Freundschaft ist einer der kostbarsten, trotzdem oft übersehenen Bestandteile unseres Lebens. Sie ist ein Band, das nicht nur Glück, sondern auch Trost, Unterstützung und Verständnis spendet. Doch die Pflege von Freundschaften über ein ganzes Leben hinweg birgt ihre eigenen Herausforderungen und Schwierigkeiten, die in unserer modernen Gesellschaft noch einmal komplizierter geworden sind. Meine Mutter hat mir von Kindheit an gepredigt, man müsse sich um Freundschaften bemühen und vor allem, man müsse sie pflegen – ein Leben lang. Warum ich ihren Rat in den Wind geschlagen habe? Ich weiß es nicht. Für einen Ignoranten halte ich mich eigentlich nicht.
Das Alter und die Einsamkeit
Insbesondere die naturgemäß wachsende Einsamkeit im Alter wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung von langfristigen Freundschaften und die Notwendigkeit, sich aktiv um sie zu kümmern.
Zunächst einmal ist es wichtig, den Wert von Freundschaft zu würdigen. Freundschaften bieten nicht nur emotionale Unterstützung, sondern auch einen Raum für persönliches Wachstum und Entwicklung. Durch den Austausch von Ideen, Erfahrungen und Perspektiven helfen uns Freunde dabei, uns selbst besser zu verstehen und unsere Fähigkeiten zu erweitern. Sie sind unsere Verbündeten in den Höhen und Tiefen des Lebens, und ihre bloße Anwesenheit kann Trost spenden und Einsamkeit vertreiben. Selbst wenige telefonische Kontakte, falls es an der notwendigen Mobilität fehlt, können dabei eine Rolle spielen und die ansonsten von mir oft verfluchten sozialen Netzwerke ebenfalls.
Kontinuität der Freundschaft
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Kontinuität von Freundschaften über die Zeit. Während wir uns weiterentwickeln und unser Leben sich verändert, müssen wir aktiv daran arbeiten, die Verbindungen zu unseren Freunden aufrechtzuerhalten. Dies bedingt hauptsächlich regelmäßige Kommunikation, gegenseitige Unterstützung und die Bereitschaft, sich auf die Veränderungen im Leben des anderen einzustellen. Wenn Freunde wegziehen oder ihre Partnerschaften wechseln, sollte das eigentlich kein Grund dafür sein, die Pflege der Freundschaft „schleifen“ zu lassen. Obwohl ich mir dessen bewusst bin, ist mir genau das passiert. Die Kontaktfrequenz ist traurig niedrig. Doch in einer Welt, die von Hektik, Stress und digitaler Ablenkung geprägt ist, kann es eine Herausforderung sein, diese Kontinuität aufrechtzuerhalten.
Besonders im Alter, wenn die Mobilität abnimmt und soziale Kreise sich verkleinern, wird die Bedeutung von langfristigen Freundschaften deutlicher denn je.
Demografische Entwicklung
Die wachsende Einsamkeit im Alter ist ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem, das trotz der demografischen Entwicklung nicht unterschätzt werden sollte. Man weiß, dass einsame Menschen ein höheres Risiko für psychische und körperliche Gesundheitsprobleme haben, genauer gesagt Freundschaften eine wichtige Rolle dabei spielen können, dieses Risiko zu mindern.
Um die Herausforderungen der Pflege von Freundschaften über ein Leben hinweg zu bewältigen, ist es wichtig, bewusste Entscheidungen zu treffen und Prioritäten zu setzen. Zeit und Energie müssen investiert werden, um Beziehungen zu pflegen und zu vertiefen. Dies kann bedeuten, regelmäßige Treffen zu planen, gemeinsame Interessen zu kultivieren oder einfach nur zuzuhören und da zu sein, wenn ein Freund es braucht. Wir haben erlebt, wie sich ein Freund während seiner tödlichen Erkrankung immer mehr zurückgezogen hat. Ich hatte das Gefühl, er wolle möglichst in Ruhe gelassen werden. Ich hätte insistieren sollen, mich mehr bemühen müssen.
Offen sein
Ansonsten ist es wichtig, offen für neue Freundschaften zu bleiben und sich nicht ausschließlich auf alte Verbindungen zu verlassen. Das wird in meinem Alter allerdings immer schwerer. Mit 70 bin ich längst nicht mehr so neutral und offen für Menschen wie das früher der Fall gewesen ist.
