
Zweifel an der Demokratie wird es während der vielen Jahrzehnte seit dem Ende des 2. Weltkrieges immer wieder einmal gegeben haben. So schlimm wie heute war es noch nie. Ich möchte aber nicht behaupten, dass das immer an “den” Politikern oder bestimmten Parteien lag.
Einerseits würde ein demokratisches System ohne sie gar nicht funktionieren und andererseits haben wir immerhin regelmäßig ein Mitspracherecht. Auch in Abwägung des Für und Wider wäre die Einführung plebiszitärer Elemente in unsere Tagespolitik seit Längerem wünschenswert. Ich glaube daran, dass diese die Akzeptanz und Geschwindigkeit demokratischer Prozesse und Entscheidungen erhöhen könnten. Die Schweiz fährt mit direkter Demokratie gut und ich sage das, obwohl ich natürlich weiß, dass die SVP dort seit Jahren die stärkste Partei ist.
Eigenbeteiligung an Politik
Alle Mandate werden nicht über die Landeslisten vergeben, es gab bei den Bundestagswahlen 2021 299 Direktmandate. Die Wählerinnen und Wähler haben die Kandidaten also direkt in den Bundestag gewählt. Das sind immerhin 40 % aller Abgeordneten. Die übrigen 60 % werden über die Landeslisten, also nach Entscheidungen der politischen Parteien in den Bundestag entsandt.
Ich glaube, viele sehen in unserer repräsentativen Demokratie mehr Kritikwürdiges als Geschätztes. Dazu hat die Behandlung von Bevölkerungsteilen während der Corona-Pandemie beigetragen und die Migrationspolitik der Merkel – Regierung, die von der Ampel im Prinzip weitergeführt wird. Statt herumzumaulen und dem System anhand übernommener, sattsam bekannter populistischer AfD-Positionen schließlich sogar die Legitimität abzusprechen, könnte man Fehlentwicklungen, die man so scharf beobachtet haben will oder die Folgen sogar persönlich erlitten hat, auch anders begegnen.
Engagement
Jeder kann sich politisch engagieren. Nur tun das immer weniger. Politik ist ein dreckiges Geschäft. Wie oft habe ich diesen Satz in den vergangenen Jahrzehnten wohl schon gehört. Auch mein Vater sprach bisweilen davon.
Wir alle können uns beteiligen, ein Eintritt in eine der politischen Parteien ist nicht erforderlich. Die meisten, die dies allerdings vorhaben oder getan haben, werden sich einer der etablierten Parteien anschließen. Dass dieses Engagement stark rückläufig ist, ist einerseits bedenklich, andererseits dem schlechten Image der Politik geschuldet. Hinzu kommen zunehmend Angriffe auf Politiker aller Ebenen und Parteien. Es ist schlicht erbärmlich, wie manche Bürger mit verbalen Entgleisungen auf die Präsenz von Politikern reagiert haben. Mit Opposition oder einem wahrgenommenem Demonstrationsrecht hat das für mich wenig zu tun.
Empörung als zerstörendes Element der Demokratie
Vielleicht setzen die Medien den Fokus zu stark auf die Berichterstattung über solche Ereignisse. Mich nervt, wie selten dies in und von den Medien selbst hinterfragt wird. Viele Leute dürfte die parteiübergreifende Empörung als Ermunterung zum “Nacheifern” auffassen.
Wenn Politiker*innen angegriffen werden, ist sofort Feuer unterm Dach! Das ist einerseits richtig. Aber wie steht es um die Wirkung, die von Übertreibungen der Art der sensationsgierigen Berichterstattung erfahrungsgemäß ausgeht? Mich erinnert diese Frage an die zeitlich zwar ebenso krass begrenzten, gleichwohl jedoch ebenso ausufernden Reaktionen von Medien, Politik und Öffentlichkeit auf gewalttätige und mitunter tödlich endende Angriffe von Ausländern auf Bürger*innen im Land. Wenn der Zusammenhang im ersten Fall kritisch zu sehen sind, gilt das hier auch. Wir wissen, dass manche Ereignisse von interessierter Seite (Medien und Parteien wie AfD, BSW und Union) sehr absichtsvoll hochgejazzt werden. Warum fallen wir auf die herein, obwohl wir vermutlich doch spüren, welche Absichten da verfolgt werden?
