Es ist Mitte der Woche, später Vormittag. Der Himmel ist klar, fast wolkenlos, ein stiller, blauer Hintergrund für das, was sich da draußen gerade verändert. Ich bin unterwegs in unserem Teil des rheinischen Reviers, dort, wo früher Bagger ihre Spuren gezogen haben und jetzt Wälder (besser gesagt: Waldstreifen) existieren und sich zum Glück sichtbar ausbreiten.
Fünf Kilometer sind es ungefähr. Kein festes Ziel, einfach der Wunsch, draußen zu sein. Der Frühling ist da – mitunter noch etwas kühl, aber trotzdem unübersehbar. Erste Blüten leuchten durch die Büsche, zartrosa und weiß. Eine Magnolie stand da, in einem Vorgarten, als hätte sie sich genau diesen Tag ausgesucht, um ihre ganze Pracht zu zeigen. Auch die Kirschbäume entfalten regelrechte Farbexplosionen in einer ansonsten noch ruhigen, nicht voll ergrünten Landschaft.
Ich treffe keinen. Kein Gesprächsfetzen, kein Fahrradklingeln, kein Hundebellen. Nur das Knirschen des Weges unter meinen Schuhen und der leise Wind, der durch die jungen Baumkronen wiegt. Es tut gut, so ganz für sich zu sein. Kein Lärm, kein Druck, einfach nur gehen.
Dann, ein kurzer Moment, fast wie aus dem Nichts: Ein Reh steht da, jung, aufmerksam, keine zwanzig Meter entfernt. Wir schauen uns an, beide überrascht, beide still. Kein hastiges Weghüpfen, nur ein kurzer Blickkontakt – und dann verschwindet es langsam im Unterholz. Ich kann ein paar Fotos machen.
Die Luft ist frisch, der Kopf wird klar. Die Welt wirkt für einen Augenblick sortierter, einfacher. Der Ärger über diese ganzen Idioten dominiert mein Denken nicht. Für den Moment ist es ganz friedlich. Ich gehe weiter, Schritt für Schritt, nehme die kleinen Veränderungen wahr, die der heiß erwartete Wechsel der Jahreszeit bietet. Hier ein frischgrüner Trieb, da ein Vogelruf, dort der Schatten eines vorbeiziehenden Wolkenfeldes.
Was früher Braunkohle war, wird wieder Natur. Und wenn man mittendrin steht, ohne Eile, ohne Ablenkung, merkt man, wie viel sich verändern kann – auch in einem selbst.
Ich komme zurück, mit etwas müden Beinen, aber freiem Kopf. Und dem Gefühl, dass es gut ist, wenn manche Wege einfach nur gegangen werden – ohne große Erwartungen, aber mit offenen Augen.
Dass ich wie immer meine Kamera dabeihabe, eröffnet mir die Möglichkeit, einen Teil des Moments festzuhalten. So gut das mit Technik eben geht. Man sagt, das menschliche Auge unterscheidet sich von dem, was eine Kamera einfängt. Das wird vermutlich jeder nachvollziehen können.
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