Internationales Recht als Dekoartikel: Zur Erinnerung an den Internationalen Gerichtshof in Den Haag

Foto des Autors

von Horst Schulte

Lesezeit: 3 Min.

Die Erinnerung an den ersten Prozesstag, des Nürnberger Prozesses gegen die Hauptkriegsverbrecher der NS-Zeit veranlasst, an den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zu erinnern, dessen 27. Jubiläum wir im Juli dieses Jahres begingen.

Draußen, vor der Tür des edlen Hauses, stehen die Großen und Mächtigen und winken freundlich – aber nur, um nicht reinzumüssen. USA, China, Russland, Indien: alle nicht dabei, alle nicht gebunden. Manche haben nie unterschrieben, manche unterschrieben und sind dann rückwärts wieder raus, sobald das Buffet ernst wurde.  Israel erklärt ebenfalls, der IStGH habe über sie nichts zu melden – und führt diese Debatte gerade mit besonderem Nachdruck, nachdem der IStGH Haftbefehle gegen Israels Führung beantragt bzw. erlassen hat. 

Und jetzt kommt der zynische Teil, der mich wirklich sauer werden lässt: Wir feiern also so etwas wie den „Fortschritt für die Menschheit“, während ein guter Teil eben dieser Spezies den Fortschritt für optional hält. Ein Weltgericht ohne die dominierenden Weltmächte mitmachen.

Stattdessen versucht Trump, Putins Interessen gegen die Ukraine durchzusetzen. So verstehe ich diese bodenlose Unverschämtheit des orangenen Idioten in Washington! Beide gehören vor dieses Gericht. Trump genauso wie Putin. Und Netanjahu und noch einige andere Namen fallen mir als Angeklagte für den Gerichtshof sofort ein. Natürlich sind das nicht die Leute, die einen Krieg verloren haben. Deshalb sind die Dinge, wie sie sind.

Natürlich, man kann sagen: „Aber 125 Staaten sind Mitglied!“ Stimmt.  Nur sind das eben nicht die Staaten, die im Zweifelsfall die Flugzeugträger, die Vetomacht oder die geopolitische Brechstange besitzen. Das ist keine Kleinigkeit, aber es ist der ganze Plot. Der IStGH lebt von Kooperation, von Auslieferungen, von dem simplen Satz: „Wir helfen euch, den Täter zu bekommen.“ Die Realpolitiker aber lachen leise dazu.

Man stelle sich das Theaterstück vor: Der Staatsanwalt in Den Haag schreibt einen Haftbefehl, die Weltpresse nickt. Aber dann passiert genau: NICHTS! Dann landet der Betroffene in einem Land, das den IStGH nicht einmal auf der Landkarte des Gewissens führt. Ende der Vorstellung, Vorhang zu, Applaus fürs Publikum. Das ist die internationale Strafjustiz im 21. Jahrhundert: moralisch richtig, praktisch machtlos. Wie die UN und all ihre teuren und leider immer weniger einflussreichen und handlungsfähigen Unterorganisationen.

Und jetzt sitzen wir hier in Deutschland und halten Festreden. Wir sagen „Meilenstein“, „Zivilisationssprung“, „Nie wieder Straflosigkeit“. So steht es auch in den offiziellen Würdigungen zum Jubiläum.  Ich will das gar nicht kleinreden: Die Idee ist großartig. Wirklich.

Was wir feiern, ist nicht der Triumph des Rechts, sondern die Beharrlichkeit unserer Hoffnung. Das kann man machen. Aber dann bitte ohne das Heiligenschein-Geflacker, als hätten wir die Barbarei schon erledigt. Der IStGH ist ein Werkzeug. Ein gutes, ein notwendiges. Nur liegt es zu oft in einer Welt herum, in der die Stärksten es nicht anfassen wollen, weil man sich damit schmutzig machen könnte – oder schmutzige Finger sichtbar würden.

Vielleicht sollten wir beim nächsten Jubiläum nicht Champagner einschenken, sondern Stühle hinstellen. Viele Stühle. Und auf die größten leeren ein Schild: „Souveränität über Menschlichkeit“. Dann hätte die Feier wenigstens den Anstand, ehrlich zu sein.


Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe auf dem Land.

hs010225 a

Artikelinformationen

Bereits 34 Mal gelesen3 heute

Lass deinen Gedanken freien Lauf


Hier im Blog werden bei Abgabe von Kommentaren keine IP-Adressen gespeichert! Deine E-Mail-Adresse wird NIE veröffentlicht! Du kannst anonym kommentieren. Dein Name und Deine E-Mail-Adresse müssen nicht eingegeben werden.


🤝 Miteinander statt gegeneinander.
💬 0