Ich finde immer noch, dass ich mich zu stark beeinflussen lasse. Mir fehlt – ich kann es nicht verhehlen – ein starker Staat. Einer, dessen Vertreter (Faeser) nicht nur Sprüche nach furchtbaren Ereignissen von sich geben, aber dann, trotz anderslautender Zusagen, doch keine Veränderung der Zustände herbeiführen. Ja, mir ist klar, dass Maßnahmen dieser Art mitunter längerfristige Prozesse darstellen. Aber die Bürgerinnen und Bürger im Land erkennen keine Fortschritte, stattdessen “hilft” die politische Extreme dabei, die Erinnerungen wachzuhalten und jede weitere Tat aufzublasen, als sei die Übernahme des Landes durch ausländische Gewalttäter in vollem Gange. Sie nutzen dazu die asozialen Medien leider sehr effizient. Es gibt so viele Memes, die, obwohl längst als Fake News entlarvt, immer noch geteilt und kommentiert werden.
Vorhaltungen und Misstrauen
Es gibt diese Zuschreibung an die Adresse DER Politiker*innen, diese vielfach beklagte Diskrepanz zwischen Worten und Taten. Der Begriff Lüge ist ein gern verwendetes Synonym. Ich fürchte, es war nie anders. Politiker erzählen den Bürgern etwas und die können es glauben oder nicht.
Wenn die AfD (wie Weidel beim Parteitag in Essen) wieder einmal vom Kontrollverlust faselt, wird es ganz viel Zustimmung in unserer Bevölkerung geben. Jedenfalls glaube ich diese Zustimmung zu fühlen… Vielleicht ist das so, weil ich immer noch die asozialen Medien verfolge und einschlägige Texte lese. Und Markus Lanz ist auch nicht in der Lage, mich diesbezüglich zu beruhigen. Wenn ich mich streite, sind es meistens die Themen, die auch hier immer wieder vorkommen. Migration, Migration und noch einmal Migration. Man könnte glauben, ich wäre bei der AfD oder dem BSW gut aufgehoben. Dabei will ich eigentlich nur meine Ruhe.
Ich wünsche mir einen Staat, der nicht von jedem sich berufen fühlenden Journalisten im In- und Ausland als gescheiterter Staat bezichtigt wird.
Gewaltmonopol des Staates bewahren
Ich möchte, dass der Staat das demokratisch verbriefte Gewaltmonopol wahrnimmt und dafür sorgt, dass die Bürger nicht aus Angst vor dem bösen Ausländer auf Nichtkameraüberwachten, dunklen Straßen us-amerikanische Selbstbewaffnungsfantasien entwickeln. Deutschland hat vieles Schleifen lassen. Das Schlimmste daran ist, finde ich, dass das Geld, das beispielsweise nicht in unsere Infrastruktur gesteckt wurde, auf durchaus direkte Weise Bürger*innen (Sozialstaatsaufbau) zugutegekommen ist. Ja, auch die Rente mit 63 gehört dazu. Ich weiß.
Dass Deutschland Millionen von Menschen aus den öffentlichen Haushalten unterstützt und diese von Sozialleistungen profitieren, obwohl sie in ihrem Leben nie in unsere Sozialsysteme eingezahlt haben, hat sich zu einem Problem entwickelt. Dieser Staat kann inzwischen seinen Verpflichtungen nicht mehr nachkommen (Schuldenbremse). Wir sind gespannt darauf, wie der Haushalt 2025 aussieht oder ob die Ampel dieses Projekt überhaupt abschließen wird.
