Erinnerungen an ver­gan­ge­ne Zeiten, die nicht wiederkommen

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von Horst Schulte

Lesezeit: 4 Min.

Ich weiß nicht, seit wann das Restaurant geschlos­sen ist. Nach dem Zustand der Fassade (sie­he Foto) muss das schon eine Weile her sein. In die­sem Lokal waren wir oft mit Freunden und haben viel Freude und lecke­res Essen genos­sen. Der Zahn der Zeit ver­schont halt auch nicht die Stätten unse­rer schöns­ten Erinnerungen.

Gleich gegen­über wur­de gera­de vor weni­gen Monaten ein rie­si­ges neu­es Einkaufszentrum fer­tig. Die Umgebung scheint unfer­tig und des­halb wenig ein­la­dend. Trotzdem sind die Geschäfte längst geöff­net. Wie auch immer, für eine Kleinstadt wie die­se hier gibts erheb­lich zu viel hel­len Beton. 

Im Vergleich mit ande­ren Orten in unse­rer Umgebung scheint es hier im Städtchen geschäf­ti­ger zuzu­ge­hen. Das mag aber auch am Wochentag lie­gen. Auch hier gibt es zu vie­le lee­re Geschäfte. Ich mei­ne damit nicht feh­len­de Kunden. Die Geschäfte sind geschlos­sen, es wer­den Nachmieter gesucht.

Eine klei­ne Einkaufspassage mit­ten im Städtchen wirkt ver­waist, obwohl eini­ge der Geschäftsräume wie­der ver­mie­tet sind. Leider gibts aber sehr vie­le Leerstände.

Was sol­len die Verantwortlichen machen, um die Innenstadt attrak­ti­ver zu machen? 

Heute gibts auch in die­ser Fußgängerzone vie­le Handyläden aber kaum Angebote, die das Gesamtbild auf­wer­ten und damit irgend­ei­ne Anziehungskraft ent­fal­ten wür­den. Es ist ein ver­gleichs­wei­se klei­nes Areal, die­se Fußgängerzone. Trotzdem ste­hen dort eini­ge gro­ße Ladenlokale leer. Die unver­meid­li­chen «Zu vermieten»-Schilder machen die Umgebung noch eine Spur trister.

Wenn ich jetzt von frü­her ™ anfan­ge, wer­den man­che wohl die Nase rümp­fen und weiterklicken. 

Vor 40 Jahren war die Welt hier noch in Ordnung. Nach der kom­mu­na­len Neugliederung im Jahr 1975 hat sich die Bevölkerung der Stadt ver­vier­facht. Von damals bis heu­te stieg die Zahl der Einwohner noch­mals um ca. 22%. Im Rhein-Erft-Kreis gibt es 10 Städte. Im Einkommensvergleich liegt die Kreisstadt Bergheim auf dem 5. Platz, lan­des­weit sogar nur auf Rang 117. Was hat der gro­ße Bevölkerungszuwachs in den letz­ten Jahrzehnten also gebracht? 

Erinnerungen an frü­he­re Zeiten

Eine deso­la­te Innenstadt und das Gefühl, dass nichts bes­ser wird. Die Stadt Kerpen liegt im Einkommensvergleich sogar noch schlech­ter als Bergheim. Das Durchschnittseinkommen eines Steuerpflichtigen beträgt dort nur 35.990 Euro und ran­giert damit im Vergleich der Städte im Kreis auf Rang 6 von 10. Landesweit beklei­det Kerpen Rang 127. Bedburg, mei­ne Heimatstadt ran­gier­te noch wei­ter hinten. 

Ein ähn­li­ches Gesicht der Städte

Wir wer­den nicht ver­hin­dern, dass immer mehr deut­sche Städte ähn­lich aus­se­hen wer­den. Das liegt nicht nur dar­an, dass sich der Handel auf­grund des wach­sen­den Einkaufsvolumens über Online-Händler struk­tu­rell ver­än­dert und Kaufanreize des sta­tio­nä­ren Handels (Preis, Service, Einkaufserlebnis) nicht mehr hin­rei­chend gewähr­leis­tet wer­den kön­nen. Aus nahe­lie­gen­den Gründen macht es auch wenig Sinn, die heu­te aus den Städten aus­ge­la­ger­ten spe­zi­fi­schen Geschäftsbereiche in die Innenstädte zurück­zu­ver­la­gern. Wer braucht Bau- oder Möbelmärkte, Discounter schon in der Innenstadt. Dafür sind die Parkplätze gar nicht vorhanden. 🙂

Neben den unmit­tel­bar Beschäftigten in Kraftwerken und Tagebaue bestehen eben­so Sorge und Ängste vor Arbeitsverlusten in der ener­gie­in­ten­si­ven Industrie. In den Bereichen Aluminium, Stahl, Chemie, Glas und Papier arbei­ten über 90.000 Menschen in den Regionen Aachen, Düsseldorf und Köln. Die ener­gie­in­ten­si­ven Unternehmen befürch­ten bei einem vor­zei­ti­gen Ausstieg aus der Braunkohle stark stei­gen­de Strompreise. Guido van den Berg woll­te in die­sem Zusammenhang wis­sen, wie die Landesregierung Schutzmaßnahmen für die­se Beschäftigten errich­ten möchte.

