Zwischen Hoffnung und Verantwortung: Gibt Gates’ Klima-Appell uns Neuorientierung?

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von Horst Schulte

Lesezeit: 4 Min.

Es gibt Momente, in denen das große Ringen um Zahlen und Szenarien zur Farce wird. Wir zählen Grad Celsius und Millimeter Niederschlag, während das eigentliche Ziel – das menschliche Überleben in Würde – aus dem Blick gerät. Bill Gates erinnert uns in seinem umfangreichen Klima-Essay daran, dass die entscheidende Kennziffer nicht die globale Durchschnittstemperatur ist, sondern die Lebensqualität der Menschen. Er fordert, dass sich unsere Strategien nicht an abstrakten Grenzwerten, sondern an konkreten Verbesserungen für das Leben der Ärmsten messen lassen müssen.

Gates spricht als Pragmatiker, nicht als Prediger. Er weiß, dass sich Klimaziele nicht durch moralische Appelle, sondern durch Innovation und kluge Politik erreichen lassen. Seine Forderung, den sogenannten „Green Premium“ – also den Preisaufschlag für saubere Technologien – auf null zu senken, ist ein Aufruf zur Ehrlichkeit. Wenn saubere Energie, nachhaltige Landwirtschaft und CO₂-freie Industrie nicht nur ethisch richtig, sondern auch wirtschaftlich vernünftig sind, wird Wandel zur Selbstverständlichkeit. Ich glaube, man könnte es das „alte“ Credo der Grünen nennen.

Doch es ist bezeichnend, wie reflexartig Teile der konservativen Öffentlichkeit auf Gates’ Worte reagieren. US-Präsident Trump – und ihm nicht unähnliche Stimmen wie Focus-Kommentator Ulrich Reitz – versuchen, den Text als Relativierung der Klimakatastrophe zu deuten. In Wahrheit tut Gates das Gegenteil: Er befreit die Debatte von der lähmenden Dichotomie zwischen Weltuntergang und Leugnung. Er ruft uns dazu auf, klüger zu handeln, statt lauter zu schreien.

Sein Memo ist kein Abgesang auf die Dringlichkeit, sondern ein Versuch, sie zu erden. Es erinnert daran, dass Klimapolitik nicht nur ein Kampf um irgendwelche Werte ist, sondern um Menschen. Das Kind im Südsudan, das an Durchfall stirbt, weil Überschwemmungen die Trinkwasserversorgung zerstören, ist genauso Teil der Klimarechnung wie das E-Auto in München. Diese Perspektive zu verlernen, wäre der eigentliche Rückschritt.

Deshalb ist es höchste Zeit, jenen wieder Rückhalt zu geben, die den Mut hatten, das Thema nicht nur zu verstehen, sondern auf die Straße zu tragen. Menschen wie Luisa Neubauer und die unzähligen Aktivistinnen und Aktivisten, die über Jahre hinweg für konsequenten Klimaschutz kämpften und nun verspottet, kriminalisiert oder diffamiert werden. Sie sind nicht die Störenfriede, sondern das moralische Rückgrat einer Gesellschaft, die zwischen Bequemlichkeit und Angst schwankt.

Wenn Gates von „Innovation“ spricht, meint er nicht nur Technologie, sondern auch den Mut zur neuen politischen Logik: Klimaschutz als Menschenschutz. Wer diese Verbindung begreift, wird verstehen, dass die Lösung nicht in Dogmen, sondern in einer Kultur der Zusammenarbeit liegt – zwischen Forschung, Politik, Zivilgesellschaft und Wirtschaft.

Das Ziel ist so einfach wie gewaltig: Jeder Mensch, egal wo geboren, soll in einer lebenswerten Umwelt leben können. Dazu braucht es keine Apokalypse-Rhetorik, sondern Beharrlichkeit, Weitsicht – und das Vertrauen, dass Fortschritt kein Feind des Klimas sein muss. Vielleicht sogar Radwege in Peru. Aber Menschen wie Herr Reitz vom Focus scheinen Kampfbegriffe wichtiger als das Nachdenken über die eigene Position zu sein.

