Gewalt ist keine Lösung, trotzdem wird sie in unserer Gesellschaft immer präsenter

Haltet die Bösen immer von­ein­an­der getrennt. Die Sicherheit der Welt hängt davon ab. – Theodor Fontane

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Ich muss auf­pas­sen, dass ich nicht über­trei­be mit mei­nem Defätismus und mei­nen Anschuldigungen gegen Politik und Gesellschaft. Es scheint so, als hät­te ich kei­nen Spaß mehr an dem, was die Entwicklung die­ser bei­den Bereiche in unse­rem Land angeht. Zu vie­le Sachen pas­sie­ren, die mich an den Rand der Verzweifelung bringen.

Die Unionsfraktion (CDU/​CSU) hat beschlos­sen, bald auch das Notfallpersonal (Ärzte, Schwestern, Pfleger) in Kliniken so zu schüt­zen, wie das schon seit 2017 bei der Polizei und den Rettungskräften der Fall ist. Das Strafmaß bei gewalt­tä­ti­gen Übergriffen soll bis zu fünf Jahren Gefängnis betra­gen. In den vier Jahren bevor die Strafverschärfung ein­ge­führt wur­de, zähl­te man 4.500 Übergriffe gegen „Vollstreckungsbeamte und gleich­ste­hen­de Personen”. 

Härtere Strafen

Inwieweit eine Strafverschärfung Leute von kör­per­li­chen Angriffen auf Notfallpersonal abhält, muss abge­war­tet wer­den. Richtig ist jeden­falls, dass Signale in die Gesellschaft gege­ben wer­den müs­sen, das die­ses über­hand neh­men­de Phänomen kei­nes­falls „tole­riert” wird. Leider wer­den nach­voll­zieh­ba­re Gründe dafür, dass sich der­ar­ti­ge Übergriffe über­haupt ereig­nen und war­um sie so häu­fig sind, nicht gelie­fert. Keine jeden­falls, die ich auch nur halb­wegs ein­ge­leuch­tet hät­te. Sind wir irre geworden?

Seit Jahren ist es nor­mal, dass die fried­li­chen Besucher von Fußballspielen durch die Polizei vor gewalt­be­rei­ten Randalierern geschützt wer­den. Wer weiß, wie vie­le Tote zu bekla­gen wären, wür­den die­se mas­si­ven und teu­ren (Steuergelder!) Polizeieinsätze nicht stattfinden?

In Kreis- oder Bezirksliga – Spielen hören wir immer häu­fi­ger, dass Schiedsrichter kör­per­lich ange­grif­fen oder sogar kran­ken­haus­reif geschla­gen wer­den. Wie häu­fig die Gewalt auf Fußballfeldern von Migranten aus­geht, liest man nur in rechts­extre­men Blogs. Das ist übri­gens auch ein Punkt, wes­halb ich für die Benennung der Nationalität von Gewalttätern bin! Ich will wis­sen, was in unse­rem Land pas­siert. So wer­den wir dar­über völ­lig unnö­tig im Unklaren gelassen.

Gründe erforschen

In den nor­ma­len Medien wird über die Herkunft der Schläger sel­ten etwas offen­bart. Das wäre mit der den selbst gesetz­ten Regeln (der poli­ti­cal cor­rect­ness) nicht ver­ein­bar. Die Frage bleibt also unbe­ant­wor­tet, wie es zu dem sprung­haf­ten Anstieg von gewalt­sa­men Attacken wäh­rend der Fußballspiele kommt. Daran, dass es ande­rer­seits bei vie­len Bundesliga-​Begegnungen zu gräss­li­chen ras­sis­ti­schen Entgleisungen der so genann­ten Fans kommt, haben wir uns ja auch seit Langem gewöhnt. 

Seit Jahren müs­sen in Deutsche jüdi­sche Schulkinder vor dem Risiko beschützt wer­den, von rechts­ra­di­ka­ler Gesinnungstätern ange­grif­fen zu wer­den. Schulen und Synagogen wer­den bewacht. Sie müs­sen bewacht wer­den, weil die Menschen in Gefahr sind. Man darf nicht dar­über nach­den­ken, was das eigent­lich heißt. Und das pas­siert in einem Land mit die­ser Geschichte. In Halle war der Polizeischutz der Synagoge auf­grund einer fal­schen Einschätzung der deut­schen Sicherheitsdienste nicht gege­ben. So hät­te nicht viel gefehlt und der rechts­extre­me Terrorist hät­te sehr viel mehr Menschen getötet. 

