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Die AfD ist ein Ventil für die Frustrierten

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von Horst Schulte

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AfD-Wähler mag ich ungefähr so gern wie die Partei selbst. Ich muss nicht so tun, als hätte ich Verständnis für eine Politik, die meinen Überzeugungen zuwiderläuft.

Also auch nicht denjenigen gegenüber, die die Parolen – oft ohne jeden Anstand – nachplappern und mit ihren unwillkommenen Kommentaren verzieren.

Wer zur AfD und ihren Ideen schweigt und wer überhaupt der Diskussion zwischen Menschen mit abweichenden Standpunkten aus dem Weg geht, setzt sich dem Vorwurf aus, elitär und abgehoben zu sein. Mir wäre lieber, wir würden streiten bis der Arzt kommt, als uns stattdessen in philosophischen Exkursen zu verlustieren.

Es ist schön, ein klares Feindbild zu haben. Ärgerlich ist, dass sich die Vorbehalte inzwischen beidseitig so verfestigt haben, dass ein aufeinander zubewegen kaum mehr möglich ist. Die Medien sprechen von einer polarisierten Gesellschaft. Und die existiert bekanntlich nicht nur in Deutschland. Sie zeigt sich als weltweites Phänomen, das durch das Internet (meine Meinung) ausgelöst und weiter befeuert wird.

Richtig gruselig ist, dass sich die Union von der AfD den Takt in ihrer Flüchtlingspolitik vorgeben lässt! Nicht erst seit Seesöders unsäglichem Masterplan. Ich halte die Dinge, die in den letzten beiden Wochen abgelaufen sind für unerträglich und inakzeptabel. Ich werde nicht mehr wählen gehen!

Die Regierung Angela Merkel steht vor großen Herausforderungen. Ich übernehme bewusst diesen verniedlichenden Terminus „Herausforderungen“, denn ich bin eher dafür, die Dinge beim Namen zu nennen. Es sind Probleme, vor denen wir stehen. Gewaltige Probleme.

Merkel macht, so die öffentliche Wahrnehmung, wenig Anstalten, diese abzuräumen. Nach dieser irre langen Zeit der Regierungsbildung und dem mit der SPD ausgehandelten Koalitionsvertrag hätte ich mehr erwartet und vor allem anderes Tempo, in dem die Pläne umgesetzt werden. Statt dessen seehofert da einer herum, der normale Regierungsarbeit nahezu unmöglich macht.

Nach den Wahlen war doch das Wort vom es darf „kein weiter so…“ geben in aller Politiker-Munde. Schon vergessen?!

Ich halte es gegenwärtig für wahrscheinlich, dass Merkel nicht mehr lange im Amt bleibt. Insofern bleibe ich meiner kleinen, hier schon vorgetragenen Theorie treu, dass das blödsinnige Vorgehen der CSU von Beginn an Merkels Rücktritt zum Ziel hatte.

Nicht nur die AfD arbeitet an Merkels Demontage, in der Union ist der Frust förmlich fühlbar.

Es wäre in normalen Zeiten ein Vorgang, der die Republik nicht erbeben ließe. Rücktritte hat es schon gegeben. Die Entscheidung Merkels, sich 2017 erneut zur Wiederwahl zu stellen, war nicht ihr klügster Schachzug. Die Union hätte mit einem anderen Kanzlerin die AfD der Chance beraubt, diese Bundesregierung „vor sich herzutreiben“. Schließlich hat die Partei den Pegida-Slogan #Merkelmussweg erst groß gemacht.

So eröffnete sich Alice Weidel und Alexander Gauland die Chance, die Jagd zu eröffnen. Die Wortwahl treffen solche Leute natürlich bewusst. Aber es trifft die Lage der GroKo nach Seesöders Pokerrunde einhundertprozentig!

Die AfD offenbar zwar einmal mehr, was sie von unserem demokratischen System hält. Die Proteste der Öffentlichkeit gegen diese Form der Demagogie sind mir zu leise!

Vor dem Hintergrund der aktuellen Regierungskrise wird es der AfD leicht fallen, ihre Punkte direkt im Bundestag und außerparlamentarisch zu adressieren. Sie brauchen nicht viele. Die Folgen der Flüchtlingskrise reichen diesen Hetzern für ihre Zwecke vollkommen aus. Dass die Partei (Meuthen beim Parteitag in Augsburg) die gesetzliche Rente abschaffen will, haben die meisten Mitstreiter der Partei überhört. Vielleicht ist es ihnen auch egal, weil sie die Partei als Fundamentalopposition benutzen und sie ihnen darüber hinaus NULL bedeutet.

Alles, was in den letzten Wochen passiert ist, finde ich sehr deprimierend. Ich halte es für gefährlich, weil es Gift für unser jahrzehntelang gelebtes und geschäftes liberales Gesellschaftssystem.

Warum bedeutet es vielen Menschen nicht mehr viel? Als Erklärung hören wir vom Frust der Vielen und von Politik(er)verdrossenheit. Das ist nichts wirklich Neues. Aber die Intensität mit der die Ablehnung vorgetragen wird, ist es.

