personenzahl nach den Wahlen ja bestimmt Dezibelwerte erreicht, die dem Nervenkostüm der Abgeordneten nicht gerade förderlich sein dürften. Vielleicht sollte man überlegen, in Schichten zu arbeiten oder die physische Anwesenheit neu zu organisieren? Es gibt doch so vielfältige Erfahrungen mit Homeoffice-Lösungen. Man könnte über neue Präsenzlösungen nachdenken. Was den Schülerinnen und Schülern zugemutet wird, müssten Abgeordnete ja ebenfalls können.

Wir haben nun einen Krisenstab für Corona. Darauf sind Scholz und Lauterbach gleichermaßen stolz. Ich habe registriert, dass Prof. Streeck jetzt mit Prof. Drosten Hand in Hand arbeitet. Unter Führung eines Generals der Bundeswehr. Das muss schon aus Sicherheitsgründen sein. Es hat den Anschein, als hätte die Inventur des Karl Lauterbach nicht für Klarheit gesorgt. Er blieb bei der Pressekonferenz dabei, dass wir zu wenig Impfstoff für die kommenden Monate haben. Seinen Erläuterungen mochte ich ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr folgen. Besser gesagt, ich konnte es nicht mehr! Ich fürchte, das Thema wird für Lauterbach noch zum echten Desaster. Aber weniger wegen des angeblich fehlenden Impfstoffs, sondern eher, weil die CDU sich dieses Kollegenbashing verbitten wird. Die Revanche wird furchtbar werden. Da kennt die Union kein Pardon.

Haste was, biste was

Ach, wäre es schön, wenn wir noch mal normale Zeiten hätten. Die AfD wäre nicht im Bundestag. Die AfD-Funktionäre und ihre Jünger schwadronieren gern darüber, dass in anderen Parteien Menschen arbeiten, die nicht über Schul- und Bildungsabschlüsse verfügen. Wahrscheinlich stimmt es, dass die AfD im Vergleich mehr Leute mit hohen Bildungsabschlüssen in ihren Reihen hat, im Verhältnis zu anderen Parteien. Ich habe mir anhand der Bundestagsdatenbank die Arbeit gemacht, dies zu vergleichen. Das Ergebnis war, dass es in allen Parteien Menschen mit ganz verschiedenen Abschlüssen gibt. Die Schul- und Bildungsabschlüsse sind in Summe vergleichbar, und zwar unter Einschluss der AfD. Ich habe mir die Vita eines der aus meiner Sicht schärfsten Redner der AfD bei Wikipedia angesehen. Der Mann hat eine exquisite Ausbildung genossen. Er besitzt den Doktortitel und hat habilitiert. Er verfügt über eine gediegene musische Ausbildung und trotzdem erinnern seine Reden mich an übelste Nazipropaganda. Der Mann ist aus meiner kritischen Perspektive ein intelligenter Mensch mit beeindruckenden rhetorischen Fähigkeiten.

Generalsekretäre mit Ambitionen und Hingabe

Wenn politische Gegner die Qualifikation von Politiker:innen der einen oder anderen herausstellen, geschieht das häufig nicht in positiver Absicht. Wir erleben das leider immer wieder. Ich weiß, dass Kevin Kühnert, der neue SPD-Generalsekretär, begonnene Studien nicht abgeschlossen hat. Er ist schon sehr früh politisch aktiv gewesen, so dass ich mir vorstellen könnte, dass ihm die Belastung zu hoch war. Es soll ja Menschen geben, die sich voll in ein Engagement (Sport, Ehrenamt oder eben Politik) reinhängen und es rein zeitlich nicht machbar schien, dazu auch noch ein Studium abzuschließen. Die Frage, die sich stellt, ist am Ende doch die, welche Wirkung jemand an dem Platz, an dem er tätig ist, entfalten und wie man die Arbeit danach bewerten kann. Vielleicht ist es kein Zufall, dass es bei linken Parteien mehr Studienabbrecher gibt als bei den rechten Parteien. Es fallen einem gleich einige populäre Namen ein, die mit diesen Vorbehalten umzugehen gelernt haben müssen.

