Ich dachte, das müsse ein Übersetzungsfehler aus dem Influencerischen sein. „Das“ und „crazy“ – das passt doch zusammen wie Goethe und TikTok. Aber dann fiel mir ein, dass Antoine de Saint-Exupéry einmal sagte: „Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse.“

Ich bin 71. Meine Generation hat einst Wörter wie „geil“ und „irre“ gesellschaftsfähig gemacht – was heute harmlos klingt, war damals fast revolutionär. Wir haben also keinen Grund, die Nase zu rümpfen, wenn Jugendliche heute mit Artikeln jonglieren, als wären sie Jonglierkeulen.
„Das Crazy“ ist mehr als ein Grammatikfehler. Es ist ein Statement. Eine kleine, charmante Revolte gegen die Idee, dass Sprache etwas Festes sei. Was an anderer Stelle am konservativ-reaktionären scheitert, prägen Jugendliche gewissermaßen durch die Hintertür, sehr wohl wissend, dass man das so eigentlich nicht sagt. Genau deshalb sagen sie’s. Das ist das eigentlich Geniale – und, ja, das Crazy daran.
- „Die Kinder von heute sind Tyrannen. Sie widersprechen ihren Eltern, kleckern mit dem Essen und ärgern ihre Lehrer“ (Sokrates, 470-399 v.Chr.)
- „Die Jugend von heute liebt den Luxus, hat schlechte Manieren und verachtet die Autorität. Sie widersprechen ihren Eltern, legen die Beine übereinander und tyrannisieren ihre Lehrer. (Sokrates, 470-399 v.Chr.)
- „[…] die Schüler achten Lehrer und Erzieher gering. Überhaupt, die Jüngeren stellen sich den Älteren gleich und treten gegen sie auf, in Wort und Tat“ (Platon, 427-347 v. Chr.)
Manchmal denke ich, Jugendsprache ist wie ein rebellischer Teenager, der das Elternhaus verlässt, um sich selbst zu erfinden. Sie kommt später zurück, gereift, leicht verändert – und steht dann plötzlich im Duden, als wäre nie etwas gewesen.
Ich habe gelernt: Sprache altert nicht, sie häutet sich. Was gestern „voll fett“ war, ist heute „das Crazy“. Und wer weiß, vielleicht sagt man in zehn Jahren „die Nice“ oder „der Wild“.
Am Ende geht’s doch um das, was Saint-Exupéry auch meinte: Verstehen zwischen Generationen ist immer im Fluss. Wir Alten halten an Formen fest, die Jungen erfinden neue. Und irgendwo dazwischen schwimmt die Sprache – leicht irritiert, aber lebendig.
Ich trinke darauf einen Kaffee. Oder wie man heute wohl sagen würde: „Das Koffein kickt brutal – das Crazy!“
Entdecke mehr von Horst Schulte
Melde dich für ein Abonnement an, um die neuesten Beiträge per E-Mail zu erhalten.
in meiner Jugend gab es noch kein Internet, heute ist Sprache dadurch geprägt und verändert. Auch das „denglisch“, was zugenommen hat.
@SuMu: Die Verbreitung, die rasend schnelle, ist ganz bestimmt dem Internet zuzuschreiben.