Das Nörgeln ist des Deutschen Pläsier

HS230625

Horst Schulte

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Life­style-Phi­lo­soph nen­nen bos­haf­te Jour­na­lis­ten Richard David Precht. Deutsch­land sei eine Repu­blik der Nörg­ler. Mar­kus Lanz stellt ergän­zend fest: „Alle sind der Mei­nung, es muss etwas gesche­hen, aber wenn etwas geschieht, dann gna­de dir Gott!“. Die bei­den haben hier doch einen Punkt. Oder? Und ich bekla­ge mich, weil ich Vor­den­ker, Vor­bil­der vermisse.

Es ist nun ein­mal so, dass die Wenigs­ten Lösun­gen prä­sen­tie­ren oder auch nur andeu­ten. Meckern, Stän­kern und – natür­lich üble Vor­aus­sa­gen bis hin zur Apo­ka­lyp­se lie­gen uns mehr. Ein Volk der Dich­ter und Den­ker waren wir angeb­lich. Das war mög­li­cher­wei­se immer schon etwas schön­fär­be­risch. Wir wol­len immer alles genau wis­sen, den Din­gen auf den Grund gehen. Die Mei­nung ande­rer stört bei die­sem Unter­fan­gen. Wenn wir doch bloß zu eini­ger­ma­ßen über­zeu­gen­den Rück­schlüs­sen kämen. Seht ihr, die­se Unsi­cher­heit mei­ne ich. Dabei ist doch klar, dass uns die Abschot­tung (neu­deutsch: Bla­se) nichts bringt. Den Trans­fer von Mei­nung und Wis­sen hal­te ich für ele­men­tar. Wir behin­dern ihn aber nach Kräf­ten. Die Ver­en­gung des Mei­nungs­kor­ri­dors exis­tiert. Wer kaum etwas über den ande­ren weiß, weil er nicht ein­mal mehr mit ihm nicht mehr reden will, wird sich schlimms­ten­falls selbst nicht wei­ter­ent­wi­ckeln. Er scha­det sich also selbst. Das hyper­mo­ra­li­sche Geha­be, das sich Bahn gebro­chen hat, dürf­te nur eine kur­ze Halb­werts­zeit haben. Und was folgt ihm?

Man könn­te die ins­ge­samt unter­stell­te, zugrun­de­lie­gen­de Unsi­cher­heit mit Opti­mis­mus hei­len. Dem etwa, den wir an den US-Ame­ri­ka­nern gele­gent­lich schät­zen. Der Glau­be an die Stär­ke der Nati­on ist hier nicht aus­ge­prägt. Ja, er ist nicht ein­mal gern gese­hen. Das hat Grün­de. Aber es tut uns nicht gut. Wir trau­en uns selbst nicht über den Weg und das äußert sich in über­kri­ti­schen Aus­sa­gen über Per­so­nen (Poli­ti­ker, Wis­sen­schaft­ler, Autoren) in Radio/-TV-Bei­trä­gen und Zei­tungs­ar­ti­keln. Beson­ders beliebt sind dabei nega­ti­ve Aus­sa­gen aus­län­di­scher Mei­nungs­ma­cher über Ent­wick­lun­gen in unse­rem Land. Sie wer­den als neu­tra­le Kri­ti­ker unse­rer haus­ei­ge­nen Miss­stän­de gefei­ert. Dabei sind sie Kata­ly­sa­to­ren der schlech­ten Laune.

Parteiisch

Ich ertap­pe mich dabei, die par­tei­po­li­ti­sche Fär­bung von Men­schen vor­ran­gig zu hin­ter­fra­gen. Ihre Sach­aus­sa­gen sind sekun­där. Prof. Hickel, Prof. Süde­kum, Prof. Fratz­scher sind Exper­ten, die im Augen­blick von unse­rem ÖRR gern als Zeu­gen dafür gefragt sind, dass alles halb so schlimm wäre. Ach ja, ich weiß: die ste­hen doch dem grü­nen und lin­ken Lager nahe. Da glau­be ich lie­ber denen, die Deutsch­land öko­no­misch den Bach run­ter­ge­hen sehen! Die Stim­men dazwi­schen – der­zeit häu­fig Ver­tre­te­rin­nen des Sach­ver­stän­di­gen­ra­tes unse­rer Regie­rung (Prof. Schnit­zer, Prof. Grimm) – berei­ten uns auf erheb­li­che Wohl­stands­ver­lus­te vor. Hickel, Süde­kum oder Fratz­scher ver­su­chen zu beschwichtigen.