Ich glaube, wer konservativ geprägt ist, wird sich nicht auf Experimente einlassen, die seine berufliche Zukunft gefährden. Gegen meine These spricht allerdings die bisherige Vita von Paul Ziemiak. Der CDU Generalsekretär hat Rechtswissenschaften studiert, aber sein Studium ebenfalls nicht abgeschlossen. Danach hatte er es mit Unternehmenskommunikation probiert und auch dieses Studium ohne Abschluss abgebrochen.

Heute habe ich bei den “Erstreden” der neuen Abgeordneten im Bundestag besonders hingehört. Ich fand es manchmal fast ein wenig rührend, mit welchem Idealismus und Begeisterung die Reden gehalten wurden. Ein Beispiel dafür habe ich euch mal herausgepickt.

Man muss ihrem Vortrag nicht zustimmen, um sich an diesem Enthusiasmus zu erwärmen. Hoffentlich kann sie das möglichst lange beibehalten.

Philipp Amthors ignoriert ungeschriebene Gesetze und erntet dafür …Empörung

Philipp Amthor hat in seinem Interview zum 75. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Ausschwitz den unverzeihlichen Fehler gemacht, die Singularität der Shoa zu ignorieren.

Er hatte die Frechheit im Interview zu erwähnen, dass die Zuwanderung muslimischer Flüchtlinge auch ein Grund für den Anstieg des Antisemitismus in Deutschland sei.

Sowas geht in Deutschland überhaupt nicht mehr. Und Dank unseres vorzüglich ausgebauten Staates für politisch Korrektes fanden sich bei Twitter wieder jede Menge Empörte. Der arme Philipp Amthor muss was aushalten.

In der umstrittenen Äußerung aus dem Interview habe er “auf die Frage geantwortet, was sich in den letzten Jahren verändert hat”. Für ihn sei aber dennoch “völlig klar, dass die größte Gefahr im Bereich des Antisemitismus natürlich von Rechtsextremisten ausgeht”. Das belegten auch die polizeiliche Statistik “und der notwendige Schwerpunkt unseres politischen Handelns”.

Antisemitismus: Philipp Amthor rechtfertigt Aussage über muslimische Einwanderer | ZEIT ONLINE

Ich würde sagen, Amthor verfügt über genug Erfahrung, die Aufregung vorhersehen zu können.

Amthor trendet jedenfalls bei Twitter, im Schatten dieses Unsagbaren logischerweise auch der Hashtag #NieWiederCDU.

Mitglieder anderer Parteien im Bundestag werfen Amthor Fehlverhalten vor.

Korte, Linkspartei, und von Notz, Grüne, kritisieren den Unionskollegen, ohne allerdings zu erwähnen, dass Amthors Aussage im Kern, so deplatziert dieser Teil terminlich eventuell auch war, inhaltlich zutreffend ist.

Natürlich hat der arme Amthor Recht damit, dass der Anstieg des Antisemitismus leider auch auf die hohe Zuwanderungsquote von Muslimen aus traditionell antisemititschen arabischen Ländern zurückzuführen ist.

Dass die Rechten diesen Auftrieb im Land erleben, hat auch damit zu tun, dass wir manche Tatsache aus falscher Rücksichtnahme nicht wahrhaben wollen.

Amthor wäre auch dann so angegangen worden, dessen bin ich mir sicher, wenn es die Verbindung zum Gedenktag nicht gegeben hätte!

Dass aus dem Twitter-Scharmützel erneut ein Statement gegen die CDU gemacht wurde (NieWiederCDU) zeigt, wozu die sozialen Netzwerke degeneriert sind.

Link: Der deutsche Kampf gegen den Antisemitismus ist wertlos

Besser, wir würden zusammenhalten

Warum haben wir es jahrzehntelange hingenommen, dass Politiker zwar viel reden aber nur selten etwas sagen? Waren uns die Fragen zu unwichtig, waren wir zu sehr mit uns selbst beschäftigt? Noch während wir vielleicht darüber nachdachten, lernten wir, dass auch die Fragen von Journalisten, sogar solche, die schriftlich an Minister gestellt wurden, folgenlos einfach unbeantwortet blieben.