Auch der Polizeischutz von Moscheen ist längst zur Normalität in unse­rem Land gewor­den. Beschäftigen wir uns zuwe­nig mit die­sen Phänomenen, um den Schutz irgend­wann auch ein­mal wie­der als unnö­tig auf­he­ben zu kön­nen? Das ist wohl nicht so, denn Anschläge gibt es auf der gan­zen Welt zu jeder Zeit. Die Antworten dar­auf, wes­halb es immer wie­der Menschen gibt, die so etwas Schreckliches tun, sind nur ober­fläch­li­cher Natur. So kann ich nur fest­stel­len, was wohl vie­le für sich auch tun wer­den: Früher gab es sowas nicht. Jedenfalls nicht in die­ser Häufigkeit. In der Geschichte der Menschheit gab es immer schon Attentate. Gaius Iulius Caesar, Mahatma Gandhi, die Kennedys, Martin Luther King, Papst Johannes Paul II und vie­le ande­re. Die Morde der RAF in Deutschland. Sie waren über­wie­gend geziel­te Anschläge auf Repräsentanten des Staates oder Institutionen.

Das hat sich sehr ver­än­dert. Terroranschläge gegen Menschen mit ande­rer Hauptfarbe, Herkunft, ande­rer Religion oder ganz will­kür­li­che Opfer erle­ben wir erst seit weni­gen Jahrzehnten in die­ser Anzahl und Grausamkeit. Eigentlich wis­sen wir, dass die media­le Beachtung oder kras­ser aus­ge­drückt, das mas­si­ve Ausschlachten sol­cher Gräuel, an die­sem Wachstum einen Anteil hat. Das gilt sowohl für isla­mis­ti­sche Anschläge als auch für sol­che, die ras­sis­tisch moti­viert sind. Sollten sich, sofern die­se Annahme kei­ne gro­ben Fehler ent­hält, hier­aus kei­ne Rückschlüsse ablei­ten las­sen? Die Presse hat die Pflicht, die Öffentlichkeit über sol­che Geschehnisse in Kenntnis zu setzen. 

So haben wir es gelernt und wir sehen bis heu­te kei­nen Grund dafür, unser Gelerntes zu hin­ter­fra­gen und von den Medien (was auch immer das heu­te ist!) zu ver­lan­gen, die Berichterstattung auf eine Zeile zu beschrän­ken und sie nicht mit detail­lier­ten Bildern des Grauens „aus­zu­schmü­cken”? Nein, das ist nicht drin. Aber nicht, weil es nicht gehen wür­de. Nein! Es geht dabei wie bei vie­lem ande­ren auch, aus­schließ­lich um wirt­schaft­li­che Interessen. Moralische Bedenken wer­den nie­der geschrie­en, in dem behaup­tet wird, die Pressefreiheit sei in Gefahr. Ein tol­les Argument, das immer noch sticht und gegen das kein Kraut gewach­sen scheint.

Personenschutz für ehrenamtliche Bürgermeister

Nicht „nur” die rang­höchs­ten Politiker benö­ti­gen Personenschutz. Längst wer­den auch neben­be­ruf­li­che Bürgermeister klei­ne­rer Gemeinden atta­ckiert und schwer ver­letzt. Von den see­li­schen Folgen für die­se Menschen reden wir erst gar nicht. Es gibt zwar Initiativen der Politik (Reden des Bundespräsidenten), aber ob sie etwas bewe­gen und sol­che Idioten davon abhal­ten, an die sol­che Appelle adres­siert sind, ist doch voll­kom­men offen. 

Nicht aus­zu­den­ken, wel­che Folgen es für unser Gemeinwesen haben wür­de, wenn noch weni­ger Menschen bereit wären, Verantwortung für unse­re Gesellschaft in den Städten und Gemeinden, Land oder Bund zu übernehmen. 

Wir wis­sen, was in unse­rem Land vor­geht, dass vie­le unzu­frie­den sind und der Politik die Gestaltungskraft, viel­leicht auch den Gestaltungswillen abspre­chen. Wir wis­sen, dass es anno 2019 Nazis gibt, die Todeslisten mit vie­len hun­dert Namen von poli­tisch miss­lie­bi­gen MitbürgerInnen führen. 

Ja, wir sind ent­setzt und abge­sto­ßen. Aber wir sind auch damit über­for­dert, die zuneh­men­de Gewaltbereitschaft zu begrei­fen und füh­len uns arg hilf­los. Die kla­re Erwartung an unse­ren Staat ist ein­fach die, dass er uns vor denen schützt, die – aus wel­chen Gründen auch immer – bereit sind, ande­re Leben zu gefähr­den oder sogar zu töten. Verschärfte Strafen für sol­che Täter sind zwar nahe­lie­gend. Es ist nur lei­der zu bezwei­feln, dass sie unser Problem mit der wach­sen­den Gewaltbereitschaft in unse­ren Gesellschaften mil­dern oder sogar lösen kön­nen. Wir müs­sen uns mehr enga­gie­ren und denen ent­schlos­sen ent­ge­gen­tre­ten, die vor­ge­ben, eine Alternative dar­zu­stel­len. Die sind es garan­tiert nicht! 


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