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Gesellschaft

Politiker können reden. Und sonst so?

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von Horst Schulte

6 Min. Lesezeit

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Die Zeiten ändern sich.

Die­ser Bei­trag scheint älter als 3 Jah­re zu sein – eine lan­ge Zeit im Inter­net. Der Inhalt ist viel­leicht veraltet.

Wenn ich mich krank füh­le, geh ich zum Arzt. Viel­leicht nut­ze ich die Mög­lich­keit, mir danach eine zwei­te Mei­nung ein­zu­ho­len. In der Regel reicht mir die Dia­gno­se mei­nes Haus­arz­tes. Ich ver­las­se mich dar­auf, dass er mich an einen Spe­zia­lis­ten über­weist, falls er es für erfor­der­lich hält. Ihr wisst schon: Ver­trau­ens­ver­hält­nis und so. Wie­so ver­dammt, kommt dann stünd­lich, gefühl­te vier­und­zwan­zig­mal am Tag, die Mei­nung eines neu­en Exper­ten in den Medi­en vor? Immer zum glei­chen The­ma: Corona.

Überforderung allenthalben

Dass Wis­sen­schaft­ler ihren per­ma­nen­ten Erkennt­nis­ge­winn ver­ar­bei­ten, viel­leicht auch mit­ein­an­der kom­mu­ni­zie­ren müs­sen, habe ich ja noch ver­stan­den. Aber ist es nötig, drei­und­acht­zig Mil­lio­nen Men­schen in die­sen Pro­zess mit ein­zu­be­zie­hen? War­um bekom­men die Medi­en es nicht hin, sich auf einen ein­zi­gen Wis­sen­schaft­ler zu ver­stän­di­gen, der uns neue Erkennt­nis­se zum The­ma mög­lichst ver­ständ­lich vor­trägt? Jetzt wäre die Chan­ce da. Schließ­lich gibt es den neu­en Gesund­heits­mi­nis­ter, der als Wis­sen­schaft­ler voll im The­ma ist. »Also«… wenn ich es mir rich­tig über­le­ge: viel­leicht soll­te der Pres­se­spre­cher von Lau­ter­bach die Kom­mu­ni­ka­ti­on über­neh­men? Das könn­te aller­dings poli­tisch pro­ble­ma­tisch wer­den, weil der näm­lich noch von Spahn ein­ge­stellt wur­de. Nicht, dass der die Inven­tur­er­geb­nis­se anzweifelt…

Wir leben jetzt fast zwei Jah­re mit die­ser Pan­de­mie. Die Som­mer­zeit gab uns Hoff­nung, dass alles wie­der wie frü­her wer­den könn­te. Jetzt füh­len sich vie­le von uns in einer Art von Dau­er­me­lan­cho­lie gefan­gen. Ich mag mir nicht aus­ma­len, wie es sein muss, in sol­chen Zei­ten als alter Mensch allein in der Woh­nung oder im Alten­heim zu hocken und kaum noch etwas mit­zu­be­kom­men. Ich hal­te es für mög­lich, dass sich in man­cher­lei Hin­sicht die­je­ni­gen leich­ter tun, die im Pan­de­mie­ver­lauf irgend­wann damit begon­nen haben, die wider­sprüch­li­chen Aus­sa­gen von Medi­en, Exper­ten und Poli­ti­kern zu ignorieren. 

Bundestagsdebatte

Ich hin­ge­gen habe mir heu­te einen Teil der Bun­des­tags­de­bat­te ange­hört. Natür­lich war ich dar­auf vor­be­rei­tet, dass die Hir­n­is der AfD gewal­tig für (Miss-)Stimmung sor­gen wer­den. Mei­ne Erwar­tun­gen wur­den nicht ent­täuscht. Ste­fan Brand­ner, AfD, fand die Debat­te um die Sitz­ver­tei­lung im Bun­des­tag kin­disch. Irgend­wie ist sie das auch. Aller­dings pass­ten sei­ne »Argu­men­te« auch in die­ses Bild. Er warf, ohne ihren Namen zu nen­nen, der FDP-Ver­tei­di­gungs­exper­tin, Agnes Strack-Zim­mer­mann vor, dass sich einer sei­ner AfD-Freun­de von ihr sexu­ell beläs­tigt gefühlt hät­te. Vor­her hat­ten FDP-Leu­te erzählt, was sie sich alles an Beschimp­fun­gen und ras­sis­ti­schen Tira­den von AfD-Leu­ten hät­ten anhö­ren müssen. 

