Wir leben von der Substanz – und tun so, als gäbe es unendlich viel davon.
Seit Jahren fließen dreistellige Milliardenbeträge aus dem Bundeshaushalt in unsere Sozialversicherungen, um deren wachsende Finanzierungslücken zu stopfen. Allein für Renten und Pensionen müssen jährlich über 100 Milliarden Euro an Steuermitteln aufgebracht werden – eine stille Selbstverständlichkeit, die kaum noch hinterfragt wird.
Statt struktureller Reformen erleben wir ein politisches Wegducken, kaschiert durch neue Schuldenberge, die mehr über die Hilflosigkeit der Verantwortlichen verraten als über nachhaltige Zukunftssicherung. Wer glaubt, dass sich durch das Einsetzen immer neuer Kommissionen und Expertenrunden echte Reformen abzeichnen, verkennt die politische Realität: Hier wird moderiert, nicht gestaltet.
Im heutigen Presseclub wurde diskutiert, was uns allen unter den Nägeln brennt: Die rasant steigenden Kosten unserer Kranken- und Pflegeversicherungen, das Ächzen der Sozialkassen unter der demografischen und wirtschaftlichen Last – aber auch unter den politischen Entscheidungen der letzten Jahre.
Ein Aspekt blieb leider unerwähnt. Einer, der unbequem ist, der polarisiert und deshalb häufig ausgespart wird. Der aber zur Wahrheit dazugehört: die Migrationspolitik seit 2015 und ihre Auswirkungen auf die sozialen Sicherungssysteme.
Fakten, die selten genannt werden
Zwischen 2015 und 2025 kamen laut Statistiken rund 12,5 Millionen Menschen nach Deutschland – überwiegend aus Krisen- und Armutsregionen. Ungefähr 7 Millionen verließen das Land wieder. Es verbleiben etwa 5,5 Millionen, die – zumindest vorerst – bleiben. Der Streit unter den Gelehrten ist abhängig von ihrer Weltanschauung. Man kennt es (vor allem hier in Deutschland) nicht anders, wenn man diese Themen öffentlich diskutiert.
Sozialversicherungspflichtig Beschäftigte nach Herkunft 2012 – 2024*
Von diesen lebt nur etwa die Hälfte in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Die andere Hälfte bezieht Transferleistungen oder befindet sich in Qualifikationsmaßnahmen, Sprachkursen oder informellen Strukturen.
Es kommt immer darauf an, wo du liest
Die Quote stieg demnach um 1,5 Prozentpunkte auf 69,8 Prozent Ende 2022 an.
Natürlich sind viele dieser Menschen nicht unbedingt freiwillig hier. Sie flohen vor Krieg, Hunger, Hoffnungslosigkeit. Dass Deutschland hilft, ehrt unser Land. Aber Hilfe hat Grenzen, wenn sie nicht durchdacht, strukturell abgesichert und ehrlich kommuniziert wird.
Im Juni 2022 ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ausländer laut DRV Bund um rund 450 000 höher gewesen als ein Jahr zuvor. Im 5-Jahres-Vergleich ab Juni 2017 sei ihre Zahl sogar um 1,5 Millionen gestiegen. Damit haben Ausländer in dieser Periode rund zwei Drittel zum gesamten Anstieg der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten um insgesamt knapp 2,3 Millionen beigetragen.
In den letzten Jahren kostete die Migration Jahr für Jahr etwa 30 Mrd. EUR. Gigantisch – vor allem, wenn man sich vor Augen hält – dass die Ampel-Regierung im Grunde an 40 Mrd. EUR scheiterte.
Vielen Schutzsuchenden in Deutschland steht ein solcher Kraftakt noch bevor. Bisher arbeitet nur jeder dritte Geflüchtete. Der tatsächliche Anteil dürfte höher liegen – bei etwa 40 Prozent -, denn die Zahlen der Arbeitsagentur sind unvollständig. Unter Deutschen liegt die Quote dagegen bei gut 70 Prozent. Selbstständige werden dabei nicht berücksichtigt. Schutzsuchende brauchen also häufiger staatliche Unterstützung – und zwar oft auch dann noch, wenn sie schon eine Arbeitsstelle gefunden haben.
