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7 Minuten

Wenn Stefan Kretzschmar das sagt.

Ob Stefan Kretzschmar diese Reaktion auf sein Interview mit T-Online erwartet hat? Der Mann ruht in sich, ist mit sich im Reinen. Ob er das nach dem Ge(t)witter, das noch grummelt, noch ist? Jedenfalls ist er längst ein Medien-Profi, der das Geschäft beherrscht.

Er hat früher schon kein Blatt vor den Mund genommen. Und er tut es heute immer noch, obwohl es doch eigenen Einsichten zu widersprechen scheint. Schließlich sagte er: „Für jeden Kommentar bekommst du eins auf die Fresse“. Als Angsthase ist er mir ja auch nie aufgefallen.

Offenheit unerwünscht?

Es machte auf mich immer den Eindruck, dass er gerade mit seiner offenen Art prima durchs Leben gekommen ist. Aber er sagt im Interview am 10. Januar: Sportler würden sich heutzutage bestimmte Dinge gar nicht mehr zu sagen trauen. Warum sagte er es trotzdem? Weil er kein Sportler mehr ist?! Wahrscheinlich – hoffe ich – auch nicht, um das penetrante Gerede von Rechts von der angeblich unterdrückten Meinungsfreiheit zu unterstützen. Außerdem arbeitet er doch fürs Fernsehen. Hat Kretzschmar keine Angst, seine „Offenheit“ könnte ihm die Jobs oder seine Werbeverträge kosten? Schließlich hat er doch genau das als Grund dafür genannt, dass sich keiner mehr was zu sagen traut, was vom Mainstream abweicht. Warum gilt das nicht für ihn?

Zum Thema Meinungsfreiheit fällt mir übrigens gleich Özils Fototermin mit Erdogan ein. Klar! Da war die Meinungsfreiheit nur mal kurz außer Kraft gesetzt. Für Özil jedenfalls.

Es ist nicht überraschend, dass die Medien – wie immer – nur die Passagen herausgepickt haben, die ein Empörungspotenzial mit allem der Beachtung und den erhofften Klicks verhießen.

Im Plauderton auf den Busch geklopft

Dabei sagt Stefan Kretzschmar im lockeren Plauderton Sachen, die im Land bestimmt manchem aus der Seele gesprochen haben. Über die negativen Veränderungen etwa, die die sozialen Netzwerke zur Folge haben. Das komplette Interview ist etwa sechs Minuten lang und Kretzschmar hat darin viel erzählt.

Dieser kleine Teil des Interviews ist es, der für eine Debatte entfacht, die längst nicht mehr neu ist aber die manchen in den Kram passt:


Dafür können die Spieler nichts, die spielen das Spiel nur mit. Für jeden Kommentar bekommst du eins auf die Fresse. Wenn du eine polarisierende Meinung hast, finden die 50 Prozent scheiße. Für alles, was dich von der Masse abhebt, erntest du einen Shitstorm. Dem setzt sich kein Profisportler aus. Alle gehen ihren gemütlichen Weg, keiner streckt den Kopf höher heraus, als er muss. Das würde ich genauso tun. Welcher Sportler äußert sich denn heute noch politisch? Es sei denn, es ist die Mainstream-Meinung, mit der man nichts falsch machen kann. Eine gesellschafts- oder regierungskritische Meinung darf man in diesem Land nicht mehr haben. Wir Sportler haben in Deutschland eine Meinungsfreiheit, für die man nicht in den Knast kommt. Wir haben aber keine Meinungsfreiheit im eigentlichen Sinne. Wir müssen immer mit Repressalien von unserem Arbeitgeber oder von Werbepartnern rechnen. Deswegen äußert sich heute keiner mehr kritisch.

Stefan Kretzschmar: „Für jeden Kommentar bekommst du eins auf die Fresse“

Im Text fehlen ein paar Dinge, die Kretzschmar auch gesagt hat: „Es sei denn, es ist die Mainstream-politische-Meinung, wo man sagt: wir sind bunt und refugees welcome. […] wo man gesellschaftlich eigentlich nichts falsch machen kann“[…] Eine gesellschafts- oder regierungskritische Meinung darf man in diesem Land nicht mehr haben.

So geht bei Twitter die Meinung der einen:

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Der deutsche Journalist Marc Felix Serrao, tätig für die NZZ, reibt sich penetrant an dem spezifisch deutschen (linken) Unwesen, andere (bürgerliche) Meinungen nicht zuzulassen:

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Debattenkultur

Warum behaupten Journalisten wie Serrao, Köppel (Weltwoche) und andere, die Meinungsfreiheit in unserem Land sei eingeschränkt wenn nicht sogar abgeschafft? Ok, mit unserer Debattenkultur ist es sicher nicht weit her. Sie sehe ich auch kritisch. Aber das sind zwei verschiedene Dinge!

