Wenn Stefan Kretzschmar das sagt.

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Ob Ste­fan Kretz­schmar die­se Reak­ti­on auf sein Inter­view mit T‑Online erwar­tet hat? Der Mann ruht in sich, ist mit sich im Rei­nen. Ob er das nach dem Ge(t)witter, das noch grum­melt, noch ist? Jeden­falls ist er längst ein Medi­en-Pro­fi, der das Geschäft beherrscht.

Er hat frü­her schon kein Blatt vor den Mund genom­men. Und er tut es heu­te immer noch, obwohl es doch eige­nen Ein­sich­ten zu wider­spre­chen scheint. Schließ­lich sag­te er: „Für jeden Kom­men­tar bekommst du eins auf die Fres­se“. Als Angst­ha­se ist er mir ja auch nie aufgefallen.

Offenheit unerwünscht?

Es mach­te auf mich immer den Ein­druck, dass er gera­de mit sei­ner offe­nen Art pri­ma durchs Leben gekom­men ist. Aber er sagt im Inter­view am 10. Janu­ar: Sport­ler wür­den sich heut­zu­ta­ge bestimm­te Din­ge gar nicht mehr zu sagen trau­en. War­um sag­te er es trotz­dem? Weil er kein Sport­ler mehr ist?! Wahr­schein­lich – hof­fe ich – auch nicht, um das pene­tran­te Gere­de von Rechts von der angeb­lich unter­drück­ten Mei­nungs­frei­heit zu unter­stüt­zen. Außer­dem arbei­tet er doch fürs Fern­se­hen. Hat Kretz­schmar kei­ne Angst, sei­ne „Offen­heit“ könn­te ihm die Jobs oder sei­ne Wer­be­ver­trä­ge kos­ten? Schließ­lich hat er doch genau das als Grund dafür genannt, dass sich kei­ner mehr was zu sagen traut, was vom Main­stream abweicht. War­um gilt das nicht für ihn?

Zum The­ma Mei­nungs­frei­heit fällt mir übri­gens gleich Özils Foto­ter­min mit Erdo­gan ein. Klar! Da war die Mei­nungs­frei­heit nur mal kurz außer Kraft gesetzt. Für Özil jedenfalls.

Es ist nicht über­ra­schend, dass die Medi­en – wie immer – nur die Pas­sa­gen her­aus­ge­pickt haben, die ein Empö­rungs­po­ten­zi­al mit allem der Beach­tung und den erhoff­ten Klicks verhießen.

Im Plauderton auf den Busch geklopft

Dabei sagt Ste­fan Kretz­schmar im locke­ren Plau­der­ton Sachen, die im Land bestimmt man­chem aus der See­le gespro­chen haben. Über die nega­ti­ven Ver­än­de­run­gen etwa, die die sozia­len Netz­wer­ke zur Fol­ge haben. Das kom­plet­te Inter­view ist etwa sechs Minu­ten lang und Kretz­schmar hat dar­in viel erzählt.

Die­ser klei­ne Teil des Inter­views ist es, der für eine Debat­te ent­facht, die längst nicht mehr neu ist aber die man­chen in den Kram passt:


Dafür kön­nen die Spie­ler nichts, die spie­len das Spiel nur mit. Für jeden Kom­men­tar bekommst du eins auf die Fres­se. Wenn du eine pola­ri­sie­ren­de Mei­nung hast, fin­den die 50 Pro­zent schei­ße. Für alles, was dich von der Mas­se abhebt, ern­test du einen Shit­s­torm. Dem setzt sich kein Pro­fi­sport­ler aus. Alle gehen ihren gemüt­li­chen Weg, kei­ner streckt den Kopf höher her­aus, als er muss. Das wür­de ich genau­so tun. Wel­cher Sport­ler äußert sich denn heu­te noch poli­tisch? Es sei denn, es ist die Main­stream-Mei­nung, mit der man nichts falsch machen kann. Eine gesell­schafts- oder regie­rungs­kri­ti­sche Mei­nung darf man in die­sem Land nicht mehr haben. Wir Sport­ler haben in Deutsch­land eine Mei­nungs­frei­heit, für die man nicht in den Knast kommt. Wir haben aber kei­ne Mei­nungs­frei­heit im eigent­li­chen Sin­ne. Wir müs­sen immer mit Repres­sa­li­en von unse­rem Arbeit­ge­ber oder von Wer­be­part­nern rech­nen. Des­we­gen äußert sich heu­te kei­ner mehr kri­tisch.

