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Vorsorgliche Wählerschelte bei Tichys Einblick: „Bloß keine Veränderung, bloß nicht mitdenken”

War es nicht Roland Tichy, der uns eben noch erklärt hat, dass wir uns in der Kritik am demo­kra­tisch gewähl­ten neu­en US-​Präsidenten zurück­hal­ten sol­len? Egal, was Trump erzählt, wir hören zu

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War es nicht Roland Tichy, der uns eben noch erklärt hat, dass wir uns in der Kritik am demo­kra­tisch gewähl­ten neu­en US-​Präsidenten zurück­hal­ten sol­len? Egal, was Trump erzählt, wir hören zu und stau­nen. Er gehört zu denen, die Merkel dafür kri­ti­siert haben, was sie an Trumps zum Wahltriumpf adres­siert hat und wählt den Begriff der Rache, die Trump auf sub­ti­le Weise in Form von klei­nen Nadelstichen an uns neh­men wird. Tichy-​Autorin Bettina Röhl schaut der­weil schon mal in die Zukunft. Sie kri­ti­siert in gewohnt kaum noch zu über­bie­ten­der abfäl­li­ger Art und Weise Merkels Arbeit und fährt damit den dort übli­chen Applaus ein. 

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Die Unzufriedenheit die­ser Autorin mit dem Zustand unse­res Landes quillt aus jedem Satz. Der Artikel ist so über­voll mit unkon­kre­ten Vorwürfen, dass ich fast die Inkonsistenz all des­sen über­se­hen hät­te. Gleich zu Beginn stellt sie fest, dass sie von uns, den Wählern, – obwohl wir doch erst im nächs­ten September zu Wort kom­men – nicht wirk­lich etwas Neues zu erwar­ten hat. Sie äußert den Verdacht, dass der ande­re Teil des Wahlvolks, also der, der ande­rer Meinung ist als sie und ihre rech­ten Mitautoren, alles genau­so machen wird wie immer. Das jähe Ende der Ära Schröder hat sie über­se­hen und die eine oder ande­re kür­ze­re Legislaturperiode unse­rer Geschichte auch. Immerhin haben wir seit Bestehen der Republik auch schon 8 Kanzler/​innen „ver­schlis­sen”, immer­hin 5 davon waren CDU-​Kanzler.
Wählerschelte ist ange­bracht, denn es drängt sich der Eindruck auf, dass womög­lich eine Mehrheit der Wahlberechtigten nur Gewohnheit „wählt“, also in Wahrheit nicht wählt und nur für ’“bloß kei­ne Veränderung“, „bloß nicht nach­den­ken wol­len“, „bloß nicht mit­den­ken“ votiert. Es dürf­te kein Zufall sein, dass die Bundesrepublik Deutschland – anders als ande­re west­li­che Demokratien – immer wie­der ewi­ge Regierungsherrschaften pro­du­ziert.Quelle: Angela Merkel 4.0, eine Kanzlerin der Werte? – Tichys Einblick | LINK

