Führungslos im Luftraum: Warum Europas Kampfjet-Projekt scheitert

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von Horst Schulte

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Es ist alles da: das Bedrohungsszenario, der politische Druck, die Milliarden – und trotzdem bekommt Europa keinen gemeinsamen Kampfjet hin. Während in Talkshows von „Zeitenwende“ und „strategischer Souveränität“ fabuliert wird, versinkt das FCAS‑Projekt im Morast aus Eitelkeiten, Machtspielchen und nationalem Konkurrenzdenken. Es wirkt, als ob die Verantwortlichen die Dramatik der Lage zwar rhetorisch verinnerlicht, aber geistig nie über die nächste Industriesubvention hinausgedacht hätten.

Verteidigung gegen Nationalismen

Angeblich geht es beim Future Combat Air System um nichts weniger als die Fähigkeit Europas, sich im Luftraum der Zukunft selbst zu verteidigen. Ein vernetztes System aus neuem Kampfjet, Drohnen und Daten‑Cloud, das Eurofighter und Rafale ablösen und Abhängigkeiten von den USA reduzieren soll. In der Realität steht jedoch ein anderes Bild: französische und deutsche Industrie, die um Führungsansprüche, Technologiehoheit und Wertschöpfungsanteile ringt – als ginge es um eine Regionalmesse und nicht um das zentrale Luftkampfprogramm der nächsten Jahrzehnte.

Frankreich will den Ton angeben, Dassault die Hoheit über den Jet, möglichst große Teile der Entwicklung und natürlich die Kontrolle über die entscheidenden Technologien. Deutschland und Airbus wiederum wollen kein reines Zuarbeiter‑Dasein akzeptieren, sondern Mitsprache, IP‑Anteile und industrielle Beteiligung, die über das Abhaken politischer Symbolik hinausgeht. Was fehlt, ist eine ehrlich ausgehandelte gemeinsame Linie – und eine politische Führung, die diesen Konflikt auflöst, statt ihn hinter Phrasen von „Partnerschaft auf Augenhöhe“ zu verstecken.

Absurdität geht weiter

Das Absurde: Während sich die beteiligten Staaten offiziell zur Kooperation bekennen, werden hinter den Kulissen längst Ausstiegsszenarien und „Plan B“-Varianten durchgespielt. Die einen drohen, den Jet notfalls allein zu bauen, die anderen liebäugeln mit einem abgespeckten Projekt, das nur noch digitale Komponenten umfasst. Das Ergebnis ist ein halbtotes Mammut: zu groß, um es klammheimlich zu beerdigen, zu zerstritten, um es entschlossen zu führen. Aus Sicht möglicher Gegner ist das ein Geschenk – sie sehen in Echtzeit, wie Europa seine eigenen Ambitionen demontiert.

Geradezu grotesk ist, wie offen inzwischen Industrievertreter verbal austeilen, während Regierungen hilflos klingende Durchhalteparolen wiederholen. Man palavert über „Effizienz“, „Innovation“ und „Zeithorizonte“, bekommt aber nicht einmal die Grundlagen einer ernsthaften industriepolitischen Arbeitsteilung hin. Wer so mit einem Schlüsselprojekt umgeht, sendet ein klares Signal: Im Zweifel ist nationale Profilierung immer wichtiger als europäische Handlungsfähigkeit – selbst dann, wenn man sich gleichzeitig auf eine feindlichere Weltlage beruft.

Eine große Blamage für die wieder keiner kann

Die eigentliche Blamage liegt jedoch tiefer: Die Verantwortlichen haben nicht verstanden, dass die Zeit der symbolischen Projekte vorbei ist. FCAS wäre kein Prestige‑Spielplatz für Luftfahrtkonzerne, sondern ein Stresstest für die viel beschworene „strategische Souveränität“. Besteht Europa diesen Test nicht, wird die Abhängigkeit von US‑Systemen zementiert – und jeder weitere Appell an „europäische Eigenständigkeit“ zur leeren Hülse. Genau in diesem Widerspruch verhedelt sich die politische Klasse: Sie redet vom Epochenbruch, handelt aber wie in den 1990ern.

Technisch geht was

Am Ende ist FCAS weniger ein Technik‑ als ein Charakterproblem. Es zeigt, wie wenig Bereitschaft besteht, echte Prioritäten zu setzen, nationale Befindlichkeiten zurückzustellen und Machtfragen offen zu klären. Wer in einer sicherheitspolitischen Krisenlage Jahre mit Kompetenzstreit, Industriepolitik im Hinterzimmer und misstrauischem Taktieren vergeudet, hat die Zeichen der Zeit schlicht nicht verstanden. Die Rechnung dafür kommt nicht in Haushaltsdebatten – sie kommt in der nächsten echten Krise, wenn Europa wieder einmal feststellt, dass die schönen PowerPoint‑Visionen nie den Weg in die Realität gefunden haben.


Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe auf dem Land.

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