Nach dem von den Rechts- und Linksextremen gewonnenen Misstrauensvotum gegen Premier Michel Barnier werden die Franzosen um Neuwahlen nicht herumkommen, obwohl jeder weiß, dass das Ergebnis nicht viel anders wird als beim letzten Mal.
Renten rauf, Flüchtlingshilfe runter half auch nicht
Barnier war dem Wunsch der Rechtsextremen gefolgt und hatte die Renten erhöht und die Flüchtlingshilfen gekürzt. Es hat nicht „geholfen“. Vielleicht ist das Scheitern nach nur 90 Tagen als französischer Regierungschef ein Teil dessen, was auch uns unter der Überschrift Disruption (s. Lindner, FDP) bevorstehen könnte. Die FDP unter Lindner hat sich das erlaubt, was wir der AfD gern vorhalten: demokratieschädigendes Verhalten!
Journalisten und Touristen lost in Paris
Was in diesem Kontext wohl der Hinweis der Zeit-Autorin bedeuten soll:
Nun wird Frankreich erneut ohne Regierung dastehen, wenn Hunderte Journalistinnen und Tausende Touristen nach Paris reisen, um die Wiedereröffnung von Notre-Dame, einer der meistbesuchten Kathedralen der Welt, zu bewundern.
So wichtig sind also Journalisten! Solche Leute halten sich (und natürlich die Touristen) für so wichtig, dass der Verlust einer Regierung in einem der wichtigsten Länder der EU beinahe zur Randnotiz wird.
Ähnliche Beliebtheitswerte bei Macron und Scholz
62 % der Franzosen plädieren dafür, dass Macron zurücktritt. Eigentlich sollten sich Scholz und der französische Präsident bestens verstehen. Beide werden von ihren Landsleuten wenig geschätzt. Für Scholz ist es jetzt leider zu spät, sich endlich um eine wirksame und vor allem gemeinsame Politik mit Macron zu bemühen.
Alternative Lösungen
Welchen Vorschlag Macron hinsichtlich eines neuen Regierungschefs machen wird, ist völlig offen. Wenn man überlegt, wie lange es bedauert hat, bis Barnier endlich gefunden und überredet war, stehen Frankreich nicht allzu viele Optionen offen:
- Ernennung eines neuen Premierministers: Macron könnte eine Persönlichkeit wie den früheren Innenminister Bernard Cazeneuve oder eine andere politische Figur nominieren. Jede neue Regierung würde jedoch angesichts der fragmentierten Parlamentsmehrheit Schwierigkeiten haben, stabile Unterstützung zu finden
- Expertenregierung: Eine technokratische Regierung könnte eingesetzt werden, um kurzfristig Stabilität zu gewährleisten. Diese hätte jedoch ebenfalls keinen Rückhalt im Parlament und könnte nur begrenzt agieren
- Neuwahlen: Eine Auflösung des Parlaments und vorgezogene Neuwahlen wären eine Option, könnten aber frühestens Mitte 2025 stattfinden. Dies könnte die bestehende politische Sackgasse auflösen, birgt jedoch das Risiko, dass populistische Parteien wie der Rassemblement National (RN) profitieren
- Präsidentielle Initiativen: Macron könnte versuchen, seine verbleibende Amtszeit bis 2027 für präsidiale Reformen zu nutzen, um seine politischen Prioritäten durch Dekrete oder andere Mittel voranzutreiben, falls die Zusammenarbeit mit dem Parlament scheitert
Wie wirkt sich all das auf den Euro aus und seine Stabilität?
Ich fürchte, dass zu den offensichtlichsten Risiken der innenpolitischen Krisen Deutschlands und Frankreichs auch die Destabilisierung des Euro zählt. Das Gefühl der Unsicherheit, mit unbestimmtem „Ausgang“ (falls es diesen gibt), wird uns noch eine Weile beschäftigen.
Dass die Unsicherheit, die im Wesentlichen die innenpolitischen Zustände in beiden Ländern erzeugt, von der nächsten US-Präsidentschaft maßgeblich beeinflusst wird, wird ebenfalls noch eine ganze Zeit andauern.
Die Verschuldung Frankreichs ist gewaltig. Finanzelle Spielräume sind nicht vorhanden. Die Rechts- und Linkspopulisten ficht dies nicht an. Das erkennt man unschwer an den Forderungen, die von beiden Lagern letztlich erfolgreich an Barnies Regierung gestellt worden sind. Renten rauf, Flüchtlingshilfe runter. So oder ähnlich werden die Forderungen von AfD und BSW klingen, wenn der nächste Bundestag steht. Die Leute haben kein Einsehen, wenngleich diese Rezepte, jedenfalls für alle mit Hirn, so einfach nachgekocht werden können.
Frankreich hat 3,2 Billionen EUR Schulden, wir liegen bei ca. 2,7 Billionen (auch nicht schlecht). Zum Glück ist die Schuldenquote allerdings (noch) ziemlich günstig (63,6% vs. 109,5% des BIP). Nicht ohne Grund ist Deutschland bisher noch Tripple A Inhaber (Ratingagentur Standard and Poor’s). Es gibt weltweit nur 11 Länder, die diese Klassifizierung haben, Frankreich und die USA zählen nicht zu diesem erlauchten Kreis. Es fragt sich aber, wie lange dies noch so bleiben wird. Schließlich bin ich davon überzeugt, dass Merz erste Lüge die ist, dass nach seiner Amtsübernahme die Schuldenbremse modifiziert wird, egal, was er heute dazu sagt.
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