Gesellschaft

Trauer, Solidarität, aufsteigende Wut treffen auf die Kraft des Zusammenhalts

Ein Gewaltakt in München erschüttert die Stadt. Die Debatte über Ursachen, Verallgemeinerungen und politische Verantwortung flammt erneut auf.

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von Horst Schulte

6 Min. Lesezeit

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Gestern Abend lag ein dunkler Schatten über München. Erneut wurde eine Stadtgemeinschaft von einer schrecklichen Terrortat erschüttert. Wieder einmal müssen wir uns mit der Nachricht eines Gewaltakts auseinandersetzen, die Familien traf, Gemeinschaften erschütterte und eine ganze Stadt in Atem hält.

In solchen Momenten scheinen manche Worte unzureichend, doch sie sind notwendig: In München betrauern wir Verletzte, ihre Angehörigen, ja alle, die von dieser Tat betroffen sind. Wir dürften nicht in Schweigen verharren. Viele tun das, weil das nicht sein soll, was nicht sein darf. Wir müssen über das reden, was solche Ereignisse in uns auslösen – und wie tiefgreifend sie unsere Gesellschaft zum Schlechten verändern.

Eine Reihe schmerzhafter Erinnerungen

Der Terror von München reiht sich leider ein in eine Serie von Gewalttaten, die Deutschland in diesen ohnehin wahnsinnigen Zeiten erschüttern. Er bringt große Teile unserer Gesellschaft gegen Menschen auf, die hier Schutz vor Verfolgung fanden und die nichts mit derartig verdrehten und verbrecherischen Taten im Sinn haben. Die Täter jedoch tun dies in unserem Land auf eine besonders infame, menschenverachtende Art und Weise. Sie dürfen andererseits sicher sein, dass ihre Untaten in anderen Teilen der Welt auf Beifall stoßen. So ist sie und vielleicht war sie immer so, unsere Welt.

Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg, München

Jeder dieser Terrorakte prägt seine eigene, schmerzhafte Geschichte. Sie vergrößern die lange existierende, aber so vielleicht bisher nicht empfundene Kluft zwischen Einheimischen, gut integrierten Migranten und auf der anderen Seite von Menschen mit Migrationshintergrund, die keinen Zugang suchen oder finden. Obwohl sie schon Jahre und Jahrzehnte in Deutschland leben, haben sie sich aus Gründen, die nicht nur von ihnen zu verantworten sind, unserer Kultur und Lebensart nicht in einer Weise geöffnet. Sie leben in einer Parallelwelt. Vor allem, weil sie und ihre Lebensumstände uns häufig genug nicht interessieren. Dass dieser Umstand seit Jahr und Tag kritisiert wird, hat daran nichts zu ändern vermocht.

Untersuchungen zufolge seien viele Attentäter – anders als in Solingen – mittlerweile sehr jung. Von den seit Oktober 2023 festgenommenen Terrorverdächtigen seien zwei Drittel Teenager gewesen, sagte Neumann. Das sei ein anderes Phänomen als noch vor zehn oder zwanzig Jahren.

Quelle

Jeder dieser Terroranschläge ist einzigartig – in den Tätern, den Opfern, den Hintergründen. Doch gemeinsam stehen sie für eine Wahrheit: Gewalt kennt keine Herkunft. Sie entstehen aus Hass, Radikalisierung oder Verzweiflung, nicht aus einer Nationalität oder Religion. Dass wir uns in unserer Wut nicht zu Verallgemeinerungen hinreißen lassen sollten, wird jedem Menschen einleuchten, nachdem er etwas nachgedacht hat.

Herkunft

Peter Neumann (King’s College) hat als Terrorexperte eine Studie veröffentlicht (Quelle: Michael Bröcker bei »Markus Lanz«), die Aufschluss über die Häufigkeit auffälliger Dschihadisten im Zuge der Migration gibt. Der Prozentwert liegt demnach unterhalb von 0 Komma-Prozent. Andererseits war ein signifikanter Teil der Täter dem Bereich Flucht und Asyl zuzuordnen. Dass es sich vorwiegend um junge Männer handelte, hat mich nicht überrascht. Die Gesellschaft pflegte die Ignoranz. Ein Resultat dieser Ignoranz ist die Selbstradikalisierung von Tätern. Die Perspektivlosigkeit und sicher auch die schier endlose freie Zeit, das Gefühl des Nichtgebrauchtwerdens oder des Unerwünschtseins können Menschen offenbar zu asozialen Wesen werden lassen. Mir scheint, dass das keiner hören will.