Migranten belasten die Sozialsysteme deshalb weniger stark als die Einheimischen, weil sie aufgrund ihres vergleichsweise jungen Alters weniger häufig auf ärztliche Hilfe angewiesen sind. Eine Untersuchung der Techniker Krankenkasse ergab vor ca. fünf Jahren, dass sozialversicherungspflichtig beschäftigte Migranten die Krankenkassen entlasteten. Was natürlich überhaupt nichts darüber aussagt, wie sich die Gesamtkosten für die Migration darstellen. Hier wird suggeriert, dass Krankheitskosten der älteren Generation durch die geringere Inanspruchnahme der Kassen durch Migranten überkompensiert würden.
Das spricht gegen die These der Zuwanderungskritiker, Migranten trügen nur unterdurchschnittlich zum Beitragsaufkommen der GKV bei, weil sie im Durchschnitt weniger verdienen, als die Stammbevölkerung.
Inwieweit die Aussage Überzeugungskraft besitzt, hängt vom Betrachter ab.
Eine schnellere Integration in den Arbeitsmarkt wäre wirksamer als sich auf solche Aussagen, die wiederum auch nur einen Teil des ganzen Problems erfasst, zu verlassen.
Bei den Ukrainern gelingt eine schnellere Integration in den Arbeitsmarkt nicht, obwohl genau das in unseren Nachbarländern gut funktioniert. Trotz dieser Erkenntnis und angeblichen Maßnahmen hat sich die Beschäftigungsquote im Land nicht groß verändert.
Die große Unwucht
JEDER Sozialstaat lebt vom Solidaritätsprinzip: Die, die arbeiten, zahlen ein – für die, die nicht können. Doch was passiert, wenn der Kreis der Nicht-Zahlenden wächst und die Zahl der Einzahlenden stagniert – oder gar schrumpft? Die Dänen haben das längst verstanden und ausgerechnet Sozialdemokraten haben die Maßnahmen getroffen, die nötig waren. Deutschland sträubt sich (immer noch) gegen jeden Erkenntnisgewinn. Auch nach dem Regierungswechsel. Nun, so allmählich zeichnet sich zwar ein anderes Bild ab. Aber die Reaktionen unserer Regierung sind ob ihrer hilflos wirkenden „Grenzsicherungsmaßnahmen“ eher verzweifelt als überzeugend.
Die Kosten für Gesundheitsversorgung, Pflege, Wohnraumförderung, Integrationsleistungen und viele weitere Unterstützungsbereiche steigen. Gleichzeitig verlieren wir durch den demografischen Wandel jährlich Tausende Beitragszahler aus der Babyboomer-Generation.
Und nun steht im Raum: Die Gesamtsozialversicherungsbelastung könnte bald über 50 % des Einkommens hinauswachsen – eine Schallmauer, die das solidarische Modell in Schieflage bringen würde. Für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer.
Warum das kaum offen diskutiert wird
Das Thema Migration ist ein vermintes Gelände. Wer es anspricht, riskiert, als populistisch oder gar rechts abgestempelt zu werden. Doch Schweigen hilft nicht. Es braucht eine ehrliche, differenzierte Debatte, ohne Schuldzuweisungen, aber auch ohne Tabus.
Die bloße Hoffnung, dass sich Zuwanderung irgendwann „rechnet“, ist naiv. Integration braucht Zeit, Ressourcen und Geduld – und eine klare Erwartungshaltung an beide Seiten.
Was passieren sollte
Es gibt Alternativen zu blindem Weiter-So:
- Realistische Zuwanderungspolitik: Deutschland braucht qualifizierte Zuwanderung, nicht unkontrollierte Migration in die Sozialsysteme. Hier ist eine klare Unterscheidung nötig – auch im Gesetz.
- Mehr Ehrlichkeit in der Debatte: Die Medien und die Politik müssen den Mut haben, Zahlen offen zu benennen, ohne Angst vor Etikettierungen.
- Zielgerichtete Förderung statt Dauerunterstützung: Wer kommen darf, muss eine realistische Perspektive auf Teilhabe bekommen – aber auch Anreize, sich einzubringen, nicht sich einrichten zu können.
- Stärkung der Beitragsseite: Das geht nur mit mehr produktiver Arbeit – und das bedeutet: Investitionen in Bildung, Infrastruktur, Digitalisierung und ein attraktiver Arbeitsmarkt.
Zwischen Empathie und ökonomischer Vernunft
Deutschland hat seit 2015 viel geleistet. Vielleicht zu viel, ohne das Fundament stabil genug zu machen. Ein Sozialstaat kann kein globales Auffangbecken sein – zumindest nicht auf Dauer und nicht ohne klar definierte Grenzen.