Klare Antworten auf wichtige Fragen sind zu Raritäten geworden. Wir bekommen sie nicht, weil diejenigen, die sie geben müssten, Angst vor unserem “Liebesentzug” haben. 709 Abgeordnete hat der Bundestag aktuell und es könnten noch viel mehr werden, wenn sich die Fraktionen nicht endlich auf eine vernünftige Regelung verständigen. Masse hat mit Klasse nichts zu tun.

Verhindert die angeblich grassierende politische Korrektheit den Diskurs oder liegt es nicht eher unsere Gleichgültigkeit am Zustand einer Gesellschaft, in der es vielen richtig gut und anderen richtig schlecht geht?

Es gibt keine Daten, keine Statistiken, die nicht für das eine wie auch für das andere Argument verwendet werden können. Alles reine Glaubenssache.

Eine Erde, ein Leben

Angela Merkel und Emmanuel Macron loben Greta Thunbergs emotionale Rede vor der UN, kritisieren sie jedoch dafür, dass sie nicht konstruktiv sei bzw. nicht denjenigen Vorhaltungen macht, die das verdient hätten. Merkel und Macron meinen also, ihre Länder hätten mit ihrer Politik zum Klimawandel Lob und nicht Kritik verdient.

Ihr häutet die Welt und hinterlasst nichts als Narben

(Steven King – allerdings in anderem Zusammenhang)

Welche Chance haben wir, die Güte der Arbeit unserer Regierungen und Parlamente nicht bloß an dem zu messen, was uns die Berichte unserer Medien “soufflieren”?

“Es” geht nie weit genug

Die Opposition findet grundsätzlich alles falsch. Bestenfalls ist eine Entscheidung im Grundsatz richtig, geht aber nicht weit genug. Über dieses merkwürdige Maß an Zustimmung geht es meistens nicht hinaus. Auch diese Form von ritualisierter Opposition wird etwas sein, worüber die sich viele bestimmt schon geärgert haben.

Manche meinen, unsere Medien seien regierungsfreundlich, manche sogar, sie seien systemtreu. Die Überschwänglichkeit der Berichterstattung zu Beginn der Migrationskrise und die späte Selbstkritik bietet für solche Behauptungen genug Raum. Das ist in den Debatten zum Klimawandel kaum anders. In diesem Fall stehen die Medien mit wenigen Ausnahmen nicht auf Seiten der Regierung.

Das Phänomen Greta Thunberg zeigt, wie machtvoll sich der Protest gegen ein hartleibiges gesellschaftliches Establishment entwickeln kann.

Nicht ins Auge sehen wollen

Ich finde es gut, das Scheitern derer mitzuerleben, die versuchen, Greta und die FFF-Bewegung und ihre Unterstützer zu diskreditieren.

Leider geht davon aber meine Unsicherheit nicht vorüber, ob ich die unglaublich hart kritisierten Klimaschutz-Maßnahmen unserer Regierung nicht im Interesse des Zusammenhalts unserer sowieso stark polarisierten Gesellschaft positiver beurteilen sollte, als das in der Öffentlichkeit mehrheitlich der Fall ist.

Ich muss nicht jedes dumme Argument irgendeines Aktivisten auf die Goldwaage legen, der gewaltige Arbeitsplatzverluste und gesellschaftliche Verwerfungen einem einzigen Ziel unterzuordnen bereit ist. Es heißt: wir hätten keine Zeit mehr. Wir müssten deshalb zu viel umfassenderen Maßnahmen gegen den Klimawandel kommen. Abgesehen davon, dass solche Räder nie in der Geschichte der Menschheit gedreht worden sind, eine Garantie für die Wirksamkeit aller infrage stehenden Maßnahmen gibt uns niemand. Da darf, da muss jeder der Verantwortung in einer Gesellschaft trägt, auf der Hut sein vor riesigen, gesellschaftsverändernden Maßnahmen.