Ste­fan Kretz­schmar: „Für jeden Kom­men­tar bekommst du eins auf die Fres­se“

Im Text feh­len ein paar Din­ge, die Kretz­schmar auch gesagt hat: „Es sei denn, es ist die Main­stream-poli­ti­sche-Mei­nung, wo man sagt: wir sind bunt und refu­gees wel­co­me. […] wo man gesell­schaft­lich eigent­lich nichts falsch machen kann“[…] Eine gesell­schafts- oder regie­rungs­kri­ti­sche Mei­nung darf man in die­sem Land nicht mehr haben.

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So geht bei Twit­ter die Mei­nung der einen:

Der Typ hat Eier und bringt es auf den Punkt. Spor­ti­ko­ne Ste­fan #
Kretz­schmar
bricht die Schwei­ge­spi­ra­le: „Wir haben kei­ne Mei­nungs­frei­heit mehr.“ Wow! 

Der deut­sche Jour­na­list Marc Felix Ser­rao, tätig für die NZZ, reibt sich pene­trant an dem spe­zi­fisch deut­schen (lin­ken) Unwe­sen, ande­re (bür­ger­li­che) Mei­nun­gen nicht zuzulassen:

Wie­so ste­hen wir nicht dazu, dass es seit 2015 einen rabia­ten Glau­bens­krieg zwei­er pola­ri­sie­ren­den Lager in Deutsch­land gibt? Ist es nicht völ­lig nor­mal, dass auf die eine Mei­nung eine ande­re, abwei­chen­de folgt, und steht es um den Mei­nungs­aus­tausch, der oft genug sehr unsach­lich geführt wird, tat­säch­lich so furcht­bar schlecht, dass wir uns vom „Aus­land“ beleh­ren las­sen müssen?

Debattenkultur

War­um behaup­ten Jour­na­lis­ten wie Ser­rao, Köp­pel (Welt­wo­che) und ande­re, die Mei­nungs­frei­heit in unse­rem Land sei ein­ge­schränkt wenn nicht sogar abge­schafft? Ok, mit unse­rer Debat­ten­kul­tur ist es sicher nicht weit her. Sie sehe ich auch kri­tisch. Aber das sind zwei ver­schie­de­ne Dinge!

Isolation als Lösung

Wir las­sen uns nicht aus­re­den (off­line), oder wir beschimp­fen uns viel zu schnell (online). Ver­ba­le Ent­glei­sun­gen sind nor­mal gewor­den. Das wer­den vie­le im Freun­des­kreis, in der Fami­lie bzw. im Inter­net so erle­ben. Es sei denn, man hält sich bei bestimm­ten The­men zurück. Also ganz so, wie Ste­fan Kretz­schmar es spe­zi­el­le für sei­ne Sport­ler­kol­le­gen beschreibt.

Ich glau­be, vie­len hängt der Zustand unse­rer aggres­siv-kom­mu­ni­ka­ti­ven Bezie­hun­gen am Hals her­aus. Den­noch schaf­fen wir es nicht, dar­an etwas zu ändern. Viel­leicht sind wir noch nicht so weit (#Neu­land).

Auf­schluss­reich fin­de ich, wie mit Robert Habecks selbst­ge­wähl­ter Abs­ti­nenz von den sozia­len Medi­en umge­gan­gen wird. Ich habe vie­le Reak­tio­nen gele­sen, die sei­nen „Kurz­schluss“ alles ande­re als wohl­wol­lend kom­men­tiert haben. Eine wird Habecks Han­deln, das durch spe­zi­el­le Erfah­run­gen (Daten­leak plus zwei Shit­s­torms nach dum­men Video-State­ments) ent­stand, gerecht. Sie stammt vom deut­schen Medi­en­wis­sen­schaft­ler Bern­hard Pörk­sen. Gera­de die­je­ni­gen, die als Inter­net-Akti­vis­ten oder als beson­ders inter­net-affi­ne gel­ten dür­fen, ver­hal­ten sich mit­un­ter wie belei­dig­te Leber­würs­te. Tenor: Wie kann die­ser Habeck sich unter­ste­hen, die Rele­vanz die­ser Diens­te über­haupt infra­ge zu stellen?