Wer helfen will, muss klug helfen. Wer Flüchtlinge schützt, muss auch die eigene Gesellschaft im Blick behalten. Wer über Kosten spricht, darf nicht schweigen, wenn es um die Ursachen geht.
Und vielleicht sollte man sich künftig in Talkshows wie dem Presseclub trauen, auch mal die komplexen Wahrheiten auszusprechen. Nicht, um zu spalten – sondern um Lösungen zu finden, bevor uns das System entgleitet.
Wir sprechen über Hunderte Milliarden EURO, die Migration dieses Land in den letzten 10 Jahren gekostet hat. Nehmen wir als Basis doch einfach die untere Marke. Von diesem Wert ist häufig zu lesen. Das wären 25 Mrd. EUR pro Jahr. Da ist es geradezu kleinlich, sich an diesem vergleichsweise kleinen Thema aufzureiben. Oder ihm gleich einen Blogpost zu widmen, der dann auch noch bei vielen zu Schüttelfrostanfällen führen wird.
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Lesestoff:
Starker Artikel mit vielen Zahlen und Statistiken, danke dafür! Hab mir mal das erste verlinkte Paper genauer durchgelesen, also auch die Texte.
Mal grundsätzlich geht es nur um die „sozialversicherungspflichtig Beschäftigten“, also nicht um die sog. Minijobber und prekäre (Pseudo-)Selbstständige. Und genau in diesen Bereichen arbeiten jede Menge Menschen mit Migrationshintergrund (ich sehe ihnen nicht an, welchen Status sie haben, schätze sie aber wg. mangelnder Sprachkenntnisse oft als Geflüchtete ein, die anderswo nichts finden). Das sind z.B. nahezu alle Lieferdienste (Essen, Online-Käufe, Lebensmittel..), also Arbeiten, die wirklich nervig und anstrengend sind. Dann hab ich mal eine Zeit lang Taxifahrer (auch kaum ein Dautscher dabei) gefragt, ob sie „angestellt“ sind – keineswegs, sie „teilen sich das Geld mit dem Chef“ und kümmern sich ansonsten um nichts. Typische Scheinselbständigkeit, bei UBER ist das wohl noch häufiger.
Das nächste Paper betrachtet die Beschäftigungsquote nach SIEBEN bzw. ACHT Jahren – und da sieht es ja garnicht so schlecht aus, finde ich. Es braucht halt doch Zeit, das mit der Integration in den Arbeitsmarkt.
Was die Ukrainer/innen angeht, waren wir halt nett und sehr solidarisch mit der Genehmigung von Bürgergeld. Sollte ihnen Zeit zur Anerkennung ihrer Abschlüsse und zum Spracherwerb geben. Das ist natürlich auch missbraucht worden – und findet jetzt sein Ende: Alle Ankömmlinge bekommen demnächst (sobald sie das Gesetz fertig haben) nur noch Zahlungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz – je nach Region bedeutet das u.U, auch Zahlkarte.
Es passiert also durchaus was, die Zuwanderungszahlen Geflüchteter sinken schon seit einiger Zeit – und das neue Grenzregime (das ich jetzt mal nicht bewerte) tut ein übriges.
Deiner ToDo-List stimme ich voll zu – es ist nur nicht so einfach, das umzusetzen.
Investitionen in Bildung sprichst du an: 2022 waren 19,1% der 20 bis 34-Jährigen ohne einen formellen Abschluss!!! Das sind 2,86 Millionen – erschreckend! (Hier die Quelle, neuere Zahlen gibts erst demnächst). Der Bericht ist sehr lesenswert und gibt einen recht umfassenden Blick auf die Misere. Die eigentlich nötigen Unterstützungsleistungen für Qualifizierungen würden natürlich wieder Geld kosten, das mangels Wirtschaftswachstum derzeit eher nicht sprudeln wird.
Soweit für jetzt, es ist ein extrem komplexes Thema – gut, dass du dich da rantraust!
