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Demokratie am Scheideweg – Warum ein AfD-Verbot der falsche Weg sein könnte

Ein Verbot der AfD mag verlocken – doch schadet es der Demokratie mehr, als es nützt? Ein Plädoyer für kluge Verteidigung statt Verdrängung.

Folgt man den allgegenwärtigen Umfragen, scheint es fast, als würde die Mehrheit der Deutschen ein AfD-Verbot befürworten. Manche sprechen von einem Befreiungsschlag. Doch wäre das weitsichtig? Oder nur ein politischer Reflex, geboren aus Ohnmacht und Angst?

Es gibt keine neuen Erkenntnisse. Die Partei steht dort, wo sie immer stand – weit rechts außen, in fundamentaler Opposition zu den Werten, auf denen unsere demokratische Ordnung beruht. Dass viele Demokraten ihr gegenüber eine schmerzhafte Distanz empfinden, ist verständlich. Doch wenn wir beginnen, Meinungen zu verbieten, weil sie uns nicht gefallen, verlassen wir den Boden dessen, was uns ausmacht: die Meinungsfreiheit.

Ich gestehe: Hätte man mich vor Jahren gefragt, ich hätte ein Verbot befürwortet. Als erste Berichte über rechtsextreme Strukturen in der Partei ans Licht kamen, war mein Vertrauen dahin. Doch es blieb beim Gerede. Vielleicht, weil jene, die am lautesten ein Verbot forderten, oft selbst in ideologischen Gräben verhaftet waren – links, grün, gelegentlich auch linksextrem. Und wenn eine Extreme die andere bekämpft, halten sich gemäßigte Demokraten gern heraus. Ein Reflex, den ich nachvollziehen kann.

Denn ja, Demokratie muss auch radikale Positionen aushalten können. Aber keine extremistischen. Der Unterschied ist fein, doch entscheidend: Wer unsere Verfassung bekämpft, stellt sich außerhalb des demokratischen Konsenses – egal, ob von rechts oder links.

Und trotzdem bin ich heute gegen ein Verbot. Warum? Weil eine wehrhafte Demokratie sich nicht durch den Ausschluss von Mitbewerbern definiert. Ein Verbot käme einem politischen Signal gleich, das den über zehn Millionen AfD-Wählern wie ein kollektiver Tadel erscheinen würde. Ein Affront, der mehr verhärtet als überzeugt.

Der Zeitpunkt der Verfassungsschutzbewertung ist dabei nicht unproblematisch. Warum erst jetzt? Warum nicht vor den Wahlen? Warum liegen die Details nur einigen Redaktionen vor, aber nicht der Öffentlichkeit? Das alles riecht weniger nach staatlicher Neutralität als nach taktischem Kalkül. Und genau damit liefert man der AfD das Futter, das sie braucht, um ihre Opfererzählung zu nähren.

Man kann es drehen, wie man will: Wenn Erkenntnisse bewusst zurückgehalten werden, wenn Gutachten erst dann erscheinen, wenn es politisch passt – dann hat das ein Geschmäckle. Dann beschädigen wir unsere Demokratie womöglich mehr, als wir sie schützen.

Es ist doch so: Jeder politisch interessierte Mensch weiß inzwischen, mit wem wir es bei der AfD zu tun haben. Ihre Ideologie ist kein Geheimnis, ihre Protagonisten keine Unbekannten. Und doch gedeiht sie – nicht trotz, sondern wegen unserer politischen Kultur. Wegen verpasster Chancen, wegen leerer Worte und mutloser Reformen.

Darum frage ich: Wäre es nicht an der Zeit, endlich die Ursachen ihres Erfolgs zu bekämpfen – und nicht nur ihre Symptome?

Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

- alleiniger Autor dieses Blogs -

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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14 Gedanken zu „Demokratie am Scheideweg – Warum ein AfD-Verbot der falsche Weg sein könnte“

  1. Menschenverachtende und rassistische Äußerungen sind keine Meinung, sondern Verbrechen, die zu begegehen man bereit ist, bzw. ohne weiteres billigt. Meinungsfreiheit ist im Falle der rechtsextremen AfD also kein Argument.

  2. Du ahnst oder kennst ja meine Meinung. Wir dürfen die Fehler der Weimarer Republik nicht wiederholen. 1930 verfasste Robert Kempner mit anderen Beamten eine Denkschrift zum Verbot der NSDAP. Sie bewiesen den hochverräterischen Charakter der Partei und empfahlen Hitlers Ausweisung. Reichskanzler Brüning lehnte ab – er wollte die Nazis “politisch stellen” statt zu verbieten. Kempner schrieb später: “Mit dieser Haltung wurde das Schicksal der Weimarer Republik besiegelt!” Nachzulesen u.a. von Justus Bender in der FAZ (hinter der Paywall),

    Warum lernen wir nicht aus der Geschichte?
    Wie können wir ernsthaft mit Steuergeldern eine gesichert rechtsextreme Partei mit finanzieren?
    https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/wie-ein-nsdap-verbot-hitler-haette-stoppen-koennen-110371189.html

  3. @Robert:

    Menschenverachtende und rassistische Äußerungen sind keine Meinung,

    Auch menschenverachtende und rassistische Äußerungen sind selbstverständlich eine Meinung und (vorerst noch) kein Verbrechen.

    Angesichts der Tatsache, dass „Gefährder“ von deutschen Innenpolitikern dafür missbraucht werden, überwachungsstaatliche, rechtsstaatliche Prinzipien missachtende Maßnahmen zu rechtfertigen, sollten Linker (und solche, die sich für welche halten) vorsichtig sein.

    Man könnte versehentlich der eigenen Überwachung als „Gefährder“ zustimmen. Andrej Holm und seine Ex Anne Roth könnten einem da mehr erzählen.

  4. @Oliver:

    Der Verfassungsschutz hat erstens Ewigkeiten gebraucht und nimmt zweitens seinen Namen nicht sonderlich ernst. Andernfalls hätte Deutschland viel weniger Law & Order-Gesetze(s-Entwürfe) von CDU/CSU-Innenministern durchleiden müssen und irgendwann wäre die Diskussion aufgekommen, ob man nicht endlich mal die CDU/CSU verbieten soll weil da so viele Verfassungsfeinde herumlaufen.

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