Arbeitsteilung ist gut und vor allem sinnvoll

Es gibt die bewährte Methode der Arbeitsteilung. Lassen wir diejenigen ihren Job machen, die von uns dafür bestimmt wurden. Wenn wir das Grundvertrauen in diese Leute nicht mehr aufbringen können, sind wir sowieso am Ende. Jedenfalls mit dem Gesellschaftssystem, das uns in diesem Fall nämlich um die Ohren fliegen wird. Und das heißt verdammt noch mal nicht, dass man die Regierung nicht kritisieren dürfe.

Greta Thunbergs Kritik, die sich gleichermaßen an die älteren Generationen wie an die Politiker der Gegenwart richtet, ist angesichts des von der Wissenschaft beschriebenen Ausmaßes der Folgen des Klimawandels nachvollziehbar. Die Versäumnisse verweisen vor allem auf eine besonders ausgeprägte Eigenschaft der menschlichen Spezies: den Egoismus.

Reden wir oder reden wir nicht?

Es ist einleuchtend, was Sascha Lobo in seiner aktuellen Spiegel – Kolumne schreibt:

Im Gegenteil ist es schwierig geworden, auch nur entfernt politisch verstehbare Äußerungen zu treffen, ohne teilweise heftigen Widerspruch zu ernten. Es erscheint schwer glaubhaft, dass riesige Menschenmengen das Jahr 2018 in einer zu harmonischen Social-Media-Umgebung verbracht haben sollen.


Sascha Lobo: Das Arschlochproblem der sozialen Medien – Kolumne – SPIEGEL ONLINE

Einerseits sorgen sich viele darum, dass die Demokratie durch die sozialen Netzwerken – – entgegen ursprünglichen Vorstellungen – nicht gestärkt, sondern kaputtgemacht wird. Das soll unter anderem mithilfe so genannter Bots und Filterblasen vonstattengehen. Und wer weiß, was da noch alles kommt? Dass Google+ bald verschwinden wird, ist ein schwacher Trost! Es wird neue Medien geben, die nicht zwangsläufig die Privatsphäre und die Rechte der Nutzer besser schützen werden.

Bots und Filterblase

Dabei ist es doch hinsichtlich des technischen Schabernacks genauso wie Lobo schreibt. Wer sich politisch äußert, macht schnell die Erfahrung, dass er/sie sich eben nicht behaglich in seiner Filterblase eingerichtet hat, sondern dass diese durchaus (und zum Glück!) Menschen enthält, die mit der eigenen Sicht auf die Dinge nicht einverstanden sind. Ist das nicht gut so? Und ja, Streit gibt es genug – trotz und wegen Bots und Filterblasen. Die Zornigen und Streitbereiten sterben nicht aus! Sonst wäre es doch auch total langweilig. Es muss ja nicht dazu kommen, dass man – wie ich – die Einladung zu einer auf Internetkriminalität spezialisierten Polizeistation erhält und man den Besuch nur mit einiger Überzeugungsarbeit abwenden kann. Es hatte jemand einen anderen beschuldigt, beschimpft und beleidigt. Ich sollte bei der Ermittlung der Identität des “Täters” beitragen. Ich konnte glaubhaft machen, dass ich diese Person gar nicht kannte. Der Ausflug nach Köln blieb mir deshalb erspart.

Bot- und Filterblasenjäger sind doch eigentlich sehr fürsorgliche Zeitgenossen. Sie möchten uns davor beschützen (eigentlich vor uns selbst!?), irgendwelchen Rattenfängern (vorzugsweise von rechts) in die Arme zu laufen. Als ob wir solche Aufpasser brauchten!

Aber Politiker, viele darunter sind Anwälte, glauben, dass wir selbst nicht in der Lage dazu sind, uns unser eigenes Bild zu machen. Man braucht juristischen Sachverstand, glauben die vermutlich. In dieser nach meiner Empfindung so kompliziert gewordenen Welt sind wir unbedarften Leser im Internet etlichen Gefahren schutzlos ausgeliefert. Auch Abmahnungen, die von irgendwelchen Anwaltskanzleien immer noch als erkleckliches Zubrot betrachtet werden dürfen. Übrigens auch deshalb, weil der Gesetzgeber seinen Job nicht richtig macht!

