Ohne Moos ? nix los

Es gibt Leute, die ant­wor­ten, wenn sie gefragt wer­den, war­um sie denn nicht auch zwei­mal im Jahr in Urlaub fah­ren, etwas flap­sig mit dem Spruch „Ohne Moos nix los”. Aber das ist kein biss­chen lus­tig und der zwei­ma­li­ge Urlaub, den man sich nicht leis­ten kann, ist ein ziem­lich blö­des Beispiel. Armut oder Armutsgefährdung ist etwas ande­res, sie ist kom­plex, sie wird indi­vi­du­ell emp­fun­den und vor allem ist sie grausam.

Die Armutsquote in Deutschland liegt sta­bil bei 15,x %. Bei Kindern liegt die Quote bei ca. 20%.


Ein Break.

Ich möch­te die Aufmerksamkeit auf einen ande­ren Aspekt der finan­zi­el­len Situation vie­ler Menschen in unse­rem Land len­ken. Politiker erklä­ren den Hype für die AfD damit, dass Teile unse­rer Bevölkerung stark ver­un­si­chert sei­en. Die offi­zi­el­len Zuschreibungen ent­hal­ten Folgen der Globalisierung, die Angst vor Altersarmut, sozia­lem Abstieg, pre­kä­re Arbeitsverhältnisse und vor einer nicht in den Griff zu bekom­men­den Flüchtlingskrise. Das alles sind ja nach­voll­zieh­ba­re Gründe, um sich Sorgen zu machen. Ich fra­ge mich aller­dings, wes­halb aus­ge­rech­net die Flüchtlinge als Blitzableiter her­hal­ten müssen.

Ein Blick auf die Zahlen von 2015, die das Pro-​Kopf-​Geldvermögen der Bevölkerungen von 25 aus­ge­wähl­ten Ländern abbil­den, zeigt Deutschland abge­schla­gen auf dem 18. Platz. Der Rang selbst spielt eine unge­ord­ne­te Rolle – auch weil es sich um aus­ge­wähl­te Länder han­delt. Die Liste stellt inso­fern also kei­ne Rangfolge im klas­si­schen Sinn dar.

Interessant ist, wie hoch die Unterschiede im Pro-​Kopf-​Vermögen bei­spiels­wei­se zwi­schen der Schweiz, den USA und Deutschlands sind. Die Vermögen der bei­den Spitzenreiter sind mehr als das 3 1/​2 fache höher als in Deutschland. Auch das Pro-​Kopf-​Vermögen der Briten, die an 3. Stelle die­ser Tabelle lie­gen, ist immer noch dop­pelt so hoch wie das Deutsche.

Quelle

Als Linker hät­te ich spon­tan dazu gesagt, dass die­se Verhältnisse ein Beleg dafür sein wer­den, dass die wirt­schafts­freund­li­che Politik unse­rer Regierungen in den letz­ten min­des­tens 20 – 25 Jahre zu die­ser Entwicklung geführt haben. Allerdings unter­schei­den sich Länder wie die Schweiz, USA oder Großbritannien doch kein biss­chen von den Verhältnissen hier bei uns. Es wird also ande­re Ursachen für die gro­ßen Unterschiede in den Pro-​Kopf-​Vermögen geben.

Eine Erklärung könn­te der Aktionärsanteil sein, der bei uns sehr mick­rig ist. In den USA beträgt er 56 %, in der Schweiz liegt er bei 20%, bei gera­de mal 6,5%. Sollten wir über­haupt je Vertrauen in die Kapitalmärkte gehabt haben, hat es offen­sicht­lich sehr gelitten.

Als größ­te Volkswirtschaft der EU, die sich wirt­schaft­lich in den letz­ten Jahren so posi­tiv ent­wi­ckelt hat, sind wir dem­ge­gen­über bei den Pro-​Kopf-​Vermögen auch im Vergleich mit ande­ren euro­päi­schen Ländern abge­schla­gen: Schweden, Belgien, Dänemark, Niederland, Italien, Frankreich, Österreich – alle lie­gen bei die­sem Wert vor uns.

Wohin fließt das vie­le Geld, das die deut­sche Wirtschaft seit Jahrzehnten verdient?

“In It Together: Why Less Inequality Benefits All” zeigt aller­dings auch, dass Vermögen in Deutschland stär­ker kon­zen­triert sind als in vie­len ande­ren OECD-​Ländern. Die reichs­ten zehn Prozent der Deutschen besit­zen dem­nach 60 Prozent der Nettohaushaltsvermögen, im OECD-​Schnitt hal­ten die zehn Prozent der Reichsten nur 50 Prozent der Vermögen.Quelle: Presse – Organisation for Economic Co-​operation and Development | LINK

Trotz der aus­ge­präg­ten Unterschiede bei der Verteilung nach OECD, gibt es nicht mehr Gründe für die Lücke.

Angeblich spart der Deutsche falsch. Er legt viel Wert auf ein Eigenheim. Obwohl das so ist, sind ins­be­son­de­re in Großstädten die Mietquoten ver­hält­nis­mä­ßig hoch.

Und statt das Geld in Akten anzu­le­gen (Die Aktienquote in Deutschland beträgt gera­de ein­mal 10%!) legen wir unser Geld – trotz nied­ri­ger Zinsen – wei­ter auf Sparbüchern an oder legen es auf Tagesgeldkonten.

Die ein­fa­che Formel lau­tet: Die Deutschen sind zu ängst­lich, zu wenig risi­ko­be­reit. Das Wort „German Angst” hat viel­leicht nicht ohne Grund Eingang ins Englische gefun­den? Oder ist das nur eine Behauptung so genann­ter Finanzexperten (Börsenfritzen) oder kann man die­se rie­si­gen Unterschiede in den Vermögenswerten tat­säch­lich allein damit begründen?

Wie in der Schweiz oder in den USA herrscht bei uns doch ein hoher Lebensstandard. Oder nicht? Viele emp­fin­den das wohl ganz anders. Und die­se Zahlen, die ich hier gezeigt habe, spre­chen tat­säch­lich dafür, dass wir in Deutschland nicht gera­de üppi­ge finan­zi­el­le Reserven ange­legt haben. Unterschiedliche Konsumgewohnheiten kön­nen die­ses Gap eben­falls nicht erklä­ren. Denn spar­sa­mer wer­den die Bevölkerungen der Länder, die vor uns lie­gen, wohl auch nicht sein.

In einer Hinsicht sind wir jeden­falls ganz weit vorn: In der Unzufriedenheit. Das kann man ja die­ser Tage über­all nach­le­sen. Ich per­sön­lich kann das nur schwer nach­voll­zie­hen und hal­te es mit Dieter Nuhr, der sich in sei­nem aktu­el­len Programm mit die­sem Thema aus­führ­lich beschäf­tigt hat.


Zum Abschluss noch etwas zum Schmunzeln:

Es gibt Menschen, die müs­sen ihre Umgebung mit Kreativität und Einfallsreichtum auf­bes­sern. Hier ein sehr schö­nes Beispiel dafür, wie das gemacht wer­den kann:

[fb-​post href=„https://www.facebook.com/fantasticworld/videos/627952497386640”]

Entdecke mehr von Horst Schulte

Melde dich für ein Abonnement an, um die neu­es­ten Beiträge per E‑Mail zu erhalten.

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


🐞 Auch kleine Gesten zählen.
Your Mastodon Instance