Bill Gates hat den Rahmen neu gesteckt. Es liegt an uns, ihn mit Haltung zu füllen.

P.S.: Bei Rivva und in anderen Aggregaten habe ich kaum einen Artikel über das Thema gefunden. Vielleicht war ich zu spät oder hab’s übersehen. Oder besteht wirklich so wenig Interesse an diesem Thema? Das ist hoffentlich eine Fehlinterpretation meinerseits.

Ehrlich gesagt, war dieser Gedanke, den Mann hier anklingen lässt, auch mein erster, als ich von Gates Memo las. Die Tech-Bros mischen die Welt auf und tun das, was der Orangene mit Wohlwollen vernimmt. Aber so ist es eben nicht.

Michael Mann to Bill Gates: You can’t reboot the planet if you crash it – Bulletin of the Atomic Scientists

Wenn Maslow heute noch leben würde, würde er vermutlich die Schlussfolgerung unterstützen, dass jedes Problem eine technische Lösung zu haben scheint, wenn Technologie das einzige Werkzeug ist, das man zur Verfügung hat. Und das ist eine treffende Charakterisierung des „Tech-Bro”-zentrierten Denkens, das heute in der öffentlichen Umweltdebatte so weit verbreitet ist. Es gibt kein besseres Beispiel dafür als Bill Gates, der gerade diese Woche mit der Veröffentlichung eines 17-seitigen Memos, das die Verhandlungen auf dem bevorstehenden internationalen Klimagipfel COP30 in Brasilien beeinflussen soll, das Konzept des schlechten Timings neu definiert hat.

Quelle

Ein anderes Bild zeigte sich hingegen beim Thema Klimaschutz. Während 25 Prozent der Befragten dazu tendieren, dass Maßnahmen zum Klimaschutz in Deutschland zu weit gingen, gingen für 27 Prozent die Maßnahmen nicht weit genug.

Tagesspiegel

NIUS habe ich geblockt, auch bei YouTube. Das tut gut. Zufällig stieß ich auf ein Video zum Thema, das diese Heckenschützen der Idiotie verzapft haben. Es war genauso schrecklich, wie ich gedacht hatte. Die raffen einfach null! Ich hab’s gleich wieder geblockt. Den Dreck.


Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe auf dem Land.

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Artikelinformationen

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6 Gedanken zu „Zwischen Hoffnung und Verantwortung: Gibt Gates’ Klima-Appell uns Neuorientierung?“

  1. Herr Reitz und die Co. sollten mal bei Bill Gates einen Workshop zu „Klima-Realität machen. Vielleicht verstehen sie dann, dass技术创新 und nicht nur Apokalypse-Rhetorik helfen, die Welt lebenswerter zu machen – auch ohne Radwege in Peru. Manchmal braucht es ja nicht die größten Worte, sondern klugen Mut, um den Klimaschutz aus der Lähmung zu befreien. Und wer meint, das alles sei nur ein Kampf um Werte, der irrt sich: Es geht doch darum, dass auch das Kind im Südsudan eine lebenswerte Zukunft hat. Vielleicht sollten wir den Tech-Bros eine Chance geben, statt immer nur über Bequemlichkeit und Angst zu schreien. Schließlich: Wer sagt, dass Fortschritt und Klimaschutz nicht zusammenpassen? Vielleicht sind wir ja nicht so weit entfernt von einer Lösung, die alle glücklich macht – und ohne dass man sich von Luisa Neubauer und Co. verspotten lässt.

  2. Ob Gates das schafft, was vielen Wissenschaftlern schon seit Jahrzehnten nicht gelang?

    Ich habe da so meine Zweifel.