Brandtexte

Ich hal­te mich manch­mal lie­ber an Leu­te aus der Pra­xis. Einer der deut­schen Top-Wirt­schafts­leu­te, Wolf­gang Reit­zle, hat einen bri­san­ten Text in der „Welt“ ver­öf­fent­licht. An die­sem Text ist man wohl nur vor­bei­ge­kom­men, wenn man kein Abo besitzt und an der Pay­wall hän­gen­ge­blie­ben ist. Ein Freund mit Abo hat ihn mir net­ter­wei­se geschickt.


Situa­ti­ves Reagie­ren hin­ter der Trend­wel­le war Mer­kels Poli­tik­stil, statt einen stra­te­gisch durch­dach­ten Zukunfts­plan kon­se­quent umzu­set­zen. Seit nun­mehr fast 20 Jah­ren wird viel zu wenig in die Zukunft des Lan­des inves­tiert. Kon­ti­nu­ier­lich aus­ge­baut wur­de nur der Sozi­al­staat. Gespart wur­de an prä­ven­ti­ver Instand­hal­tung. Schie­nen­sys­te­me, Stra­ßen, Brü­cken, Schu­len und öffent­li­che Ein­rich­tun­gen haben mas­siv gelit­ten. Für ein so rei­ches Land wie Deutsch­land ist der Zustand der Infra­struk­tur eine Schan­de. Wegen über­bor­den­der Büro­kra­tie steht die man­gel­haf­te Dienst­leis­tung des Staa­tes für die Bür­ger in ekla­tan­tem Gegen­satz zur stän­dig stei­gen­den Steu­er- und Abgabenlast.

Quel­le: Wolf­gang Reit­zle, Welt Online

Aber Ach­tung: Reit­zle ist jemand, dem die größ­te Nähe aller deut­schen Top­ma­na­ger zu Putins Regime nach­ge­sagt wird. In die­sen Zei­ten dis­qua­li­fi­ziert so etwas Mensch wie Mei­nung. Dass er zudem der FDP nahe­ste­hen soll und häu­fig Kri­ti­sches über Ange­la Mer­kel ver­lau­ten ließ, run­det das Pro­fil ab. Ich fürch­te, solch ein Mann taugt als Ori­en­tie­rungs­hil­fe nur für einen Teil der Deut­schen. Er war einer der erfolg­reichs­ten Mana­ger Deutsch­lands. Ist so jemand ein guter Zeu­ge oder beein­fluss­ten er und der Kapi­ta­lis­mus sich gegen­sei­tig so stark, dass sei­ne Kri­tik an Mer­kels Regie­rungs­stil unaus­weich­lich war? Ich den­ke, Reit­zle liegt richtig.

Saskia Esken

Ges­tern lief ein wei­te­res Som­mer­in­ter­view in der ARD. Tina Has­sel sprach mit der SPD-Che­fin Saskia Esken. Im Hin­ter­kopf hat­te ich, dass Frau Esken sich in des letz­ten Jah­res eine gute Repu­ta­ti­on erwor­ben hat und sie nicht mehr so stark ober­fläch­li­chen Anfein­dun­gen, wie zu Beginn ihrer Amts­zeit, aus­ge­setzt ist. Dass es auch heu­te Men­schen gibt, die wei­ter­hin jede ihrer Äuße­run­gen zer­pflü­cken, liegt mMn haupt­säch­lich dar­an, dass sie eine Frau ist. Es ist trau­rig, dass immer wie­der fest­stel­len zu müssen. 