Ich verstehe, dass neue Bekanntschaften frische Perspektiven und neue Lebensfreude bringen, und sie können eine Ergänzung zu bestehenden Freundschaften sein. Ich mache mir nichts vor, die „Einschläge“ werden häufiger und sind näher. Das ist eine beschissene Perspektive. Insofern wäre es umso wichtiger, offener zu sein, als ich es tatsächlich bin. Zum Glück habe ich meine Frau. Sie pflegt (ich würde meinen instinktiv) ihre Freundschaften und Bekanntschaften aktiv. Sie hat heute noch Kontakt zu Arbeitskolleginnen (oft geht ihre Verbindung über die eines Arbeitsverhältnisses hinaus), mit denen schon vor Jahrzehnten keine Verbindung über die tägliche Zusammenarbeit mehr existiert.
Ich habe nach all den Jahren nur mit exakt einem Ex-Kollegen einen guten, ja freundschaftlichen Kontakt. Dieser findet aufgrund der großen Distanz zwischen unseren Wohnorten allerdings nur digital statt. Immerhin reden wir jede Woche, manchmal sogar mehrmals miteinander.
Anspruchsvolles Unterfangen
Die Pflege von Freundschaften ist das ganze Leben hindurch eine lohnende, aber auch anspruchsvolle Aufgabe. Das werden die meisten von uns nicht anders sehen. Viele verlieren sich trotzdem und das ist schon fast tragisch.
Freundschaften erfordern eigenes Engagement, Geduld und die Bereitschaft, mit einer gewissen Ehrlichkeit auch durch Höhen und Tiefen zu gehen. Wenn ein guter alter Freund von mir sagt, ich solle mich doch mal melden, ist das eine traurige Ansage. Schließlich hat er es auch nicht getan.
Welche Erfahrungen habt ihr in eurem Leben mit dem Thema gemacht?
Weise Worte und so wahr. Ich bin auch jemand, der sich aufraffen muss. Im letzten Jahr habe ich einen Kumpel beim Sterben begleitet, das ist mir ziemlich schwer gefallen. Im Nachhinein bin ich sehr froh darüber. Ich denke, es ist oftmals die Bequemlichkeit, die der Pflege von Freundschaften entgegensteht. Hilfreich sind regelmäßige festgelegte Treffen, z.B. zum Kegeln einmal im Monat. Wir haben so unseren Freundeskreis seit über 40 Jahren kultiviert.
@Peter, wie du, habe auch ich vor ca. 5 Jahren einen sehr guten Bekannten in seinen letzten Tagen begleitet. Das es ein guter Freund für mich war, habe ich erst 1-2 Jahre später kapiert. Für den Verstorbenen ist das längst unerheblich. Allerdings, für mich ist es wichtig, und,- das mag jetzt etwas pathetisch klingen, verbindet uns über den Tod hinaus.
Wie Freundschaften zu pflegen sind, @Horst, darüber denke ich auch oft nach und habe für mich bisher keinen Kurs dazu finden können. Ich muss jedenfalls sagen, dass mir ungeplanten Treffen mit wildfremden Menschen in nachhaltiger Erinnerungen geblieben sind, als manche Pflichtübungen zur Aufrechterhaltung alter Freundschaften. Aber,sowohl das eine wie auch das andere mag wichtig sein um deinem Gedanken zu begegnen:
„Die wachsende Einsamkeit im Alter ist ein ernsthaftes gesellschaftliches Problem“ – solange man es kann.
@Peter Lohren: Die Bequemlichkeit spielt vermutlich eine große Rolle.
@Menachem Welcland: Wer denkt schon in jungen und mittleren Jahren daran, dass die Investitionen in Freundschaften sich später amortisieren könnten. 🙂
Bei mir ist es so, dass die Freundschaften, die in jungen Jahren entstanden sind, bis heute halten, wenn beide Seiten sie gepflegt haben. Freundschaften, die später entstehen, gehen oft wieder auseinander. Meistens ganz leise, weil sich Lebensumstände ändern und das Fundament der Freundschaft doch nicht so fest war wie gedacht. Das ist traurig, aber es ist wohl so, dass man manche Menschen nur ein Teil des Weges begleitet. Ich bin auch ehrlich: Je älter ich werde, desto mehr schaue ich, mit wem ich Zeit verbringe.
Nachdenkliche Grüße !
@Britta Langhoff: Ja, die richtigen Freunde stammen eigentlich auch in meinem Fall aus der Kindheit und Jugend. Später fällt es schwerer, neue Freundschaften zu schließen. Man ist nicht mehr so offen und das wirkt sich leider aus.