Patentrezepte

Alice Weidel: »Mit der AfD in der Regierung würde so etwas gar nicht passieren« – Es ist verblüffend und irritierend zugleich, dass es offenbar viele Menschen gibt, die dieser Repräsentantin des Bösen das abkaufen. Ja, es muss sich etwas ändern. Aber doch nicht mithilfe solcher Leute!

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Die Gefahr der Verallgemeinerung: Wenn Angst zu Vorurteilen wird

In der ersten Schockwelle nach solchen Taten ist die Versuchung groß, einfache Antworten zu suchen. Doch genau hier lauert eine Gefahr, die fast noch zerstörerischer ist als die Gewalt selbst: die Verallgemeinerung. Ein Einzeltäter wird zum „Beweis“ gegen ganze Gruppen stilisiert. Migranten, Geflüchtete oder religiöse Minderheiten werden pauschal unter Verdacht gestellt – obwohl die Mehrheit dieser Menschen nichts sehnlicher wünscht, als in Frieden zu leben.

Gewalt ist, außerhalb eines Krieges, immer ein individueller Akt. Sie spiegelt weder eine Kultur wider, noch entschuldigt sie rassistische Vorurteile. Oder glaubt jemand, dass die Mütter und Väter der Täter diesen nicht beigebracht hätten, was richtig/falsch oder gut und böse ist? Wenn wir aber zulassen, dass Angst unsere Empathie verdrängt, spielen wir genau den Kräften in die Hände, die Spaltung säen!

Versagt der Rechtsstaat? Defizite bei der Umsetzung von Maßnahmen

Doch neben der gesellschaftlichen Verantwortung gibt es auch eine politische und juristische Dimension. Immer wieder zeigen Untersuchungen nach Anschlägen: Viele Täter waren den Behörden bereits bekannt. Radikalisierte Personen wurden nicht ausreichend überwacht, Drohungen nicht ernst genommen, Urteile zu lasch vollzogen. Dieses Versagen trifft alle Seiten: Ob bei rechtsextremen Netzwerken, die trotz Gewaltfantasien nicht zerschlagen werden, oder bei Einzeltätern mit Migrationshintergrund, deren Gefährlichkeit unterschätzt wurde.

Hier braucht es keine Symbolpolitik, sondern konsequente Reformen: bessere Vernetzung von Sicherheitsbehörden, eine sensiblere Risikobewertung und eine Justiz, die klare Signale setzt – ohne dabei Grundrechte zu opfern. Vor allem aber müssen wir aufhören, Sicherheit als Gegensatz zu Menschlichkeit zu begreifen.

Ein Plädoyer für Zusammenhalt

Es geht nicht um „wir“ und „sie“ an Tagen wie diesen. Wir alle sind betroffen.

Hüten wir uns davor, den Schmerz in Wut zu verwandeln, sondern versuchen wir, etwas zu finden, das stärker ist als alle Gewalt: das Mitgefühl. Schauen wir hin, bevor Menschen zu Radikalen werden – in welchen Echokammern des Hasses auch immer. Auch wenn Minderheiten pauschal beschuldigt werden, lasst uns laut sein. Es geht nicht um „wir“ und „sie“ an Tagen wie diesen. Wir alle sind betroffen. Hüten wir uns davor, den Schmerz in Wut zu verwandeln, sondern versuchen wir, etwas zu finden, das stärker ist als alle Gewalt: das Mitgefühl. Schauen wir hin, bevor Menschen zu Radikalen werden – in welchen Echokammern des Hasses auch immer. Auch wenn Minderheiten pauschal beschuldigt werden, lasst uns laut sein.

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Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

alleiniger Autor dieses Blogs

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Ich kann die Leute nicht ändern, aber meinen Blick auf sie.

Artikelinformationen:

Gesellschaft

Gesellschaft, Gewalt, Terror

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