Es ist lächer­lich, wie mache ihr die Eig­nung für das Amt auf­grund ihrer Vita abspre­chen möch­ten. Vor allem Frau­en, die kei­ne genorm­ten Lebens­läu­fe vor­wei­sen, weil sie län­ger als ande­re gebraucht haben, ihren Weg zu fin­den und schließ­lich auch noch drei Kin­der gebo­ren haben, schei­nen für eini­ge Idio­ten in die­sem Land für poli­ti­sche Ämter ungeeignet. 

Has­sel schlug mit einer ver­meint­lich wohl poin­tier­ten Fra­ge in die­se Ker­be, aller­dings in ande­rem Sin­ne. Sie erwähn­te die beson­de­re Kennt­nis Eskens in der Gas­tro­no­mie, weil sie ja frü­her mal gekell­nert hät­te (das liegt Jahr­zehn­te zurück). Es ist wahr! Weiß denn die ehe­ma­li­ge Kell­ne­rin, ob es für die Gas­tro­no­mie­bran­che gut wäre, wenn auf­grund der Pro­ble­me die­ser Bran­che der Mehr­wert­steu­er­satz wei­ter­hin redu­ziert wür­de? Esken sprach sich dafür aus. 

Das Inter­view, sei­ne Wir­kung auf die Öffent­lich­keit, war aus Eskens Sicht sub­op­ti­mal. Sie beschränk­te sich sehr auf die Beschrei­bung von Pro­ble­men und gab uns Zuschau­ern wenig Anlass zum Optimismus. 

War­um kön­nen Poli­ti­ker nicht die Fra­gen von Jour­na­lis­ten beant­wor­ten? Die drän­gen­de Fra­ge, wie die SPD-Che­fin sich das wei­te­re Vor­an­kom­men beim Woh­nungs­bau vor­stellt, wur­de nur in Ansät­zen beant­wor­tet und das auch nur nach gutem Zure­den Hassels. 

Dass die zustän­di­ge SPD-Minis­te­rin Kla­ra Gey­witz an ihren Plä­nen fest­hält, obwohl die selbst gesteck­ten Zie­le mas­siv ver­fehlt wur­den, war für Esken unan­ge­nehm. All­ge­mein­plät­ze wie: Pla­nung und Geneh­mi­gung müs­sen beschleu­nigt wer­den, kann man schon nicht mehr hören. Wann machen die das nun end­lich? Gut, dass die Abschrei­bung degres­si­ver gestal­tet wer­den soll, ist auch nicht ganz neu. Wie weit ist die Regie­rung damit? Die SPD möch­te also (auch bei die­sem The­ma) mit finan­zi­el­len Mit­teln gegen­steu­ern. Ob das zu schaf­fen ist, ange­sichts stei­gen­den Zin­sen, höhe­ren Bau­stoff­kos­ten und dem ekla­tan­ten Man­gel an Arbeits­kräf­ten? Wer kann das schon beant­wor­ten. Poli­ti­ker möch­te man in die­sen Zei­ten nicht sein. 

Wir wol­len unser Land nicht in die Kri­se reden, so Esken sinn­ge­mäß. Psy­cho­lo­gie hilft auch der Wirt­schaft, fand Frau Esken. Biss­chen mehr braucht es aller­dings schon.

Ins­be­son­de­re von der AfD und ihren Anhän­gern lese ich oft von der feh­len­den Qua­li­fi­ka­ti­on von Poli­ti­kern. Auch im Nach­gang des Inter­views ent­lud sich der Frust über­wie­gend männ­li­cher Kom­men­ta­to­ren. Dort wur­de die­ses The­ma zum mil­li­ons­ten Mal wie­der­ge­käut. Frau Esken hat eine abge­schlos­se­ne Aus­bil­dung als staat­lich geprüf­te Infor­ma­ti­ke­rin. Sie hat in die­sem Beruf meh­re­re Jah­re lang gearbeitet. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Demokratie Esken Journalisten Lanz Politiker Precht

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