Welche makroökonomischen Effekte hätte eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben für die stotternde deutsche Wirtschaft? Kann die wachstumsschwache deutsche Wirtschaft die zusätzlichen Kosten verkraften? Immerhin ist die deutsche Wirtschaft seit 2019 nicht mehr gewachsen, und der Abstand zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten wird ständig größer. Eine deutliche Erhöhung der Verteidigungsausgaben – vor allem wenn sie durch die Ausgabe von Anleihen finanziert wird – würde der deutschen Wirtschaft einen dringend benötigten Konjunkturschub geben. Die Multiplikatoreffekte von Verteidigungsinvestitionen wurden von der Ökonomin Valerie Ramey von der Hoover Institution nachgewiesen.
Quelle
Ein interessanter Beitrag “Deutschland hat den Schuss nicht gehört” in der FAZ ($) befasst sich damit, dass Deutschland aufrüsten muss. Aufrüsten?! Das ist doch. Ja, wie gut stehen wohl die Chancen, ausgerechnet in unserem Land, für dieses Ansinnen breite Unterstützung zu finden? Die beiden Historiker, die den Artikel verfasst haben, vergleichen die Anteile unseres Verteidigungsetats am BIP mit früheren Zeiten. Nun weiß man um die Friedensdividende, die nach 1989 reichlich eingestrichen wurde und die Mentalität der Deutschen wurde vermutlich durch die sich damals so grundlegend veränderte geopolitische Lage massiv befördert. Umso schwerer ist es, sich davon zu verabschieden. Mit unseren unter 2 %, die wir jetzt gerade einmal erreichen, kommen wir angesichts der Bedrohung durch Putins Russland nicht wirklich gut voran.
Aufrüsten zum Wohle des Landes?
Niall Ferguson, Senior Fellow an der Hoover Institution der Universität Stanford und Moritz Schularick, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft in Kiel (IfW), empfehlen, den Militärhaushalt als Element eines “benötigten Konjunkturschubes” zu verstehen. Sie kommen zum Schluss: Deutschland muss aufrüsten.
Uns fehlen, fürchte ich, andere Dinge, die die USA aber auszeichnen und mit denen wir (in ganz Europa nicht!) konkurrieren können. Die Einbrüche der Industrie haben die Amerikaner hinnehmen müssen, dafür entstand allerdings eine mächtige Big Tech Industrie, quasi allesamt Monopolisten. Diese Unternehmen verfügen über Finanzmittel, mit denen ganze Nationen ihren Jahreshaushalt bestreiten könnten. Wir (Deutschland) haben auf diesem Gebiet, trotz anderslautender Bekundungen (KI-Technik) nichts zu bieten und das wird sich, fürchte ich, nicht ändern. Dafür sind wir bei den Regierungsmaßnahmen auf EU-Ebene Gott sei Dank ganz vorn dabei.
Was bringt uns die EU?
Vielleicht entwickeln sich an unseren Universitäten zarte Pflänzchen des Fortschritts. Manchmal bekommt man etwas davon mit und hofft darauf. Aber mehr als Hoffnung ist es nicht!
Seit 1957 hat die Europäische Union Großartiges für die Menschen in der EU und die ganze Welt erreicht:
CHARTA DER GRUNDRECHTE DER EUROPÄISCHEN UNION
- Wir leben auf einem friedlichen Kontinent.
- EU-Bürger/innen haben die Freiheit, überall in der EU zu leben, zu studieren und zu arbeiten.
- Die EU ist der größte Binnenmarkt der Welt.
- Die EU leistet Unterstützung und Entwicklungshilfe für Millionen von Menschen weltweit.
Quelle
Die Europäer und wir Deutsche brauchen die EU. Und zwar längst nicht nur als Wirtschaftsraum, wie die Rechten und EU-Gegner das zum Teil lieber hätten. Vor allem deshalb, weil die geopolitische Bedeutung dieses Raumes mit seinen 450 Millionen Einwohnern im aktuellen und künftigen Wettbewerb um Produkte und Märkte seine Menschen nicht bloß vor der ökonomischen Bedeutungslosigkeit bewahren wird. Die EU ist nicht nur als Friedensprojekt zu wertvoll, um das daraus zu machen, was die politische Rechte möchte.