Selbstbestimmung + freie Meinungsäußerung

Ich will nicht bestreiten, dass es diese hilfsbedürftige Klientel tatsächlich gibt.

Aber fühlen wir uns eigentlich persönlich angesprochen, wenn solche Szenarien gezeichnet werden? Vor allem stellt sich die Frage danach, ob wir jemals den Wunsch hatten, von Politikern und Gesetzen bevormundet, sprich beschützt, zu werden? Die Leute, die mit den sozialen Netzwerken nichts oder wenig am Hut haben oder die sich ihnen sogar, aus guten und nachvollziehbaren Gründen, ausdrücklich versagen, werden heftig nicken. Viele der aktiven Nutzer von Social Media bleiben da vermutlich kopfschüttelnd zurück.

Wir sollten nicht aufgeben daran zu glauben, dass sich die Dinge bessern können. Schließlich ist die Lernkurve so gewaltig (#Neuland), dass ein wenig Geduld (mit uns selbst) schon Sinn macht.

Andererseits gibt es eine große Anzahl von echten und eingebildeten Netz – Kapazitäten, die uns notfalls täglich diese neue Welt erklären könnten. Ich bin eifriger Schüler solcher Leute. Ich vergebe mir nichts dabei. Auch nicht, wenn ich schon mal etwas Falsches lerne.

Einer Filterblase habe ich mich nie, jedenfalls nicht bewusst, ausgesetzt. Ich achte auf meine Freundesliste – sie atmet. Die geheimnisvollen Algorithmen sind auch nur so mächtig wie wir es durch unser Verhalten zulassen. Mir sind die Freunde/innen aus meiner Freundesliste zwar durchaus sympathischer als anonyme Quälgeister. Aber ich lese ganz bewusst jeden Tag auch Artikel und Kommentare, die mir ganz schön auf den Nerv gehen.

Guter Beitrag des Präsidenten

Die Weihnachtsansprache des Bundespräsidenten fand ich gut. Nicht überwältigend aber gut. Gab es je eine, die ansprechend gewesen wäre? Ich erinnere mich nicht. Doch an eine. Das war aber keine Weihnachtsansprache. Es war die Rede von Richard von Weizäcker, die er 1985 zur 40jährigen Beendigung des 2. Weltkrieges gehalten hat. Sie hat bleibenden Eindruck bei mir hinterlassen.

Wir sind aber auch so verdammt verwöhnt! Wir glauben, dass jeder Preisträger eines Poetry Contests es besser drauf hat, als so ein langweiliger Würdenträger. Und es ist auch was dran, wenn manche sagen, dass inzwischen eben ja doch alles schon mal gesagt worden wäre.

Kein Wunder also, wenn sich in sozialen Medien Leute auch über die Frage in die Wolle bekommen, ob Steinmeier denn nun Recht hatte, wenn er in seiner Weihnachtsrede anregte, dass wir wieder mehr miteinander ins Gespräch kommen sollten. Die Antwort war häufig ausweichend.

Er, Steinmeier, sei der schlechteste Bundespräsident ever, noch schlechter als Gauck. Und das wäre ja fast kaum vorstellbar gewesen. Dieser “Geist” ist Trumpf bei vielen, die sich in den sozialen Medien tummeln. Auch wenn etwas Richtiges gesagt wird, ist es sogleich entwertet. Und zwar nur, weil “der Falsche” es gesagt hat. Ich finde es armselig, obwohl mir ähnliche Gefühle nicht gänzlich unbekannt sind. Sagen Trump, Gauland oder Orban wirklich immer das Falsche? Bin ich überhaupt noch dazu bereit, eine andere Meinung anzuhören und noch viel weniger diese auch zu bedenken?

Das führt alles zu nichts. Außer zu Unfrieden und Streit.

Weil ja die Zeit der guten Vorsätze ist, wäre es doch nicht schlecht, wenn kleine Einsichtsfortschritte bis über Silvester ins neue Jahr hinein, gerettet werden könnten.

Ich wünsche Ihnen jedenfalls alles Liebe zum Jahreswechsel. Kommen Sie gut ins neue Jahr. Wir lesen uns.

✅ Beitrag gemerkt! Favoriten anzeigen
0