Angriff der Milchkühe

4 Minute/n


Merken

0

Mei­ne Kos­tü­mie­rung war ein Über­bleib­sel von Kar­ne­val. Mich hat­ten die Fun­ken­ma­rie­chen so beein­druckt in ihren hüb­schen Uni­for­men, dass ich mit Nach­druck die Uten­si­li­en beschaff­te, an die ich kom­men konn­te. Mei­ne Eltern muss­ten ran. So kamen ich an die­sen wun­der­schö­nen Hut und die Kis­te mit Trageband.

Statt der Kamel­le hat­te ich ein paar Stei­ne gela­den und ver­teil­te sie bei pas­sen­den und unpas­sen­den Gele­gen­hei­ten in der Umgebung.

Mei­ne Schwes­ter war noch nicht auf der Welt. Aber ich wuss­te, es wur­de ein Mäd­chen. Klar, dass ich ganz aus dem Häus­chen war, wenn ich dran dach­te, bald ein eige­nes Fun­ken­ma­rie­chen zum Spie­len zu haben.

Auf die Tei­le der Kar­ne­vals­mon­tur moch­te ich eine gan­ze Wei­le lang nicht ver­zich­ten. In ihr streif­te ich täg­lich durchs Gebüsch und die Wege, die auf dem Son­nen­hof zu mei­nem und Fre­dis Ter­ri­to­ri­um gehör­ten. Das umzäun­te Gelän­de war rie­sig und für uns Kin­der frei von Gefah­ren, die woan­ders wegen der Stra­ßen auch schon damals bestan­den haben.

Bei ande­rer Gele­gen­heit habe ich davon erzählt, dass ich abends unse­re täg­li­che Milch in der so genann­ten Milch­kü­che abho­len ging. Was ich nicht erwähnt habe, war mein Inter­es­se an unse­ren Milch­kü­hen, pri­mär dann, wenn Nach­wuchs gekom­men war. Ein Herr Schwie­ren war für die Pfle­ge unse­rer Kühe zustän­dig. Er hat­te den Beruf oder jeden­falls die Stel­lung des Schwei­zers auf dem Sonnenhof.

Meis­tens ging ich von der hin­te­ren Sei­te des Haupt­hau­ses in den im Sei­ten­trakt befind­li­chen Stall. Im Win­ter waren dort die zum Betrieb gehö­ri­gen 4 oder 5 Kühe (ich weiß es nicht mehr) unter­ge­bracht. Sie stan­den neben­ein­an­der und wur­den mor­gens und abends gemol­ken. Wenn ich zufäl­lig zur glei­chen Zeit wie Herr Schwie­ren im Stall war, pas­sier­te es regel­mä­ßig, dass er mich wäh­rend des Mel­kens mit Milch bespritz­te. Ich fand erstaun­lich, wie weit die Milch direkt aus dem Euter einer Kuh sprit­zen kann – jeden­falls wenn der Mel­ker ein Kön­ner sei­nes Fachs ist.

Im Som­mer hat­ten sie zwei gro­ße, mit­ein­an­der ver­bun­de­ne Wei­den zur Ver­fü­gung. Immer Som­mer gab es fri­sches Wei­de­gras satt und im Win­ter gab es über­wie­gend Heu. Die Umstel­lung des Fut­ters hat­te oft erheb­li­che Aus­wir­kun­gen auf die Ver­dau­ung der Tiere.

Davon kann ich aus eige­ner, leid­vol­ler Erfah­rung berichten.

Ich war also in mei­ner Rest-Fas­tel­ovend-Mon­tur unter­wegs und betrat den Kuh­stall. In die­sem Fall war mei­ne Auf­merk­sam­keit rund­um auf das klei­ne Kälb­chen gerich­tet, das sich gegen­über der Rei­he mit den ande­ren Kühen in einem abge­sperr­ten Gat­ter befand. In der Hand trug ich einen alten Wecker, der zwar mit Fast­nacht nichts zu tun hat­te, der aber in die­ser Zeit eben­falls zu mei­ner Aben­teu­rer-Grund­aus­stat­tung gehört hat.

Ich weiß nicht mehr, ob ich den Wecker abge­stellt hat­te oder ob ich ihn in der Hand behal­ten hat­te. Jeden­falls kraul­te und strei­chel­te ich unse­ren klei­nen Lieb­ling eine Wei­le. Das für eine gan­ze Wei­le mein all­täg­li­ches Ritu­al. Ich mei­ne mich zu erin­nern, dass Herr Schwie­ren mich auf die Durch­fäl­le auf­merk­sam gemacht hat­te, mit denen unse­re Kühe zu die­ser Zeit zu kämp­fen hat­ten. Mir fehl­te aller­dings die Fan­ta­sie, was man sich exakt dar­un­ter vor­zu­stel­len hat­te. Das Leben ist bekannt­lich der bes­te Lehrmeister.

Wäh­rend ich mich inbrüns­tig, voll kon­zen­triert dem Streich­zoo im eige­nen Haus zuge­wandt hat­te, befiel eine unse­rer Kühe eine Atta­cke. Ich habe es nicht mit­be­kom­men. Aber tech­nisch gese­hen dürf­te die­ser Vor­gang wohl so aus­ge­se­hen haben: Sie hob ihren Schwanz und eine Fon­tä­ne von Kuh­schei­ße durch­quer­te den Raum. Lei­der war im Ziel­krei­ses die­ses Gesche­hens posi­tio­niert. Mei­ne Rück­sei­te, mein Wecker, mein Hut – nicht zu ver­ges­sen mei­ne kom­plet­te Rück­sei­te war mit grü­ner Kuh­schei­ße bedeckt.

Ich war echt bedient und augen­blick­lich zur Heul­su­se mutiert. Mein Vater hat mich aus­ge­lacht, was die Sache nicht leich­ter für mich mach­te. Auf mei­ne Mut­ter war Ver­lass. Sie spen­de­te mir den Trost, den ich von mei­ner gesam­ten Umge­bung erwar­te­te. Aber wir wis­sen ja alle, wie selek­tiv Men­schen mit Trost bei der­ar­ti­gen Gele­gen­heit umzu­ge­hen pflegen.

Wecker, Hut und sons­ti­ge Uten­si­li­en wur­den ent­sorgt. Irgend­wie moch­te ich sie plötz­lich nicht mehr so gern. Nicht, dass sie auch gerei­nigt und danach nicht wie­der ein­satz­be­reit gewe­sen wären. Aber die Erinnerung…

Diesen Beitrag teilen:
0CDD5CFF 182F 485A 82C6 412F91E492D0
Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Sonnenhof

Quelle Featured-Image: Standardbild...

Letztes Update:

Anzahl Wörter im Beitrag: 714
Aufgerufen gesamt: 34 mal
Aufgerufen letzte 7 Tage: 3 mal
Aufgerufen heute: 1 mal

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


✅ Beitrag gemerkt! Favoriten anzeigen
0
Share to...
Your Mastodon Instance