Früher ™ war der Außenminister der Bundesrepublik immer derjenige, der das Ranking der beliebtesten Politikerinnen und Politiker anführte. Zeitweise übrigens sogar als Westerwelle dieses Amt innehatte. Seit Wochen liegt Verteidigungsminister Pistorius (SPD) vorn und man fragt sich, wie das möglich ist.
Ein Blick auf die Statistik hilft. Die Deutschen finden die aktuelle Regierung nicht mehr so töfte, wie noch kurz nach den Wahlen, als diese Fortschrittsregierung ihre Arbeit aufnahm. Die dunklen Balken, also die kritische Sicht auf die sie tragenden Personen, überwiegen. Die Grünen kommen in einer neuen Umfrage auf weniger Stimmenanteile als die AfD. Überhaupt, die mit dem N….-Wort haben seit den letzten Wahlen ordentlich hinzugewonnen.
Nicht nur deutsche Regierungen tendieren erfahrungsgemäß dazu, die wichtigen und in der Öffentlichkeit kritisch gesehenen Vorhaben in den ersten Teil einer Legislaturperiode zu legen. So hat eine Regierung bessere Chancen, wenn es um eine etwaige Wiederwahl geht. Aber diese Fortschrittskoalition…
Die Vorhaben wurden im Koalitionsvertrag festgehalten. So auch übrigens die so krass kritisierte habecksche Heizungsgeschichte. Alle Bürger wissen, was dieser Regierung in den vergangenen ungefähr 1 1/2 Jahren dazwischen gekommen ist. Für eine Fortschrittskoalition ist das eine schwierige Zeit. Zumal in unserem Land den Leuten (Demografie) eher nicht der Sinn nach Veränderung steht. Lieber soll alles bleiben, wie es ist.
Das spielt den Rechten (einschließlich der AfD) in die Hände. Darüber, dass innerhalb der Koalition Spannungen aufgekommen sind, kann ich hinwegsehen. Das damit einhergehende Störfeuer der eigentlich doch eher links-grün tickenden Medien irritiert gewaltig. Vielleicht ist diese Irritation ein Hinweis darauf, dass unsere Medienlandschaft doch nicht ganz und gar linksversifft ist?
Gut, ich habe da ein anderes Gefühl. Die grüne Familiengeschichte um Habecks Staatssekretär Graichen und die Berichte war im Vergleich zu denen über Palmers letzte Fehltritte nicht ebenbürtig. Wenn einer wie Graichen, ein Unsympath vor dem Herrn, mit seinen Extrempositionen grüne Politik antreibt, ist das für viele Grund genug, die „Chance“ zu ergreifen und nicht lockerzulassen. Aber der Mann hat ja nach Habecks Aussage so viel Gutes bewirkt, dass ihm dieser kleine Malus wohl verrechnet wird. Oder deuten sich irgendwelche anderen Einsichten bei den Grünen an?
Lobbyisten in Ministerien zu holen, ist für viele Menschen fragwürdig. Dass der Einfluss dieser Menschen andererseits über alle Parteigrenzen hinweg besteht, ist allerdings auch unbestritten. Und auf EU-Ebene ist dieses Thema noch einmal anders – noch viel kritischer – zu betrachten.
Die Mediendiskussion, die alle paar Jahre mal eine andere Sau durchs Dorf treibt, kann ich dann an mir vorüber ziehen lassen.
Patrich Graichens Aussage zur Kritik an der deutschen Energiewende, die er als Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium managt.
Graichen bestreitet im Interview die medialen Aussagen zur weltweiten Entwicklung im Vergleich mit der deutschen Energiepolitik und begründet dies mit dem globalen Investitionsvolumen in erneuerbare Energien. Im selben Beitrag wird dieser Sichtweise vom Chef der internationalen Atomenergiebehörde (Rafael Grossi) widersprochen.
Natürlich argumentiert auch Graichen im Verlauf der Sendung damit, dass eventuelle Energiedefizite (Dunkelflaute) mit Gaskraft- und später mit Wasserstoff-Kraftwerken ausgeglichen werden. Wir kennen diese Argumente auch im Kontext der Heizungen. Wasserstoff-Ready sollen sie sein, damit die Wärmepumpe überhaupt energiepolitisch sinnvoll ist. Vom Gas will man schließlich weg. Dass überhaupt nicht klar ist, wie lange es von den grünen H2-Träumen bis zu ihrem alltagstauglichen Einsatz noch dauert, kann man diese Argumentation nur als Taschenspielertrick bezeichnen. Womöglich dauert es nicht Jahre, sondern Jahrzehnte bis diese Technik so einsatzfähig, bezahlbar ist und massentauglich wird.
Apropos bezahlbar. Die Sozialverträglichkeit ist durch das Regierungsvorhaben ein wichtiger Baustein. Für diesen deutschen Staat scheint es normal geworden zu sein, durch Beihilfen und Unterstützungsmaßnahmen Milliarden und Abermilliarden neue Schulden aufzubauen. Viele sind dafür dankbar, manche zucken bei jeder Milliarde, die statt dem Schuldenabbau beispielsweise vom Klimawandel schon jetzt krass betroffenen Ländern geschenkt werden. Die Leute, die das skeptisch sehen, werden ausgepfiffen, weil sich in diesem Land längst eine Mentalität entwickelt hat, die es als selbstverständlich betrachtet, dass der Staat mit Unterstützungsmaßnahmen einspringt.