Nee, neben sol­chen Men­schen will man nicht sit­zen. Soll­ten wir nicht das Ple­num ein wenig umge­stal­ten? Da wer­den auf­grund der höhe­ren Per­so­nen­zahl nach den Wah­len ja bestimmt Dezi­bel­wer­te erreicht, die dem Ner­ven­kos­tüm der Abge­ord­ne­ten nicht gera­de för­der­lich sein dürf­ten. Viel­leicht soll­te man über­le­gen, in Schich­ten zu arbei­ten oder die phy­si­sche Anwe­sen­heit neu zu orga­ni­sie­ren? Es gibt doch so viel­fäl­ti­ge Erfah­run­gen mit Home­of­fice-Lösun­gen. Man könn­te über neue Prä­senz­lö­sun­gen nach­den­ken. Was den Schü­le­rin­nen und Schü­lern zuge­mu­tet wird, müss­ten Abge­ord­ne­te ja eben­falls können. 

Wir haben nun einen Kri­sen­stab für Coro­na. Dar­auf sind Scholz und Lau­ter­bach glei­cher­ma­ßen stolz. Ich habe regis­triert, dass Prof. Stre­eck jetzt mit Prof. Dros­ten Hand in Hand arbei­tet. Unter Füh­rung eines Gene­rals der Bun­des­wehr. Das muss schon aus Sicher­heits­grün­den sein. Es hat den Anschein, als hät­te die Inven­tur des Karl Lau­ter­bach nicht für Klar­heit gesorgt. Er blieb bei der Pres­se­kon­fe­renz dabei, dass wir zu wenig Impf­stoff für die kom­men­den Mona­te haben. Sei­nen Erläu­te­run­gen moch­te ich ab einem bestimm­ten Zeit­punkt nicht mehr fol­gen. Bes­ser gesagt, ich konn­te es nicht mehr! Ich fürch­te, das The­ma wird für Lau­ter­bach noch zum ech­ten Desas­ter. Aber weni­ger wegen des angeb­lich feh­len­den Impf­stoffs, son­dern eher, weil die CDU sich die­ses Kol­le­gen­bas­hing ver­bit­ten wird. Die Revan­che wird furcht­bar wer­den. Da kennt die Uni­on kein Pardon. 

Haste was, biste was

Ach, wäre es schön, wenn wir noch mal nor­ma­le Zei­ten hät­ten. Die AfD wäre nicht im Bun­des­tag. Die AfD-Funk­tio­nä­re und ihre Jün­ger schwa­dro­nie­ren gern dar­über, dass in ande­ren Par­tei­en Men­schen arbei­ten, die nicht über Schul- und Bil­dungs­ab­schlüs­se ver­fü­gen. Wahr­schein­lich stimmt es, dass die AfD im Ver­gleich mehr Leu­te mit hohen Bil­dungs­ab­schlüs­sen in ihren Rei­hen hat, im Ver­hält­nis zu ande­ren Par­tei­en. Ich habe mir anhand der Bun­des­tags­da­ten­bank die Arbeit gemacht, dies zu ver­glei­chen. Das Ergeb­nis war, dass es in allen Par­tei­en Men­schen mit ganz ver­schie­de­nen Abschlüs­sen gibt. Die Schul- und Bil­dungs­ab­schlüs­se sind in Sum­me ver­gleich­bar, und zwar unter Ein­schluss der AfD. Ich habe mir die Vita eines der aus mei­ner Sicht schärfs­ten Red­ner der AfD bei Wiki­pe­dia ange­se­hen. Der Mann hat eine exqui­si­te Aus­bil­dung genos­sen. Er besitzt den Dok­tor­ti­tel und hat habi­li­tiert. Er ver­fügt über eine gedie­ge­ne musi­sche Aus­bil­dung und trotz­dem erin­nern sei­ne Reden mich an übels­te Nazi­pro­pa­gan­da. Der Mann ist aus mei­ner kri­ti­schen Per­spek­ti­ve ein intel­li­gen­ter Mensch mit beein­dru­cken­den rhe­to­ri­schen Fähigkeiten. 