Landesregierung lässt Beschäftige im Regen ste­hen › SPD Rhein-Erft

In eini­gen Städten unse­res Kreises wird der Stellenabbau beim RWE eine Rolle spie­len. Nicht nur für die betrof­fe­nen Arbeitnehmer (nicht nur die direk­ten, son­dern auch die bei Zulieferern und Dienstleistern). 

Erinnerungen an frü­he­re Steuereinnahmen

Auch für die Steuereinnahmen eini­ger Städte und Gemeinden im Kreis wird die Luft noch ein­mal dün­ner. Dabei befin­den sich eini­ge längst unter dem Regime eines Haushaltssicherungskonzeptes. Die Frage ist, wel­che struk­tu­rel­len Maßnahmen tat­säch­lich dazu in der Lage sein wer­den, die Auswirkungen die­ser Veränderungen abzu­mil­dern. Wie die Erfahrungen im Ruhrgebiet gezeigt haben, ist auch viel Geld kei­ne Garantie dafür, dass alles gut wird.


Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe auf dem Land.

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Artikelinformationen

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6 Gedanken zu „Erinnerungen an ver­gan­ge­ne Zeiten, die nicht wiederkommen“

  1. Vor vie­len Jahren war ich für 5 Tage in Oberhausen. Wusste nicht, daß die Innenstadt total ver­waist war. Ausgehen konn­te man nur am Hafen, in einem eigens geschaf­fe­nen Zentrum.
    Das war vor knapp 10 Jahren ein klei­ner Schock.

    • Solche Eindrücke kön­nen ganz schön scho­ckie­rend sein. In Oberhausen hat vllt die Errichtung des rie­si­gen EKZ eine Auswirkung auf die Innenstadt. Die Leute kom­men nach Oberhausen aber nicht dort­hin, wo vie­le sie wohl lie­ber sehen würden.

  2. Verwaiste Innenstädte gibts über­all. Ich den­ke das liegt auch am geän­der­ten Einkaufsverhalten. Wer kauft sei­ne Kleidung noch im Geschäft? Niemand!!! Online ist bes­ser, und wenn es nicht passt wird es kos­ten­los zurück­ge­schickt. Wir machen da übri­gens auch mit.

  3. Die Zunahme des Online Handels hat gewiss viel Einfluss. Eigene Fehler der Betreiber wird es auch geben und die hohen Mieten in vie­len Innenstädten könn­ten auch ne Rolle spie­len. Dass man­che Karstadt- und Kaufhof-Filiale nun doch nicht geschlos­sen wird, hat ja damit zu tun,dass die Eigentümer der Immobilien sich beweg­lich gezeigt haben. Aber lei­der ist das nicht immer mög­lich. Zudem fürch­te ich, dass das Konzept des Kaufhauses kei­ne Zukunft hat.

  4. Habe ges­tern über das Thema nach­ge­dacht. Wir alle fra­gen uns, bis in die Politik hin­ein, wie wir der Verödung der Innenstädte bzw. der Gewerbeinfrastruktur in den Innenstädten durch Onlinehandel o.ä. ent­ge­gen­wir­ken können.

    Vielleicht ist das die fal­sche Frage.

    Mein Gedanke ist, das wir nicht fra­gen soll­ten, wie wir einen ver­lo­re­nen Zustand wie­der­erlan­gen kön­nen, son­der viel­mehr, wie wir uns unse­re Innenstädte (und die Klein- und Mittelstädte) in Zukunft vor­stel­len wollen.

    Tatsache ist doch, dass sich die Strukturen im Moment ver­än­dern und wir ziem­lich rat­los dabei­ste­hen. Wir müs­sen das aber in die Hand neh­men und unse­re kom­mu­na­len Strukturen aktiv ver­än­dern. Wir müs­sen Ziele ent­wi­ckeln für unse­re Lebensumwelt schon in der abseh­ba­ren Zukunft.

    Ich kann mir z.B. vor­stel­len, dass aus den gro­ßen Einkaufsstraßen (die Zeil in Frankfurt..) Wohnstraßen wer­den mit der Art Gewerbeinfrastruktur, dir dort dann Sinn macht und funk­tio­niert. Nirgendwo steht fest­ge­schrie­ben, dass die­se Straßen für alle Zeit Einkaufsmeilen mit Groß-Gewerbeimmobilien blei­ben müssen.

    Es ist alle­mal bes­ser, wenn Wandel etwas ist, das wir bewusst voll­zie­hen, als etwas, das uns qua­si unbe­tei­ligt überkommt.

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