Es ist schwierig, sich zum Konflikt zwischen der Hamas und Israels zu äußern. Zu leicht setzt man sich der Kritik aus, antisemitische Motive zu haben.
Wenn Juden sich darüber beklagen, dass die Empathie in Deutschland nach dem schrecklichen Überfall der Hamas zurückhaltend bis dünn war, so geht das vielleicht auch mit dieser Sorge einher. Persönlich hatte nicht den Eindruck, dass es an proisraelischen Äußerungen gefehlt hätte. Zugegebenermaßen hat mich beschäftigt, in welcher Weise manche unserer Gäste sich nach dem Massaker auf unseren Straßen eindeutig positioniert hat. Wobei das auf die andere Zuschreibung von typisch deutsch schließen lässt.
Lassen wir das alles mal beiseite und versuchen, eine möglichst sachliche Herangehensweise zu finden.
Seit Oktober vergangenen Jahres hat sich die Welt für viele Menschen in Israel und Gaza verändert. Vielleicht fühlte man sich bis dahin auch drangsaliert oder bedroht. Anfang Oktober passierte etwas, das das Selbstverständnis der Juden auf der ganzen Welt erschüttert hat. Inwieweit Präsident Netanjahu sich dafür noch verantworten muss und ob er, wie viele meinten, zeitnah sein Amt verliert, bleibt immer noch abzuwarten. Ein sicherer Rückzugsort für die Juden ist Israel seit diesem Verbrechen nicht mehr. Das wirkt vermutlich lange nach.
Tausende von Menschen sind dem Konflikt seither zum Opfer gefallen. Es scheint als normal empfunden zu werden, dass die Opferzahlen beider Seiten sich so krass voneinander unterscheiden. Anderseits müssen wir uns davor hüten, solche Vergleiche herzustellen. Das liegt übrigens nicht nur daran, dass Israels Sicherheit zur deutschen Staatsräson gehört. Hamas hat Israel zur Vergeltung genötigt. Das Völkerrecht deckt das Selbstverteidigungsrecht eines Landes bis zu einem nicht eindeutig definierten Punkt (Internationaler Gerichtshof in Den Haag – Klage Südafrikas) ab. Aber lassen wir geopolitische Aspekte einmal aus.
Einerseits stehe ich emotional auf der Seite Israels, andererseits sehe ich die Bilder aus Gaza. Wir kennen Bilder aus dem Krieg und die unterscheiden sich nicht so stark, dass ein Mensch sogar mit wenig Neigung zu ausgeprägtem Mitgefühl sich in das Leid hineinversetzen kann, dem die Betroffenen aller Seiten ausgesetzt sind. Wehe, es kommt hinzu, dass man für die eine oder andere Seite mehr Empathie aufbringt. Etwa, weil man persönlich die Schuldfrage schon geklärt hat.
Ich bleibe zerrissen und traure vor allem um die Kinder in Gaza, deren Schicksal in vielen Videos und Bildern dokumentiert ist. Abseits meiner Neigung zu sentimentalen Anwandlungen frage ich mich, wie all diese Wunden je wieder heilen sollen. Wie viel neuen Hass produziert ein so ungleicher Krieg?
Und damit bin ich auch beim momentanen Stand der Dinge in der Region, also der Rolle des UNRWA. Es ist von einem Skandal die Rede, weil nach neuesten Recherchen ca. 1.200 palästinensische Mitarbeiter der Unterstützung der Hamas beschuldigt werden. Die US-Zeitung „Wall Street Journal“ beruft sich auf Geheimdienstinformationen. Diese sollen also belegen, dass rund 10 % der Mitarbeiter des UNRWA die Hamas unterstützen.
Können sich Palästinenser angesichts der Lebensumstände, die in Gaza von Anfang an herrschten und für die die Hamas wahrscheinlich hauptverantwortlich ist, als neutrale Helfer für ihre „Landsleute“ begreifen oder ist nicht angesichts all dieses Elends eine Parteinahme naheliegend?
Ein israelisches Regierungsmitglied führte aus: „Die Institution als Ganzes ist ein Hort für die radikale Ideologie der Hamas.“ Es ist bekannt, dass der Gründungsmythos der Hamas die Vernichtung des Staates Israel ist. Dass die Hamas eine Terrororganisation ist, wird außer von Erdoğan oder ähnlichen Koryphäen nicht bestritten.
Kann es auch unterhalb der existierenden radikalen Ideologie von Terroristen Sympathie oder Unterstützung geben? Wenn es doch auch so ist, dass die Hamas alle Institutionen in Gaza dominiert, könnte es doch sein, dass eine Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern des UNRWA überhaupt nicht zu vermeiden war. Natürlich ist es etwas völlig anderes, wenn diese Mitarbeiter an den terroristischen Angriffen beteiligt waren. Sind diese Beweise (US-Geheimdienste und vermutlich des Mossad) stichhaltig oder werden hier in manipulativer Absicht politische Pflöcke eingeschlagen, um von all dem Schrecklichen in Gaza abzulenken? Ich bin kein Verschwörungstheoretiker und die Reaktionen vieler Regierungen (Suspendierung von Finanzmitteln) sprechen vielleicht gegen meine Sorge.
Von den zwölf UNRWA-Mitarbeitern, die an dem Überfall der Hamas am 7. Oktober beteiligt gewesen sein sollen, seien sieben Grund- oder Sekundarschullehrer, darunter zwei Mathematiklehrer, zwei Arabischlehrer und ein Grundschullehrer, berichtete die Zeitung.
Quelle
Wie ist es möglich, dass gebildete Menschen, noch dazu solche, die sich der Zukunft von Kindern und Jugendlichen verschrieben haben, an solchen unmenschlichen Verbrechen beteiligt haben?
Israel bekämpft die Terroristen mit allen Möglichkeiten und genau das ist sein Recht. Dass so viele Zivilisten bei diesem Feldzug getötet werden, fügt sich ein in ein schreckliches Szenarium, welches nach heutigem Stand jede Struktur in diesem hermetisch abgeriegelten Gefängnis vernichtete. Die Verantwortung für den Zustand Gazas hatte bis zum Krieg die Hamas. Sie wurde von den Palästinensern gewählt. Was sie dort angerichtet hat, war auch vor dem Krieg für viele sichtbar.
Der jetzige Krieg, den ich inzwischen als Rachefeldzug der Israels betrachte, hat eine Dimension, die eine völlig andere ist, als all die schrecklichen Auswirkungen von Kriegen, die zwischen zwei Nationen geführt werden. Hier ist unvermeidlich, dass unbeteiligte Zivilisten, die mit der Hamas nichts zu tun haben, getötet und verletzt werden. Aber die Menschen in Gaza hatten schon vor dem Krieg keine Zukunftsperspektiven. Leider entspricht das nicht meiner zynischen Sicht auf diesen Konflikt. Dafür, dass das so ist, haben andere gesorgt. Die Hamas fällt mir zuerst ein.
Die Zukunft der Menschen in Gaza scheint hinter ihnen zu liegen. Wenn der Westen nun noch die dringend benötigten Finanzmittel nachhaltig kürzt oder gar streicht, ist alles geregelt. Bisher sind die Zahlungen vorerst eingestellt. Da würde eine Migration großer Teile der Menschen in den Sinai, wenn Ägypten es denn zuließe, auch nicht helfen. Es ist so ausweglos und so ungerecht.
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