Politiker müssen sich eine Menge gefallen lassen. Das konnte man gestern Abend bei „Maybrit Illner“ wieder erleben. Sascha Lobo ging den ebenfalls anwesenden Kanzleramtschef Helge Braun in einer nassforschen, unverschämten Art und Weise an.
Lobo und Braun saßen sich gegenüber
Ich möchte gar nicht bezweifeln, dass an den Details, die Lobo angesprochen hat, etwas dran war. Aber so sollten wir nicht mit unseren Politikern sprechen! War nicht gerade Lobo einer von denen, die angeblich ihre Diskursfähigkeit verbessern wollten – dem Ganzen zuliebe? Das hatte er sicher vergessen.
Mir hat gefallen, wie Helge Braun Lobos Unverschämtheiten abperlen ließ.
Politiker sind bekannt dafür, dass sie auf konkrete Fragen grundsätzlich nie konkret antworten, sondern immer ausweichen oder drum herumreden. Das hat Braun nicht gemacht. Er hat Lobo ignoriert. Und – bei aller Wertschätzung, die ich für Lobo hege, in diesem Fall war das genau richtig! In dieser Woche sind mir erneut eine Vielzahl von Wichtigtuern und Besserwissern im TV aufgefallen. Dazu gehörte neben der Journalistin Susanne Gaschke, Welt, eben dieser Sascha Lobo.
So sehr ich ihren Mann, den langjährigen SPD-Abgeordneten Peter Bartels, für seine gute und besonnene Arbeit schätze, so sehr halte ich seine Frau für eine Fehlbesetzung. Wie der SPD-Fraktionschef bzw. die SPD-Fraktion den verdienten Bartels als Wehrbeauftragter des Bundestages quasi gegen die linke SPD-Abgeordnete Eva Högl, ausgebootet haben, war in meinen Augen unwürdig.
Penetrante Vorwürfe, die niemandem helfen
Der Kurzauftritt Gaschkes in Kiel spricht Bände über ihre Qualität als Politikerin. Und so eine Frau erlaubt es sich, ihre Ex-Kollegen in dieser Art und Weise anzugehen. So etwas kann man nur tun, weil die Medien in jeglicher Hinsicht einen Freibrief besitzen. Die versorgen die verfluchten Nörgler und Kritikaster im Land während dieser schlimmen Pandemie mit Halbwahrheiten und Behauptungen, für die sie oft genug nicht einmal zur Rechenschaft gezogen werden. Ihre Leichtfertigkeit begründen sie zu allem Überfluss damit, dass sie schließlich ja die Aufgabe hätten, die Menschen im Lande zu informieren. Zum Glück gibt es noch viele, die diesem Ethos wirklich verpflichtet sind. Sonst wäre es im Moment kaum mehr auszuhalten. Gell, Herr Feldenkirchen?
Der Alleinunterhalter des ZDF, Markus Lanz, führt für mich in dieser negativen Hinsicht die „ewige Bestenliste“ an. Hat der Mann keine Berater, die ihm mal beibiegen könnten, wie seine Mimik und Gestik die Leute ankotzen?
Und jetzt komm mir bloß keiner mit dem AUS-Knopf!
Drosten macht sich rar
Heute habe ich beim Spiegel ein Interview mit Prof. Drosten gelesen. Der Mann macht sich rar, nachdem er am eigenen Leib zu spüren bekommen hatte, wie die deutschen Medien (die Öffentlichkeit sowieso) mit denen umgehen, die sie zuerst „hochjubeln“ und dann brutal demontieren. Im Interview gab es einige Stellen, die mit Wissenschaft und der Pandemie wenig zu tun haben.
SPIEGEL: Einen größeren Schaden als Corona-Leugner haben im vergangenen Jahr wohl Experten angerichtet, die immer wieder gegen wissenschaftlich begründete Maßnahmen argumentiert haben, zum Beispiel Jonas Schmidt-Chanasit und Hendrik Streeck. Priorität müsse es haben, die Risikogruppen zu schützen, hörte man oft aus diesem Lager. Dabei ist längst klar, dass das bei hohen Fallzahlen nicht funktioniert. Wann platzt Ihnen der Kragen?
Christian Drosten zu Corona: »Wir müssen durchhalten – und vor allem: auf die Bremse treten« – DER SPIEGEL
Drosten: Wollen Sie, dass ich jetzt Kollegen namentlich kritisiere? Ich halte nichts davon, ad personam zu gehen.
Niemand dürfte die Erklärungsversuche aus der Wirtschaft und selbst eines Teils der Medien überhört haben, die immer wieder darauf hinweisen, wie wissenschaftliche Arbeit funktioniert und weshalb es eben nicht so ist, dass jede Debatte, jede Diskussion darauf schließen lässt, dass sich die Beteiligten nicht leiden könnten oder sich gegenseitig die Kompetenz absprechen. Wenn es nur nicht so beschwerlich wäre, dass selbst Wissenschaftler, auf die ein Durchschnittsbürger wie ich natürlich hochschaut, bestimmte Ereignisse während dieser Pandemie nicht voraussahen und oft genug mit Annahmen operierten. Ich finde, dass alle oder jedenfalls fast alle, die ständig im TV und in den Medien vertreten waren, diese „Normalität“ hinreichend beschrieben haben. Außer die Medien. Von diesen haben manche (BILD wie immer vornweg) es sich zur Aufgabe gemacht, jeden Unterschied, jede abweichende Formulierung hochzujazzen und damit erst die Stimmung im Land erzeugt, die uns an so an unsere Grenzen gebracht hat.