Generalsekretäre mit Ambitionen und Hingabe

Wenn poli­ti­sche Geg­ner die Qua­li­fi­ka­ti­on von Politiker:innen der einen oder ande­ren her­aus­stel­len, geschieht das häu­fig nicht in posi­ti­ver Absicht. Wir erle­ben das lei­der immer wie­der. Ich weiß, dass Kevin Küh­nert, der neue SPD-Gene­ral­se­kre­tär, begon­ne­ne Stu­di­en nicht abge­schlos­sen hat. Er ist schon sehr früh poli­tisch aktiv gewe­sen, so dass ich mir vor­stel­len könn­te, dass ihm die Belas­tung zu hoch war. Es soll ja Men­schen geben, die sich voll in ein Enga­ge­ment (Sport, Ehren­amt oder eben Poli­tik) rein­hän­gen und es rein zeit­lich nicht mach­bar schien, dazu auch noch ein Stu­di­um abzu­schlie­ßen. Die Fra­ge, die sich stellt, ist am Ende doch die, wel­che Wir­kung jemand an dem Platz, an dem er tätig ist, ent­fal­ten und wie man die Arbeit danach bewer­ten kann. Viel­leicht ist es kein Zufall, dass es bei lin­ken Par­tei­en mehr Stu­di­en­ab­bre­cher gibt als bei den rech­ten Par­tei­en. Es fal­len einem gleich eini­ge popu­lä­re Namen ein, die mit die­sen Vor­be­hal­ten umzu­ge­hen gelernt haben müssen. 

Ich glau­be, wer kon­ser­va­tiv geprägt ist, wird sich nicht auf Expe­ri­men­te ein­las­sen, die sei­ne beruf­li­che Zukunft gefähr­den. Gegen mei­ne The­se spricht aller­dings die bis­he­ri­ge Vita von Paul Zie­mi­ak. Der CDU Gene­ral­se­kre­tär hat Rechts­wis­sen­schaf­ten stu­diert, aber sein Stu­di­um eben­falls nicht abge­schlos­sen. Danach hat­te er es mit Unter­neh­mens­kom­mu­ni­ka­ti­on pro­biert und auch die­ses Stu­di­um ohne Abschluss abgebrochen.

Heu­te habe ich bei den »Erst­re­den« der neu­en Abge­ord­ne­ten im Bun­des­tag beson­ders hin­ge­hört. Ich fand es manch­mal fast ein wenig rüh­rend, mit wel­chem Idea­lis­mus und Begeis­te­rung die Reden gehal­ten wur­den. Ein Bei­spiel dafür habe ich euch mal herausgepickt. 

Man muss ihrem Vor­trag nicht zustim­men, um sich an die­sem Enthu­si­as­mus zu erwär­men. Hof­fent­lich kann sie das mög­lichst lan­ge beibehalten. 

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Ich bin Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

alleiniger Autor dieses Blogs

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

Artikelinformationen:

Gesellschaft

Politiker, Reden, Wissenschaft

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4 Gedanken zu „Politiker können reden. Und sonst so?“

  1. Mehr pas­siert auch nicht. Erstaun­lich, dass sie sich bei den Lin­ken bedankt. Einem Olaf Scholz wür­de das nie­mals passieren.
    Ah, es geht um den Para­dig­men­wech­sel. Geän­dert hat sich bei Hart­zIV nichts, außer dem Namen und das es kei­ne Infla­ti­ons­an­pas­sung geben wird.
    Was die Klei­ne sonst vor­bringt ist lei­der nichts als hei­ße Luft. Hät­te die SPD Lust drauf, die sozia­le Fra­ge zu klä­ren, hät­te sie dazu seit 20 Jah­ren Gele­gen­heit dazu gehabt. Das will sie aber gar nicht, wie auch kei­ne ande­re deut­sche Par­tei. Es ist viel »effi­zi­en­ter« Arme ein­fach zu ver­wal­ten, als Per­spek­ti­ven zu schaffen.
    Ich gebe der noch 2 Jah­re bis sie mit den ört­li­chen Ener­gie­kon­zer­nen zusam­men speist und nur noch mit Scham an das Video denkt.