Dass wir unsere Spielräume angesichts der veränderten Bedingungen (Zinsen) verlieren und die Mittel für die dringend nötigen Infrastrukturmaßnahmen in Wahrheit gar nicht mehr aufbringen können, zeigen die neuen Schulden, die inzwischen betrügerischer Weise als Sondervermögen in den allgemeinen Sprachgebrauch eingeführt wurden.
Lindner kann sich über staatliche Einnahmen von über einer Billion Euro im kommenden Jahr freuen. Dass von diesem irrsinnig hohen Betrag auch aufgrund der veränderten Zinslasten (auch für staatliche Aktivitäten), nichts übrig bleibt, könnte zu denken geben. Aber die Grünen wollen lieber weiter ihrem Gutmenschentum frönen. Dass unsere Regierung die Zusammenarbeit mit nicht genehmen Regimen auf den Prüfstand stellt, ist in manchen Teilen sicher richtig. Wenn wir jedoch aus „moralischen Gründen“ unsere Interessen vergessen, wird weder im Sinne der Erfinder internationaler Zusammenarbeit sein, noch im Interesse der Bürger. Von anderen naheliegenden Implikationen möchte ich erst gar nicht anfangen.
Mich überzeugt die Politik dieser Koalition längst nicht mehr. Ihre moralischen Hyperansprüche werden ihrem eigenen Handeln kaum mehr gerecht. Es passieren Fehler, die unsere (und die europäische) Position auf der Welt schwächen. Diese Schwächung werden wir – schätze ich – auch bald im eigenen Land wahrnehmen. Die Sorgen und Ängste vieler Menschen sind begründet und so ist der Grund für den Verlust an Zustimmung zur Arbeit dieser Regierung auch nicht das Ergebnis der Arbeit irgendwelcher reaktionären Pressefritzen, sondern die Unvermittelbarkeit des politischen Handelns in Berlin. Es ist nicht ausreichend, zu glauben, man wisse, dass man das ja alles sehr gut meint.
Das würde ich nicht unterschreiben wollen. Selbst Genscher war nicht unumstritten. Beliebtheit im Volk sagt allerdings auch nicht aus, ob derjenige einen guten Job macht. Das ist eher was für Royalisten. Da geht es um Ähnliches, wie jetzt bei der Krönung von Kalle.
Am Ehesten wird das wohl noch auf Schmidt und Brandt zutreffen können, wo Beliebtheit & so nicht unbedingt auseinanderliegen.
Gut, Ich habe Konni nicht genannt.
Das sind aber Zeiten, die man nicht vergleichen kann.
Ich würde mich nicht wundern, wenn Frau Bockbier beliebter ist, als viele im Netz so verkünden.
Ich hatte damals schon Prognosen bei Jung & Naiv im Kommentarbereich gewagt (eher als Satire), die dann auch noch von der Realität übertroffen wurden.
Ich fand da den Spruch, der Strauss zugeordnet wird, nicht schlecht: „Politiker sollen keine Vorbilder sein, sie sollen Feindbilder sein.“
Genscher habe ich verflucht und in ihm jahrelang eine schreckliche Person gesehen. Schließlich hat er mit dafür gesorgt, dass Kanzler Schmidt 1982 von Kohl ersetzt wurde. Trotzdem finde ich, hat er als Außenminister eine bessere Politik gemacht, als diese Frau Baerbock. Precht hat eigentlich recht pointiert ausgedrückt, was viele von ihr halten. Aber solche Kritik ist freilich immer tendenziös und vor allem antifeministisch. Wie sollte das in diesem Land anders sein?
Genscher war (bei mir jedenfalls) nicht beliebt. Trotzdem hielt ich ihn für einen guten Außenminister. Soweit ich überhaupt dazu in der Lage bin, das zu beurteilen. Er handelte im Wesentlichen im Interesse seines Landes – so meine Erinnerung an seine Zeit als Außenminister. Frau Baerbock nutzt das Amt als Bühne für ihre moralinsaure woke Scheiße.
Unabhängig davon, @Horst, wo ich eine andere Sicht habe, ein sehr gut geschriebener Kommentar zum aktuellen Tagesgeschehen. Da hast du echt was drauf!
Es wäre ja fatal, wenn wir nur das lesen, womit wir übereinstimmen. Diese Politik – dort hat sich so etwas etabliert – scheint mir nicht zukunftsfähig. Danke, dass du hier mitliest. Ich sehe mir fast täglich diesen Roger Köppel an. Du kennst ihn vielleicht? Es ist manchmal furchtbar, was der Mann erzählt. Aber darunter ist auch immer etwas Richtiges und oft Kluges. Aber solche differenzierte Betrachtung von Äußerungen sind heutzutage eher unerwünscht. Konfrontiert man damit die Leute, rümpfen sie leider mehrheitlich die Nase. Gar keine gute Entwicklung. Man verpasst richtige Gedanken, nur weil sie vom Falschen ausgesprochen werden. 🙁
Warum erinnert einen das Titelfoto nur so an Barschel?
Vielleicht hat die KI von Adobe da was gespeichert? 🙂