Standardbild
Standardbild

Volk und Vaterland oder Mutter, Vater, Kind?

stroke="currentColor" stroke-width="1.5" stroke-linejoin="round" stroke-linecap="round" /> Keine Kommentare

Als an Silvester 2016 auf der Kölner Domplatte Hunderte von sexu­el­len Übergriffen durch mehr­heit­lich marok­ka­ni­sche Asylsuchende ver­übt wur­den, gab es ent­setz­te und wüten­de Reaktionen. Neben der lau­ten Kritik an den staat­li­chen Ebenen (Politik, Medien, Polizei und Justiz), gab es Vorwürfe, die dort anwe­sen­den Begleiter, Freunde und Ehemänner hät­ten ihre Freundinnen und Frauen nicht „ver­tei­digt“.

Beschützer

Ich war nicht dabei. Deshalb woll­te ich mir die­sen Vorwurf nie zu eigen machen. Schließlich bin ich mein Leben lang jeder Gewalt aus dem Weg gegan­gen, auch wenn ich – abhän­gig von der jewei­li­gen Situation, im Nachhinein viel­leicht Gründe für den Einsatz kör­per­li­cher Gewalt gese­hen hätte.

Dass sich Wissenschaftler mit dem Phänomen beschäf­ti­gen, dass Sympathisanten der neu­en Rechten womög­lich durch ihre poli­ti­sche Konditionierung in die­ser Hinsicht viel­leicht anders ticken, ist in mei­nen Augen ein bemer­kens­wer­ter Ansatz. Sind Rechte nur ten­den­zi­ell gewalt­be­rei­ter oder ent­spre­chen sie auch in die­ser Hinsicht irgend­wel­chen gän­gi­gen Klischees? 

Gewaltmonopol

Öffnen wir die Perspektive und las­sen den auf­fäl­lig gewor­de­nen, gewalt­a­ffi­nen Asylsuchenden außen vor. 

Vielleicht haben sich eini­ge von euch ein­mal vor­ge­stellt, wie sich Deutsche im Vergleich zu den Ukrainern in einer sol­chen Bedrohungslage ver­hiel­ten. Ich hör­te in mich hin­ein und kam ohne Umweg zu dem Schluss, dass ich wahr­schein­lich so schnell wie mög­lich das Weite suchen wür­de. Angesichts der feh­len­den Erfahrung mit sol­chen Szenarien wird man mir die­sen „Fluchtinstinkt“ nicht ver­übeln – oder? 

Früher ™ nann­te man die­sen Instinkt: Desertation oder Feigheit vor dem Feind. Man wur­de, je nach Status, stand­recht­lich erschos­sen. Wer fiel zähl­te zu den Helden, die wohl jeder Krieg, unab­hän­gig von Zeit und Raum, her­vor­brach­te. Dass uns Deutschen sol­che „Werte“ gründ­lich abge­wöhnt wur­den, zäh­le ich zu den posi­ti­ven Erfahrungen mei­ner Lebenszeit.

Vaterland?

Daraus ent­steht aller­dings auch ein Verhalten, das womög­lich nicht allein mit feh­len­der Vaterlandsliebe zu tun hat. Kann man auf Feigheit trai­niert wer­den oder kraft eige­ner Wasserbrühe selbst zum Feigling mutie­ren? Vermutlich schon. Gewalt steht bei mei­ner Generation nicht hoch im Kurs, nimmt man die Sektierer à la Baader-​Meinhof und ande­ren radi­ka­li­sier­ten, poli­tisch moti­vier­ten Gewaltverbrecher aus.