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  2. Kann man so sehen. Ver­bit­ter­te Men­schen nei­gen wohl dazu, auch gute, oder eher gut gemein­te, Vor­trä­ge zu einem The­ma mit ihren Erfah­run­gen abzu­glei­chen. Ich bin selbst ein Geg­ner der Hartz IV – Refor­men. Ich stim­me die­ser Ser­mon gera­de aus dem Lager der Libe­ra­len und der Uni­on nicht zu. Schrö­ders Poli­tik (deren Vater der amtie­ren­de Bun­des­prä­si­dent und des­sen öffent­li­cher Ver­fech­ter der amtie­ren­de Bun­des­kanz­ler war) war für die Gesell­schaft ein Gift, von dem wir uns noch längst nicht wie­der erholt haben. Ich erin­ne­re mich, wie Schrö­der damals die Ein­füh­rung im Bun­des­tag erläu­ter­te. Die Rede war gut, die gesell­schaft­li­chen Aus­wir­kun­gen schreck­lich. Bis heu­te den­ke ich, mit die­ser Maß­nah­me erwar­te­te er ein Zuge­ständ­nis der Bon­zen. Die haben sich bedankt und mit­hil­fe der Ände­run­gen u.a. den größ­ten Nied­rig­lohn­sek­tor Euro­pas geschaf­fen. Und dann jam­mern wir über nicht aus­kömm­li­che Löh­ne und (logisch) Ren­ten. Ande­rer­seits wird dann in den aktu­el­len Dis­kus­sio­nen so getan, als müss­ten jetzt aber unbe­dingt ver­nünf­ti­ge Löh­ne her, damit die staat­li­chen Ren­ten aus­kömm­lich wer­den. Was für ein Schmarrn und wel­che Chuz­pe die­se Arsch­lö­cher haben, so was auch noch öffent­lich zu reklamieren!

    Im Ver­gleich zu sol­chen Leu­ten ist mir die jun­ge SPD-Abge­ord­ne­te jeden­falls viel lie­ber. Auch wenn ich dir zustim­me, dass es in der Sub­stanz schön dünn war. Mir hat die Rede trotz­dem gefal­len. Übri­gens gibt es – nicht nur in der SPD – auch nach Jah­ren noch Men­schen, denen man sol­che pau­scha­len Unter­stel­lun­gen nicht machen soll­te. Nicht jede Abge­ord­ne­te und jeder Abge­ord­ne­te ist kor­rupt. Im Gegen­teil. Die meis­ten mühen sich red­lich. Jeden­falls ist das mei­ne Mei­nung als poli­tisch ja auch nicht so ganz uner­fah­re­nem alten Sack.

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  3. Das muss nicht zwin­gend immer was mit Kor­rup­ti­on zu tun haben. An der Basis wer­den sich vie­le noch red­lich mühen, aller­dings sind hier die flie­ßen­den Sum­men auch nicht son­der­lich hoch. Ab gewis­sen Posi­tio­nen, wo man dann neben­bei im Vor­stand und Auf­sichts­rat meh­re­rer Fir­men und Pro­jek­te dabei ist, sieht das schon ganz anders aus. Spä­tes­tens dort sind die Kipp­punk­te des Sys­tems überschritten.

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  4. Die Neben­tä­tig­kei­ten sind mir auch immer schon ein Dorn im Auge gewe­sen. Wir haben das hier in unse­rer Regi­on mit Ener­gie­un­ter­neh­men. Da saßen Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te Jah­re lang in Gre­mi­en und erhiel­ten dort ihre Gehäl­ter par­al­lel zu den Ein­künf­ten als Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­te. Das hat nicht nur ein Geschmäck­le, das öff­net Kor­rup­ti­on Tür und Tor. Ob das heu­te nicht mehr mög­lich ist? Ich weiß es nicht. Den Daten bei Abge­ord­ne­ten­watch etc. spre­chen dagegen.

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