Natür­lich hat Kretz­schmar in vie­lem Recht. Die Art der Reak­tio­nen auf Äuße­run­gen, die kon­trär zu bestimm­ten Sicht­wei­sen ste­hen, haben sich mas­siv ver­än­dert. Aber das gilt für rech­te wie lin­ke Posi­tio­nen. Ich wür­de sogar sagen, dass es manch­mal Glücks­sa­che ist, aus der einen oder ande­ren Äuße­rung heil (ohne Shit­s­torm) her­aus­ge­kom­men zu sein. 

Meinungsfreiheit

Wenn ein Pro­mi­nen­ter (Poli­ti­ker, Sport­ler, Künst­ler) in der Öffent­lich­keit radi­ka­le poli­ti­sche Posi­tio­nen ver­tritt und dabei auch noch vor­be­setz­te (in der Öffent­lich­keit wohl­be­kann­te AfD-) Voka­beln ver­wen­det, soll­te er sich über den mit­un­ter har­schen Wider­spruch nicht wun­dern. Mit der Ein­schrän­kung von Mei­nungs­frei­heit hat das Echo auf sol­che Äuße­run­gen, gar nichts zu tun. Es ist Wider­spruch, zuge­ge­bener­wei­se manch­mal sehr dras­ti­schen Wider­spruch. Die Reak­tio­nen kön­nen grob sein und ver­let­zend. Auch sie sind in einer funk­tio­nie­ren­den Demo­kra­tie Aus­druck der Mei­nungs­frei­heit. Jeden­falls, solan­ge dabei kei­ne Geset­ze ver­letzt wer­den. Ein Shit­s­torm ist für alle von ihm Betrof­fe­nen schlimm und schwer aus­zu­hal­ten. Er ist in die­sen Zei­ten von Social Media längst inte­gra­ler Bestand­teil des öffent­li­chen Diskurses.

Mainstream

Kri­tisch wird es, wenn der Vor­wurf erho­ben wer­den kann, dass Men­schen mit expo­nier­ten Mei­nun­gen durch eine nor­ma­tiv wir­ken­de Medi­en­macht (MSM) aus­ge­grenzt oder die betref­fen­den zur per­so­na non gra­ta gemacht werden. 

Ein Bei­spiel ist Thi­lo Sar­ra­zin. Die Fra­ge danach, wie ver­ant­wor­tungs­voll die (angeb­lich) links-grün domi­nier­ten Füh­rungs­rie­gen in den Redak­tio­nen deut­scher Medi­en­kon­zer­ne agie­ren, muss­te in die­sem Zusam­men­hang gestellt wer­den. Die kri­ti­sche Prü­fung kann nicht auf die Zeit um 2015, also die Fol­gen der Mas­sen­ein­wan­de­rung, beschränkt blei­ben. M.a.W.: Gio­van­ni di Loren­zos, „Die Zeit“, mea cul­pa ist unzureichend.

Es gibt ande­re wich­ti­ge poli­ti­sche und gesell­schaft­li­che The­men­stel­lun­gen, die von Print- und elek­tro­ni­schen Medi­en objek­ti­ver und sehr viel weni­ger sug­ges­tiv bear­bei­tet wer­den müs­sen. Natür­lich nicht zuletzt im eige­nen Inter­es­se. Die­se Ein­sich­ten wer­den sich hof­fent­lich bald als rea­lis­tisch erwei­sen. Ansät­ze dafür sind erkennbar. 

Mein hof­fent­lich nicht zu ver­schwom­me­ner Vor­wurf gegen die so genann­ten Main­stream­m­e­di­en rich­tet sich aber eben­so an die­je­ni­gen, die einen wirt­schaft­li­chen Erfolg suchen, in dem sie sich mit sys­tem­kri­ti­schen Grund­aus­sa­gen eine Art „Gegen­pu­bli­kum“ zum so genann­ten „Main­stream“ rekru­tiert haben. 

Autor Wal­l­asch, „Tichys Ein­blick“, nutzt Kretz­schmars Äuße­run­gen als Bestä­ti­gung für die Unter­stel­lung, wir sei­en der Zen­sur aus­ge­lie­fert. Eben ganz so, wie die Rech­ten in die­sem Land brau­chen, um Staats- und Demo­kra­tie­ver­dros­sen­heit zu fördern.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Deutschland Impfstoff Köppel Meinungsäußerung

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