Interdisziplinäre Unsicherheiten
Auf der anderen Seite finde ich es irritierend, wenn von immer anderen Wissenschaftlern, – ich hatte übrigens keine Vorstellung davon, wie viele es mit den momentan gefragten Spezialgebieten in Deutschland überhaupt gibt – neue Wege aus der Krise beschrieben werden. Oftmals sogar mit freundlichen Hinweisen darauf, wie falsch man die Vorschläge des einen oder anderen Kollegen*innen findet. Ob das nun auch zu den üblichen Usancen in diesem Metier zählt? Ich weiß es nicht.
Dass die „Leopoldina“ – unsere Akademie der Wissenschaften seit einigen Monaten in die Gespräche einbezogen wurde, fand ich gut. Endlich waren nicht mehr „nur“ Virologen oder Epidemiologen gefragt, sondern die auch von Medien geforderten interdisziplinären Bereiche. Was dann geschah? Ein Mitglied trat aus Ärger über die sogenannte zweite Ad-Hoc Stellungnahme der „Leopoldina“ zurück und machte aus seinem persönlichen Ärger über den Inhalt keinen Hehl. Ich finde solche Alleingänge, deren Öffentlichkeitswirkung voraussehbar ist, schäbig und vor allem überhaupt nicht zielführend.
Jeder Ministerpräsident:in hat einen eigenen Berater:innenstab. In NRW hatte Laschet von Beginn an ein interdisziplinäres Kollegium an seiner Seite. Ich weiß nicht, ob es deshalb in unserem Land besser gelaufen ist als dort, wo es vielleicht anders ausgesehen hat.
Fehlender Impfstoff (Wie kann das sein?)
Allein die Diskussionen über den „fehlenden“ Impfstoff lassen einen doch schier verzweifeln. Ich meine, das so, dass ich am Verstand derjenigen zweifle, die nichts anderes im Kopf haben, als für die aktuelle Lage irgendwelche Politiker zur Verantwortung zu ziehen. Die Kurzform der hauptsächlichen Vorwürfe ist: Wie kann es in dem Land, in dem der Impfstoff erfunden wurde, sein, dass er nicht zuallererst auch in diesem Land in benötigter Menge zur Verfügung steht? Wer das als nationalistisch begreift, liegt in meinen Augen ganz richtig. Die Politik hat immer gesagt, dass sie eine „normale“ Zulassung des Impfstoffes möchte, u.a. deshalb, damit den in Deutschland aber auch anderswo starken Gruppen der Impfgegner das Wasser von der Mühle genommen wird. Vielleicht wäre es vertretbar und richtig gewesen, bei allen der möglichen Aspiranten unter den Impfstoffherstellern millionenfach zu bestellen.
Bei den finanziellen Mitteln, die wir für die Folgen der Pandemie allein bei uns einsetzen, wäre das möglicherweise vertretbar gewesen. Außerdem hieß es immer, dass jeder Corona-Tote einer zu viel sei. Wenn wir denken, dass nur die Impfung ein wirksamer Schutz ist, hätten wir alles dafür tun müssen, dass genügend Impfstoff von vornherein zur Verfügung steht? Was für ein Blödsinn! Erstens erinnere ich mich noch an die Diskussionen, die vor etwa 10 Jahren geführt wurden. Damals hatte die Regierung Millionen Dosen des Schweinegrippe-Impfstoffes geordert. Das viele Geld hätte man auch gleich verbrennen können. Das Serum wurde nie in den Mengen benötigt, in denen es beschafft wurde. Die Medien bekamen sich nicht mehr ein ob so viel unbedachter Handlung unserer Politik.
Internationaler Wettkampf (Europe, better germany first!)
Das Impfthema wird von den Medien zum internationalen Wettkampf aufgebauscht. Es gibt Rankings darüber, wie viel Prozent der Bevölkerung bisher schon geimpft wurde. Und Deutschland steht nicht vorne! Das geht natürlich überhaupt nicht.
Meine Schwester (Stoma-Therapeutin) hätte gestern im Krankenhaus geimpft werden sollen. Kurzfristig wurde der Termin abgesagt, weil kein Impfstoff zur Verfügung steht. Shit happens! Sie war skeptisch und wollte sich trotzdem impfen lassen. Bei mir wäre das nichts anders. Aber ich sage: Ich warte, bis ich daran bin. Was ist so schwer daran, diesen einfachen Satz mal aufzuschreiben, anstatt immer neue Vergleiche und Fehlerzuweisungen in die Welt zu schicken?
Ich warte, bis ich dran bin.
Ganz unabhängig davon, was ich von dem Beginn der Impf-Phase hier bei uns im Land halte und wie das neuerlich die Frage in mir aufwirft, ob wir eigentlich überhaupt noch irgendetwas richtig „können“, sage ich einfach: Ich warte, bis ich dran bin.
Recht hast du, und es würde ja auch nichts ändern, wenn wir uns jetzt in die Reihen der notorischen Nörgler einreihen. Dadurch würde nichts auf irgendeine wundersame Weise beschleuningt.
Es bricht manchmal so über mich herein, dass ich gar nicht anders kann, als etwas darüber zu schreiben. Ich hoffe mal, dass ich jetzt nicht doch anfange, mich in diese von dir genannte Reihe einzuordnen. 🙂 Wenn ich die Kritiker kritisiere, bin ich eigentlich ja auch ein Kritiker.