Mein lie­ber Onkel May

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von Horst Schulte

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Die RTL – Produktion der Karl-May-Festspiele hat­te doch eigent­lich ganz gute Kritiken. Oder habe ich da einen fal­schen Eindruck gewonnen?

Ich mei­ne nicht die Miesepeter in den sozia­len Netzwerken. Wie auch immer, mich hat die Neuverfilmung auch nicht wirk­lich vom Hocker geris­sen. So ist das halt, wenn eige­ne Erwartungen mit nost­al­gi­schen Erinnerungen zusam­men­fal­len. Das wird sel­ten passen.

Die Kritik, die ich heu­te in der Online-Ausgabe der NZZ von einem Professor Konrad Paul Liessmann gele­sen habe, scheint mir aber dann doch etwas über­trie­ben zu sein.

Sie klingt eher wie eine Abrechnung mit dem Zeitgeist bzw. jener Generation, für die Karl Mays Vermächtnis eine unpas­sen­de Parabel nach der ande­ren bereit­zu­hal­ten scheint.

Nun bin ich ver­mut­lich nicht der rich­ti­ge, um die­se Annahme zu wider­le­gen. Schließlich habe ich, wie so vie­le ande­re mei­ner Generation, in den 60er Jahren alle Karl-May-Verfilmungen und das eine oder ande­re sei­ner Bücher mit abso­lu­ter Begeisterung konsumiert.

Der Kritiker fin­det, Mays Vorlage ver­stie­ße gegen heh­re Grundsätze des Zeitgeistes. Und der ers­te lau­te: «Es darf kei­ne männ­li­chen Helden mehr geben, vor allem kei­ne mit wei­ßer Hautfarbe.» Das Action – Kino der Amis und nicht nur dort zeigt aber doch ganz ande­re Botschaften. Oder gilt Liessmanns Aussage nur für den deutsch­spra­chi­gen Raum oder gar nur für Deutschland? Das Argument kauf ich schon mal nicht.

Aber er holt wei­ter aus und ergänzt: 

Der neue inver­tier­te Rassismus, der alte weis­se Männer für alle Übel die­ser Welt ver­ant­wort­lich macht, kann gera­de vor einer strah­len­den Figur wie Old Shatterhand, der in der Phantasie sei­nes Schöpfers die Überlegenheit des weis­sen, deut­schen und christ­li­chen Mannes zei­gen soll­te, nicht halt­ma­chen.Quelle: Der neue «Winnetou»: Hilflose Helden – NZZ Meinung: Kolumnen | LINK

Deshalb lese ich eigent­lich so ungern Kritiken über Filme, die ich vor­ha­be, mir anzu­schau­en. Gedankengänge von Intellektuellen blei­ben mir auch in mei­nem 6. Lebensjahrzehnt oft unver­dau­lich irgend­wo ste­cken. Mal abge­se­hen davon ist mir so, als hät­te ich Textpassagen mit ähn­li­cher Aussage nach Trumps-Wahl zum nächs­ten US-Präsidenten (natür­lich in ande­ren Zusammenhängen) eini­ge Male gele­sen. Passt ja irgendwie.

Ich weiß nicht, wie die ech­ten Hardcore-Karl-May-Fans das sehen. Also vor allem die, die alle Bücher auch gele­sen haben. Ich mei­ne, die Konstruktionen der Geschichten sind für unse­re heu­ti­gen Verhältnisse wohl zu schlicht und die meis­ten Dialoge in der Urform eini­ger­ma­ßen unverdaulich.

Insofern habe ich die Bemühungen der RTL-Leute rich­tig gefun­den, ihnen einen der Zeit ange­mes­se­nen neu­en Duktus zu verpassen.

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Liessmanns Verriss fin­de ich schon etwas unge­recht. Aber ich sage das mit die­sen nost­al­gi­schen Gefühlen im Hinterkopf. Für mich sind die Geschichten von Karl May und Winnetou und Old Shatterhand, Kara Ben Nemsi und Professor Vitzliputzliun für alle Zeit unka­putt­bar. Die lass ich mir nicht neh­men! Nicht von Kritikern und auch nicht von RTL. 

Das Genre des Trivialfilms zeigt so, wie die Trivialliteratur vor ihm, die gehei­men Sehnsüchte einer Epoche. Am liebs­ten wür­de man die Geschichte unge­sche­hen machen, alles durch­strei­chen, umbe­nen­nen, aus­lö­schen, was es an Ungerechtigkeit, Grausamkeit und Wahn in ihr gege­ben hat.

Deshalb müs­sen alte Texte nicht neu inter­pre­tiert, son­dern von allem Bösen gesäu­bert, am bes­ten gleich neu geschrie­ben wer­den. Erstaunlich dar­an ist die Hybris einer Gesellschaft, die sich ihrer eige­nen Vergangenheit gegen­über in einer Weise mora­lisch über­le­gen dünkt, die glei­cher­mas­sen komisch wie erschre­ckend ist.Quelle: Der neue «Winnetou»: Hilflose Helden – NZZ Meinung: Kolumnen | LINK


Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe auf dem Land.

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Artikelinformationen

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4 Gedanken zu „Mein lie­ber Onkel May“

  1. Ich fin­de die alten Texte stre­cken­wei­se fürch­ter­lich über­heb­lich und arro­gant. Trotzdem aber immer noch span­nend zu lesen. Auch die Originalverfilmungen haben doch schon die Bücher nicht direkt für die Leinwand adap­tiert, son­dern eine Interpretation gelie­fert. Aber eben pas­send zu der Zeit. Insofern habe ich auch nichts gegen eine Modernisierung des Stoffes, nur war die halt trotz­dem langweilig.

  2. Ich den­ke, dass die Neu-Verfilmung den his­to­ri­schen Vorlagen näher kommt, als der lite­ra­ri­schen. Was wohl auch damit zusam­men­hängt, dass Karl May sel­ber ja nie vor Ort gewe­sen ist.
    Der Winnetou ist für mich immer der Pierre Brice – dar­an gibt es nichts zu rütteln.
    LG Sabienes

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