@ClaudiaBerlin: Danke für deinen Kommentar, Claudia. Vor allem, das Thema, das du mit deinem letzten Link ansprichst (2,9 Mio. junge Erwachsene ohne Berufsabschluss) beschäftigt mich. Ich fürchte, in diesem Land wird gar nichts mehr sprudeln. Die Menschen verharren in ihrem Anspruchsdenken. Dabei gehen die dringendsten Notwendigkeiten unter, weil sie Menschen ohne Lobby betreffen. Das war schon immer so. Es wird die Ansicht vertreten, dass wir Migration brauchen. Da werden sich alle halbwegs Vernunftsbegabten schnell einig. Was mir allerdings auf den Zeiger geht, sind die ständigen ideologischen Scharmützel. Die einen tun so, als seien Migranten an jeder Fehlentwicklung schuld, die anderen träumen nach wie vor von blühenden Landschaften, die nur etwas mehr gegossen werden müssten. Uns ist das Geld ausgegangen. Jetzt leben wir nur noch auf Pump und das wird nicht lange gut gehen. Der Sozialstaat, den wir aufgebaut und eine Weile gepflegt haben, ist zur Selbstverständlichkeit mutiert, ebenso wie die Demokratie. Das fällt uns früher oder später auf die Füsse.
[…] Zwischen Anspruch und Wirklichkeit: Warum unsere Sozialsysteme ächzen (Horst Schulte) […]
Schön, dass die Recherche „7 Mythen über Migration, die nie eingetroffen sind“ so noch mehr Reichweite bekommt, auch wenn sie gar nicht direkt referenziert wurde.
https://www.volksverpetzer.de/analyse/7-migration-mythen/
Es ist auch schon etwas ironisch, das „Anspruchsdenken“ anderer zu kritisieren und dann einen Forderungskatalog aufzustellen. An wen eigentlich? Da mogeln Sie sich dann mit einer Passivkonstruktion „Was passieren müsste“ raus. Erinnert mich an den sehr anschlussfähigen Wunsch „Weltfrieden“ in den früheren Freundebüchern auf der Grundschule. Ja, wollen wir alle, aber wie?
In dem IW Köln Pamphlet wird auch nichts suggeriert, sondern analysiert. Sie watschen das mit einem Satz ab, aber diese Analyse spricht eine ganz andere Sprache, als Ihre.
Ich bin ganz bei Ihnen: Sagen was ist und über die realen Kosten sprechen. Dafür dann aber auch bitte alle Quellen tatsächlich zur Kenntnis nehmen und bei kognitiver Dissonanz nicht direkt in Abwehrhaltung verfallen.
Weltfrieden halt. Eine anschlussfähige und konsequenzfreie Forderung.
@Anderer Max: Der linke Max dreht wieder am Rad und beschimpft jeden, der sich den links/grünen Prämissen nicht unterwirft. Kenn ich, brauch ich nicht.
@Horst Schulte: Danke für die inhaltliche Auseinandersetzung mit durchaus konstruktiv gemeinter Kritik. Keien Angst, Sie werden von mir nicht mehr im Ruhestand gestört.
@Anderer Max: Das ist erfreulich.
Wieso muss immer noch geraunt werden, das Thema Migration wäre „vermintes Gelände“, über das man nicht sprechen darf, wenn seit Jahren über fast nichts anderes gesprochen wird?
@Wolf: Schon klar. Solche Einwände sind der Grund dafür, dass ich den Artikel besser nicht veröffentlicht hätte. Ich hatte ihn vor dem ersten Kommentar zurückgezogen. Ich wäre besser dabei geblieben. Sie sind selbst bei differenzierter Betrachtung der Thematik nicht bereit, über die Folgen für unser Sozialsystem nachzudenken oder gar zu diskutieren. Stattdessen nehmen sie einen Hinweis aus dem Artikel auf und stänkern.
Die Behauptung, dass Deutschland nur qualifizierte Menschen brauchen würde, ist Stammtischnachgeplappere von Möchtegern-Dittsches.
In Wahrheit braucht Deutschland sowohl qualifizierte Einwanderung als auch Leute für einfache Tätigkeiten.
Pflegeberufe: 2,7 von 3,0
Gastronomieservice: 2,5 von 3,0
Speditions- und Logistikkaufleute: 2,3 von 3,0
Weil es Thilo Sarrazin 2010 so vorgemacht hat. Omnipräsent sein und gleichzeitig wie eine kaputte Schallplatte überall vorlügen, dass man ja angeblich nicht zu Wort komme.
Hauptsache natürlich, Sie kommen zu Wort. Anonym natürlich und mit typisch linkem Geschwafel.