Es ist leicht, die vielen Baustellen aufzuzählen, die es im Land gibt und an denen wir nicht vorankommen. Die Sorgen sind deshalb also nachvollziehbar. Der Staat hat in den letzten Jahren keine Handlungsfähigkeit gezeigt. So ist jedenfalls die Wahrnehmung vieler Menschen. Meine auch.

Wir würden nicht in dieser Schärfe über minimale symbolpolitische Richtungswechsel in der Flüchtlingspolitik streiten, wenn unsere Gesetze und Regeln angewandt worden wären. Erst die Defizite bei der Umsetzung vieler Selbstverständlichkeiten hat die Debatte in dieser Art und Weise ausufern lassen.

Ich bezweifle, dass dieser Staat seine Handlungsfähigkeit damit unter Beweis stellen wird, dass er an 3 Grenzübergängen (90 gibt es allein in Bayern!) Kontrollen durchführt und nach momentanem Niveau zirka 5 Menschen am Tag herausfischen könnte, die in einem Transit- (wahlweise auch Express-) Zentrum in das Land „zurückgeführt“ würden, in dem sie zuerst ihren Asylantrag gestellt hatten. Dass dies in 48 Stunden maximal passieren muss, wie es das Grundgesetz vorschreibt, kennzeichnet nach all dem Streit die Vereinbarung als lächerlich – fiktionales Polit – Theater. Das als Symbolpolitik zu beschreiben, ist aus meiner Sicht viel zu seriös.

Die Krone setzen dem Ganzen die CSU – Leute auf, die davon reden, dass man in Bayern die Schleierfahnung einsetze, um die Menschen, die die 3 Grenzkontrollen umgehen konnten, zu stellen. In Berlin, Bremen und NRW gibt es, Stand heute, übrigens keine Schleierfahndung. Sie ist umstritten, sie wird im Allgemeinen ja gegen Verbrecher eingesetzt. Jetzt eben auch gegen Flüchtlinge!

Die EU-Kommission steht der Schleierfahndung ablehnend gegenüber, weil sie darin verdeckte Grenzkontrollen vermutet. Die deutschen Innenminister haben diese EU-Kritik zurückgewiesen. Anfang 2006 hat der Europäische Rat nun den vom Europäischen Parlament geschaffenen Rahmenbedingungen zur Einführung von verdachtsunabhängigen Personenkontrollen in einem Bereich von 30 Kilometern entlang der Schengenbinnengrenzen zugestimmt.

Das Bayerische Landeskriminalamt unterstreicht die Bedeutung der Schleierfahndung als „unverzichtbares Instrument im Kampf gegen Drogenschmuggler und andere Straftäter.“ Ab Juli 2015 verstärkt der Freistaat Bayern die Schleierfahndung um 500 Polizisten. Laut Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sei das eine Konsequenz aus der großen Zahl der Aufgriffe bei den Grenzkontrollen während des G7-Gipfels auf Schloss Elmau.[5] Herrmann sieht die Methode der Schleierfahndung als Erfolgsmodell. Link: Schleierfahndung – Wikipedia

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2 Gedanken zu „Die AfD ist ein Ventil für die Frustrierten“

  1. Hallo & guten Tag,

    ich greife nur eine Aussage heraus:
    „.. Ich werde nicht mehr wählen gehen! ..“

    Wählen bedeutet doch der Partei eine Stimme zu geben die – trotz aller Schwächen & Unzulänglichkeiten – die eigenen Ziele und Überzeugungen am treffendsten spiegelt & in die Praxis umzusetzen versucht.
    „Nicht wählen“ heißt auf diese Möglichkeit zu verzichten und spielt außerdem den größeren Parteien in die Hände, sie profitieren von *Nichtwählern*.

    Mir gefällt beispielsweise nicht, dass die Partei „Die Linke“ in Sachen „Trennung von Kirche und Staat“ herumeiert – trotzdem werde ich sie wählen, denn sie vertritt viele Positionen die mir zusagen während sie bei anderen Parteien nicht zu finden sind.

    „.. Ich werde nicht mehr wählen gehen! ..“ – überlegen Sie es sich nochmal ….

    Gruß aus dem Odenwald,
    wvs

  2. Hallo,

    diese Regierung lässt es zu, dass der ehemalige Hort der Stabilität sich allmählich in einen „faile state“ verwandelt. Es mag ja sein, dass die vielen Themen, die diffus die Zukunft der Menschen in allen Ländern betreffen, mit dazu führt, dass eine solche Stimmung entstanden ist. Den derzeitigen vorstellbaren Mehrheiten im Bundestag schenke ich kein Vertrauen. Merkel hat versäumt, ihre Programmatik, wenn es sie denn je gegeben hat (von Regierungsprogrammen oder Koalitionsverträgen lebt keine Demokratie) hinreichend klarzumachen und zu zeigen, dass sie konsequent daran arbeitet. Sie hat sich in ihren Elfenbeinturm verzogen und lässt die Dinge laufen. Der Vorwurf schwingt bei allen Kritiken an ihr mit. Ich halte ihn für zentral. Sie hat außerdem versäumt, eine Nachfolge in ihrer Partei zu installieren. Diejenigen, die im Gespräch sind, halte ich für nicht fähig genug. Im linken Spektrum besteht keinerlei Aussicht auf eine politikfähige Mehrheit im Bund. Da lass ichs doch lieber gleich ganz.

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