Ich bin bei der Unterstützung der Ukrainer mit Geld und Waffen eher zurück­hal­tend. Das könn­te dar­an lie­gen, dass ich mir kaum vor­stel­len kann, dass Deutschland in einen Krieg ver­wi­ckelt wer­den könn­te. Wahrscheinlich geht es mir nicht anders, als vie­len Ukrainern, die sich das eben­falls nicht hät­ten vor­stel­len kön­nen. Dass Putin, wie er stän­dig wie­der­holt, die Faschisten in der Ukraine mit Feuer und Schwert bekämpft, spielt in die­sem Zusammenhang, so bekloppt sind sol­che Lügen schließ­lich, kei­ne Rolle. 

Altes Denken

Wir müs­sen uns eher dar­über Sorgen machen, dass Putin schon vor dem Krieg mit deut­li­chen Worten sei­ne impe­ria­lis­ti­schen feuch­ten Träume zu Papier gebracht und über sei­ne Ideen häu­fig öffent­lich schwa­dro­niert hat. 

Könnte die deut­sche Bevölkerung sich die Bedrohung real vor­stel­len, wür­de eine grö­ße­re Akzeptanz für die Bemühungen der deut­schen Bundesregierung exis­tie­ren. Das wür­den sich Politiker wie Kiesewetter (CDU) oder Strack-​Zimmermann (FDP) oder Roth (SPD) wün­schen. Im Fall der Ukrainer hat sich eine Kampf- und Opferbereitschaft ent­wi­ckelt, die ich mir für unser Land über­haupt nicht vor­stel­len kann. Einerseits emp­fin­de ich dafür höchs­ten Respekt. Ich bewun­de­re die Menschen dafür. Trotzdem kann ich mir das für mich wirk­lich nicht vorstellen.

Die Ukrainer kämp­fen, ver­mu­te ich, nicht haupt­säch­lich für ihr Land. Sie kämp­fen, wie das in einer so umfas­sen­den Bedrohungslage wahr­schein­lich meis­tens der Fall sein dürf­te, für ihre Kinder, Eltern und Freunde. Die Schilderungen von ver­schlepp­ten Kindern und ande­ren Gräueltaten, die von Russen began­gen wur­den, wer­den – bevor sie uns im Rest Europas errei­chen – ihre furcht­ba­re Wirkung auf die Ukrainer haben.

Hohe Verteidigungsbereitschaft der Ukrainer

So zu tun, als sei die­se hohe Verteidigungsbereitschaft der Ukrainer pri­mär des­halb vor­han­den, weil Demokratie und Freiheit ver­tei­digt wer­den müss­ten, scheint mir nicht glaub­haft. Ich bin über­zeugt, es geht mehr um den Schutz der eige­nen Leute. Wie das rus­si­sche Regime mit einem Volk umgeht, das im Krieg unter­le­gen ist, hat man nach den Kriegen (haupt­säch­lich im zwei­ten) gegen Tschetschenien gese­hen. Der Westen hat­te in der Zeit sei­nen eige­nen Krieg gegen den Terror. Wir sahen nicht rich­tig hin. Insofern hat­te Russlands Putin leich­tes Spiel. 

Um zum Anfang zurück­zu­kom­men: Ich den­ke, sich zu weh­ren gegen jede Form und Ausprägung von Gewalt, ist eine zutiefst mensch­li­che Reaktion, die völ­lig unab­hän­gig von einer poli­ti­schen Gesinnung exis­tiert. Es könn­te nur sein, dass die his­to­ri­schen und kul­tu­rel­len Voraussetzung in den Nationen ande­re Zeitspannen benö­ti­gen, bis tat­säch­lich eine ver­gleich­ba­re Wehrhaftigkeit ein­setzt, wie wir sie in der Ukraine sehen.


Entdecke mehr von Horst Schulte

Melde dich für ein Abonnement an, um die neu­es­ten Beiträge per E‑Mail zu erhalten.

Diesen Beitrag teilen:

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


🪁 Wir sind alle auf derselben Reise.

Entdecke mehr von Horst Schulte

Jetzt abonnieren, um weiterzulesen und auf das gesamte Archiv zuzugreifen.

Weiterlesen

Share to...
Your Mastodon Instance