Isolation als Lösung

Wir lassen uns nicht ausreden (offline), oder wir beschimpfen uns viel zu schnell (online). Verbale Entgleisungen sind normal geworden. Das werden viele im Freundeskreis, in der Familie bzw. im Internet so erleben. Es sei denn, man hält sich bei bestimmten Themen zurück. Also ganz so, wie Stefan Kretzschmar es spezielle für seine Sportlerkollegen beschreibt.

Ich glaube, vielen hängt der Zustand unserer aggressiv-kommunikativen Beziehungen am Hals heraus. Dennoch schaffen wir es nicht, daran etwas zu ändern. Vielleicht sind wir noch nicht so weit (#Neuland).

Aufschlussreich finde ich, wie mit Robert Habecks selbstgewählter Abstinenz von den sozialen Medien umgegangen wird. Ich habe viele Reaktionen gelesen, die seinen „Kurzschluss“ alles andere als wohlwollend kommentiert haben. Eine wird Habecks Handeln, das durch spezielle Erfahrungen (Datenleak plus zwei Shitstorms nach dummen Video-Statements) entstand, gerecht. Sie stammt vom deutschen Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen. Gerade diejenigen, die als Internet-Aktivisten oder als besonders internet-affine gelten dürfen, verhalten sich mitunter wie beleidigte Leberwürste. Tenor: Wie kann dieser Habeck sich unterstehen, die Relevanz dieser Dienste überhaupt infrage zu stellen?

Natürlich hat Kretzschmar in vielem Recht. Die Art der Reaktionen auf Äußerungen, die konträr zu bestimmten Sichtweisen stehen, haben sich massiv verändert. Aber das gilt für rechte wie linke Positionen. Ich würde sogar sagen, dass es manchmal Glückssache ist, aus der einen oder anderen Äußerung heil (ohne Shitstorm) herausgekommen zu sein.

Meinungsfreiheit

Wenn ein Prominenter (Politiker, Sportler, Künstler) in der Öffentlichkeit radikale politische Positionen vertritt und dabei auch noch vorbesetzte (in der Öffentlichkeit wohlbekannte AfD-) Vokabeln verwendet, sollte er sich über den mitunter harschen Widerspruch nicht wundern. Mit der Einschränkung von Meinungsfreiheit hat das Echo auf solche Äußerungen, gar nichts zu tun. Es ist Widerspruch, zugegebenerweise manchmal sehr drastischen Widerspruch. Die Reaktionen können grob sein und verletzend. Auch sie sind in einer funktionierenden Demokratie Ausdruck der Meinungsfreiheit. Jedenfalls, solange dabei keine Gesetze verletzt werden. Ein Shitstorm ist für alle von ihm Betroffenen schlimm und schwer auszuhalten. Er ist in diesen Zeiten von Social Media längst integraler Bestandteil des öffentlichen Diskurses.

Mainstream

Kritisch wird es, wenn der Vorwurf erhoben werden kann, dass Menschen mit exponierten Meinungen durch eine normativ wirkende Medienmacht (MSM) ausgegrenzt oder die betreffenden zur persona non grata gemacht werden.

Ein Beispiel ist Thilo Sarrazin. Die Frage danach, wie verantwortungsvoll die (angeblich) links-grün dominierten Führungsriegen in den Redaktionen deutscher Medienkonzerne agieren, musste in diesem Zusammenhang gestellt werden. Die kritische Prüfung kann nicht auf die Zeit um 2015, also die Folgen der Masseneinwanderung, beschränkt bleiben. M.a.W.: Giovanni di Lorenzos, „Die Zeit“, mea culpa ist unzureichend.

Es gibt andere wichtige politische und gesellschaftliche Themenstellungen, die von Print- und elektronischen Medien objektiver und sehr viel weniger suggestiv bearbeitet werden müssen. Natürlich nicht zuletzt im eigenen Interesse. Diese Einsichten werden sich hoffentlich bald als realistisch erweisen. Ansätze dafür sind erkennbar.

Mein hoffentlich nicht zu verschwommener Vorwurf gegen die so genannten Mainstreammedien richtet sich aber ebenso an diejenigen, die einen wirtschaftlichen Erfolg suchen, in dem sie sich mit systemkritischen Grundaussagen eine Art „Gegenpublikum“ zum so genannten „Mainstream“ rekrutiert haben.

Autor Wallasch, „Tichys Einblick“, nutzt Kretzschmars Äußerungen als Bestätigung für die Unterstellung, wir seien der Zensur ausgeliefert. Eben ganz so, wie die Rechten in diesem Land brauchen, um Staats- und Demokratieverdrossenheit zu fördern.

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