Besonders stört Frau Röhl wohl die Tatsache, dass die Bundeskanzlerin so häu­fig auf ihre Werteorientierung abhebt. Ja, kann ich da nur sagen, wer Werte ver­rät, tut sich halt schwer mit denen, die sie hoch­hal­ten. Ja, ich mei­ne ganz kon­kret die Flüchtlingspolitik! Wenn ich an die ver­öf­fent­lich­te Meinung der meis­ten Tichy-​Autoren den­ke, die ganz im Gegensatz zu Frau Merkel die men­schen­feind­li­che Haltung der Rechtsnationalen in Deutschland unter­stützt und beför­dert haben, muss Merkels wer­te­ori­en­tier­te Politik schon arg pro­vo­zie­rend bis schmerz­haft gewe­sen sein. Ich bin eini­ger­ma­ßen froh dar­über, dass Frau Röhl mit ihren Einlassungen gleich zu Beginn ihres Artikels unüber­seh­bar in Erwägung zieht, dass der all­seits beklag­te Rechtsdruck in Deutschland bis September 2017 gestoppt ist und das Votum der sagen­um­wo­be­nen schwei­gen­den Mehrheit der Wahlberechtigten den Schmutzkampagnen der rechts­na­tio­na­ler Medien nicht auf den Leim gehen. Frau Röhl hält Merkel Substanzlosigkeit vor, glänzt aller­dings ihrer­seits mit plat­ten Vorhaltungen, die wir längst kann­ten und die nichts­des­to­we­ni­ger auch nur in Teilen begrün­det ist (Atomausstieg nach Fukushima). Hinzu kommt, dass vie­le Problemstellungen die unan­ge­neh­me Eigenschaft haben, dass Menschen die­se sehr unter­schied­lich beur­tei­len. Das ist nicht über­ra­schend und wird auch nie anders ein – in einer Demokratie. Wohl aber die Art und Weise, wie wir uns damit aus­ein­an­der­set­zen. Heutzutage ist es so ein­fach, Politikern Vorwürfe zu machen und für die eige­ne Position Anhänger zu fin­den, sei sie auch noch so gewagt oder ver­schwö­rungs­theo­re­tisch. Ich fän­de es gut, wenn wir Merkels Politik nicht anhand geschnit­te­ner Interviews oder Reden beur­teil­ten, son­dern etwas tie­fer gehen könn­ten. Mancher wür­de dabei Überraschendes erfah­ren. Da kommt mir gleich wie­der die Fälschung in den Sinn, die sich Springer-​Autor Robin Alexander vor weni­gen Tagen geleis­tet hat. Korrigiert wird sowas nicht. Aber es sitzt und bleibt in den Köpfen vie­ler haf­ten. Darauf bau­en nicht nur Rechte ihre Strategie auf. Aber die kön­nen das ganz beson­ders gut (schau­en Sie sich Hofer in Österreich an). Merkels Pressesprecher hat vor län­ge­rer Zeit damit begon­nen, wöchent­lich Videos mit der Kanzlerin als Hauptdarstellerin zu ver­öf­fent­li­chen (Kanzlerin direkt). Der Inhalt wird nicht nur in eher beschei­de­nem Ausmaß zur Kenntnis genom­men (Klicks), son­dern die Bewertungen sind über­wie­gend nega­tiv. Dabei ist es egal, um wel­ches Thema es gera­de geht. Das ver­rät nicht viel Gutes über das heu­ti­ge Publikum. Natürlich kann man inhalt­lich Kritik üben. Ich den­ke, Sie wis­sen, was ich mei­ne. Merkel wur­de dafür kri­ti­siert, dass sie ver­su­chen wol­le, ihre Politik bes­ser zu erklä­ren. Damit wür­de die Politik nicht bes­ser etc. pp. Natürlich wird eine bes­se­re Kommunikation an unse­ren vie­len Problemecken wenig ändern. Dennoch ist es rich­tig, dass die Kanzlerin bes­ser und mehr (mög­lichst direkt) kom­mu­ni­ziert. Diese muss dann aller­dings auf Menschen tref­fen, die dafür auch emp­fäng­lich sind. Zur kon­struk­ti­ven Kritik sind vie­le – auch Autoren – wie bei Tichys Einblick oder die Achse des Guten – nicht (mehr?) bereit. Ich habe nie ganz ver­stan­den, wohin uns die­ser all­ge­mei­ne rech­te Defätismus brin­gen soll. Für mich klingt man­cher Artikel danach, als woll­te man eine ande­re Republik. Sind man­che echt dazu bereit, sich von unse­rer libe­ra­len, plu­ra­lis­ti­schen Gesellschaft zu ver­ab­schie­den? Ich auf kei­nen Fall! Mit ihren nicht gerin­gen publi­zis­ti­schen Möglichkeiten errei­chen rech­te Blogs und Medien sehr vie­le Leute. Die unge­fäh­ren Besucherzahlen sind zumin­dest geschätzt eini­ger­ma­ßen aus­sa­ge­fä­hig. Ich betrach­te vie­le von die­sen als Bedrohung. Die rechts­na­tio­na­len und kon­ser­va­ti­ven Autoren rei­ben sich umso mehr seit sie durch die Folgen der Flüchtlingskrise bei einem brei­ten Publikum Gehör fin­den, an einer ver­meint­lich Linken Republik, Alt 68ern, Genderpolitik, Political Correctness und an den Institutionen, die die­se Politik tat­säch­lich oder ver­meint­lich reprä­sen­tie­ren. Hass ist es, was Linken und Grünen, über­haupt Andersdenkenden an vie­len Stellen ent­ge­gen­schlägt. Die Ausmaße haben nach Trumps Wahlsieg wohl einen neu­en Höhepunkt erreicht. Vielleicht des­halb, weil die Rechten in ihrem Glauben bestärkt wur­den, das US-​Beispiel auf Deutschland über­tra­gen zu kön­nen. Die Entwicklung hat Formen ange­nom­men, die immer mehr Leute besorgt machen. Das sind kei­ne rum­heu­len­den Wutbürger, Pegida-​Mitläufer, AfD-​Wähler, Verunsicherten. Das sind die Leute, auf die ich zäh­le und die im Laufe des vor uns lie­gen­den Wahlkampfes viel kla­rer als bis­her ihre Meinung kund­tun werden.


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