    FFF dürfte auch weitestgehend ausgestorben sein. Wer will auch auf KI bei den Hausaufgaben verzichten?

    Wie soll sich Klimaschutz überhaupt mit der Zeitenwende vertragen?

    Kriege gerne, aber nur mit bleifreier Munition?

    Menschen sind wie Kinder, die sich um das Spielzeug kloppen und als Resultat wandert das kaputte Spielzeug in die Tonne.

    Wir hatten eine Chance. Die kommt nicht wieder.

    Der größte Erfolg des Klimaschutzes ist bisher ein Aktiensystem für CO2. Tolle Wurst.

  3. @Horst Schulte:

    Andererseits wäre es wohl das erste Mal, dass Menschen Innovationen liegen ließen, die ihnen einen großen Benefit versprechen. Oder?

    Bei den Atomwaffen ist die Entwicklung nich gerade üppig gewesen. Wozu auch? Mehr geht kaum. Zugegeben, es gab noch die Neutronenwaffen, aber die waren wohl zu teuer.

    Es wird kein Messias kommen. Auch nicht für das Klima. Sämtliche Religionen warten schon seit Jahrtausenden drauf.

    Übrig bleiben lediglich Affen mit Waffen.

    Ein konsistente Friedenszeit gab nicht mal innerhalb Europas. Jetzt, wohl alle dem Ami zeigen wollen, dass sie auch Kriege verlieren können, steht die ohnhin in weiter Ferne.

    Von daher ist das Klima zu eine reinen Politshow verkommen, wie alles andere auch.

    Die Russlandmisere hätte man frühzeitig abwenden können. Man wollte aber genau diese Situation provozieren.

    Was machst Du wenn denn der heiß ersehnte Krieg endlich losgeht?
    Ob der Russe wohl bis 2035 warten wird, wenn wir endlich wieder „wer“ sind?
    Vielleicht sollte man schon Kondolenzvideos als Rühstücke in 16 K vorbereiten. Schau mal: Das letzet Bild von Kevin-Lisa. Hier siehst Du noch den Fuß wegfliegen. Ist wie bei Rambo damals.

    Aber ich schweife ab.

    Was haben wir? Das einzige Land in Europa, was sich ziemlich autark Dank Rohstoffen und damit auch die Industrie versorgen könnte, ist Rumänien, das Armenhaus Europas.

    Wirksame Klimaschutzmaßnahmen lassen sich übrigens nachlesen. Sie gehen allerdings auch mit Verzicht einher, der sich nicht kompensieren lässt.

    Wenn der Krieg um mehr Kröten nicht noch wäre, hätten wir (einmalig nach den alten Kriegen) übrigens eine Welt nahe am Paradies. Vollversorgung denkbar und möglich, nur eben nicht auf Luxusniveau.

    Dazu müsste man allerdings sich verständigen, den alten Quatsch rigoros abreißen und die Rituale und Feindbilder auf den Müllhaufen der Geschichte schmeißen.

    Das wird natürlich nie geschehen oder vielleicht das erste Jahr nach dem nächsten Weltkrieg, sollte der Planet noch stehen.

    Wenn ehemals hochgefeierte Technotypen, wie Musk, ihre Zukunft auf dem Mars sehen, dann will ich gar nicht wissen wo Herr Gates die für seine Nachzucht sieht. Bedburg vielleicht?

    Du hattest hier ja auch den schönen Spruch vom ollen Pestalozzi gebracht, bzgl. Charity: „Wohltätigkeit ist das Versinken des Rechts im Mistloch der Gnade.“

    Im Moment überlegt „man“ ja, wie man noch günstig viel Sondervermögen der Industrie schenken kann, damit der Economy Booster mit der Bazooka auch so richtig gelingt. Freilich ohne lästigem Klimaschutz und so.

    Ich wünsche viel Spaß beim Sammeln der Vorräte und immer an die Waffen dabei denken. Denn sonst kommt jeder!

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