Advent im Schatten der Poller: Wie Sicherheitsauflagen unsere Stadtbilder verändern

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von Horst Schulte

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Ich habe das Thema kürzlich selbst aufgegriffen, ausgelöst durch die Stadtbild-Debatte: Was macht es mit unseren Innenstädten, wenn Weihnachtsmärkte nur noch hinter Sperren, Betonblöcken und Kontrollpunkten stattfinden können?

Adventliche Innenstadt mit Sicherheitsbarrieren und Weihnachtsmarkt
Adventliche Innenstadt mit Sicherheitsbarrieren und Weihnachtsmarkt

Mir geht es dabei weniger um die schlichte Frage „findet ein Markt statt oder nicht?“. Die wirklich spürbare Veränderung liegt woanders: In den Sicherheitsmaßnahmen, die inzwischen wie eine zweite Architektur neben den Buden stehen. Pollerreihen, Fahrzeugbarrieren, Zonenplanung, teure private Wachdienste, teils Einlasskontrollen – das alles ist längst Teil der Adventsrealität. In Berlin am Breitscheidplatz kostet allein der private Wachschutz rund 180 000 EUR, dazu kommen Absperrungen, Polizeiposten, Videoüberwachung und Messerverbote.  In Dresden hat die Stadt für mobile Zufahrtsschutz-Elemente 1,85 Millionen Euro bereitgestellt – nicht für Lichterketten, sondern für Schutz vor Gewalt. 

Diese Maßnahmen fallen nicht vom Himmel. Sie sind die direkte Folge einer Sicherheitslage, die sich über Jahre zugespitzt hat. Ich insistiere darauf, auch wenn es manchen nicht passt: Gewalttäter und Terroristen – häufig mit Herkunft aus den bekannten Krisen- und Terrorregionen – haben durch reale Anschläge und Anschlagsversuche unsere Innenstädte und gerade Weihnachtsmärkte zu potenziellen Zielen gemacht. Der Anschlag von Magdeburg 2024 wirkt bis heute nach; vielerorts wurden Konzepte verschärft, Genehmigungen nachgeschärft, Zufahrtswege neu gedacht. 

Das zu benennen ist kein „rassistisches Narrativ“. Es ist eine Tatsachenbeschreibung der Motivation und Herkunft einzelner Täter – und eine notwendige Voraussetzung dafür, die richtigen Schlüsse zu ziehen. Rassistisch wäre, daraus eine Pauschalanklage gegen Millionen friedlicher Menschen mit Migrationsgeschichte zu basteln. Genau das tue ich nicht. Aber wer jede klare Analyse sofort moralisch wegwischt, macht es sich zu leicht – und überlässt das Feld jenen, die tatsächlich spalten wollen. Und das passiert in diesem Land nach wie vor mit medialer Unterstützung einer in großen Teilen vollkommen einseitigen Medienlandschaft. Das ärgert viele Menschen – völlig zu Recht!

Denn ja, es gibt Akteure, die aus Einzelfällen eine Untergangsoper komponieren: „Überall werden Weihnachtsmärkte abgesagt.“ Das stimmt so nicht. Faktenchecks und Kommunalverbände widersprechen der angeblichen Absagewelle; gemessen an den Tausenden Märkten bundesweit sind es bisher wenige echte Streichungen.  Was jedoch stimmt: Die Kosten steigen brutal. Eine Umfrage der BCSD zeigt, dass Veranstaltungskosten (Sicherheit inklusive) in drei Jahren im Schnitt um 44 % zugelegt haben.  Kleine Städte geraten damit an Grenzen – nicht weil sie „Tradition abschaffen“ wollten, sondern weil die Rechnung sonst nicht aufgeht.

Damit sind wir beim politischen Kern. Der Deutsche Städtetag sagt zu Recht: Terrorabwehr ist Staatsaufgabe, keine kommunale Folklore. Wenn der Bund mehr Sicherheit verlangt, muss er auch helfen, sie zu bezahlen.  Sonst passiert das, was wir vereinzelt bereits sehen: Märkte werden verkleinert, Eintrittsfreiheit wird indirekt teurer, oder Veranstalter ziehen die Notbremse. Nicht aus Ideologie, sondern aus Überforderung. 

Und hier berührt die Sicherheitsdebatte das Stadtbild-Thema wieder ganz konkret. Unsere Innenstädte bekommen eine neue, harte Oberfläche: Sicherheit wird sichtbar, manchmal sogar dominant. Das verändert Atmosphäre und Spontaneität, es frisst Raum, es verschiebt die Optik der Plätze. Wer das schönredet, verkennt den Preis. Wer es nur als rechten Popanz abtut, verkennt ebenso die Realität.

Wie denken die Leute, die bei Merz‘ Rede, die übrigens zu Recht sehr gelobt wurde, über diese Dinge? Ich kanns mir ausmalen. Denn sie verließen scharenweise die Örtlichkeit, weil der Kanzler ihre Empfindung, beleidigt hatte oder sie sich solidarisch mit denen zeigen wollten, die sich beleidigt gefühlt haben. Das ist in unserem Land ja schnell passiert.

Ich wünsche mir einen nüchternen, zugleich entschlossenen öffentlichen Umgang damit: Die Gefährdung ist real, die Täter sind real, und ihre biografischen Hintergründe darf man nicht verschweigen. Gleichzeitig müssen wir verhindern, dass aus berechtigter Sicherheitskritik ein generalisierender Kulturkampf gegen „die Migranten“ wird. Die Mitte verliert nur dann, wenn sie sich selbst das Sprechen verbietet.

Der Advent ist kein naives Märchen, aber er ist auch kein Schlachtfeld. Damit er ein Winterwohnzimmer bleiben kann, braucht es zwei Dinge: eine bestmögliche, verhältnismäßige Sicherheit – und eine faire Finanzierung, die Kommunen nicht allein im Regen stehen lässt.


Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe auf dem Land.

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