Alles gerät ins Rutschen
Gabor Steingart hat heute mal wieder einen seiner Untergangsartikel (BASF ist nur der Anfang: Unser Abstieg ist das Ergebnis einer toxischen Agenda) geschrieben, den man sich nicht unbedingt geben muss. Er schließt in seinen Abgesang auf Deutschland als Industrienation dieses Mal auch die EU mit ein. Mal wieder hat der Mann ein Buch (ein seiner Ansicht nach sehr empfehlenswertes) gelesen und benennt den Autor (Ruchir Sharma) als Zeugen seiner düsteren Fantasien. An Punkt 1 seiner Untergangsagenda sieht er die Bekämpfung des Klimawandels. Damit ist er voll auf Linie, denke ich. Für Steingart sind grüne Einflüsse (Kampf gg. den Klimawandel, Transformation der Wirtschaft) entscheidend für unsere wirtschaftlichen Probleme. Mir fielen da allerdings doch noch eine Reihe anderer Punkte ein. Ich gebe zu, auch die werden von Steingart zum Teil genannt.
Vielleicht ist es vielen egal, was aus der EU wird. Allein das Abschneiden der AfD und der anderen Rechtsparteien auf EU-Ebene zeigen, dass viele Menschen mit dieser EU wenig anzufangen wissen. Während die Brexiteers (man muss es immer noch einmal sagen!) bei den Wahlen in Großbritannien wohl eine Quittung für ihre dramatischen Lügen erhalten werden und die FIS in Polen erst einmal nicht mehr die Regierung stellt, arbeiten sich die Rechten in anderen Ländern nach vorn. Frankreich ist das jüngste Beispiel. Ich kann offen gesagt nicht sehen, dass Macron sich bei der Verkündung von Neuwahlen der Nationalversammlung “verzockt” hätte. So kommentiere man das in deutschen Medien. Er musste meiner Meinung nach auf die verheerende Niederlage bei den EU-Wahlen reagieren. Hätte er es nicht gemacht, wäre das Geschrei darüber immer noch laut zu hören. Leider ändert all das nichts an den Tatsachen.
Die Rechten sind stark geworden. Zum Glück weniger als erwartet.
Die Rechtsextremen werden in Frankreich die Tagespolitik bestimmen. Von Macrons liberaler Agenda wird vermutlich nichts bleiben. Es schließt sich der Kreis. Obwohl die Regierung nach Ansicht vieler Journalisten für Frankreich einiges erreicht hat, schlug das bei den Wahlen nicht positiv zu Buche. Auch dort haben die Symptome der Überforderung durch die Auswirkungen der Migration jetzt ihren Preis. Das hätte man vielleicht vermeiden können, wenn – wie ich es vorhin für Deutschland definiert habe -, mehr direkte Demokratie gewagt worden wäre. Die Politiker wären hierdurch auch dort schneller und intensiver unter Handlungsdruck gesetzt worden. Ich verweise diesbezüglich erneut auf die Schweiz (SVP). Dort ging es nicht um die Auswirkungen einer Ausgrenzungspolitik, sondern um das Signal. Aber klar, das muss man nicht mögen. Zumal man Probleme ja aussitzen kann.
Mehr direkte Demokratie – Mehr Demokratie wagen!
Wer mag es, wenn die Straße mitregiert? Ich bin überzeugt, die AfD-Wahlergebnisse im Osten und manchen West-Bereichen hätten nicht diesen Grad von Zumutung erreicht. Ich höre Grüne und Linke schon wieder zetern, die, soweit ich es verstanden habe, wohl nicht für mehr direkte Demokratie eintreten. Gut, die anderen machen es ja auch nicht.