Merz, Milliarden und das Misstrauen der Ökonomen

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von Horst Schulte

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Die Diskussion um die milliardenschwere Haushalts- und Finanzpolitik der neuen Bundesregierung ist in den vergangenen Wochen nicht abgeebbt. Im Zentrum steht der Vorwurf, die Regierung Merz habe einen Teil der neuen Schulden, die eigentlich für Verteidigung und Infrastruktur vorgesehen waren, in ganz andere Richtungen gelenkt – hinein in Sozialausgaben, Rentenmaßnahmen und Steuersenkungen, also in Bereiche, die mit Investitionen im gewünschten Sinne wenig zu tun haben. Auf Seiten der Ökonomen entsteht daraus ein Misstrauen, das von der Bevölkerung aufgenommen und prompt in schlechte Laune umgesetzt wird. „Die bringen es auch nicht!“

Mehrere Institute, darunter die Bundesbank, das arbeitgebernahe IW und das Ifo, sehen ein Muster: Kredite, die angeblich als Zukunftsspritze dienen sollten, würden genutzt, um Lücken im regulären Haushalt zu stopfen. Die Warnungen sind deutlich, manchmal scharf formuliert. „Hütchenspiel“ nennt das IW die Verschiebetechnik, ein Wort, das sich schnell einbrennt. Die Bundesbank wiederum fürchtet steigende Defizite, die den Handlungsspielraum künftiger Haushalte einschränken und das Versprechen wachsender Verteidigungs- und Infrastrukturstärke unterlaufen könnten. Und im Süden spricht der grüne Finanzminister Danyal Bayaz von einem „dreisten“ Umgang mit den Regeln, der die Wettbewerbsfähigkeit des Landes gefährden könne. Aus dieser Perspektive gleicht die neue Situation der beschriebenen deutschen Schuldenpolitik einem Haus, das nach außen modern wirkt, innen aber einige tragende Balken wackeln lässt.

Doch die Gegenseite hält ebenfalls ihre Linien fest. Aus dem Finanzministerium heißt es, alle Haushalte bis 2029 entsprächen sauber jenen Regeln, die mit der Verfassungsänderung vereinbart wurden. Mindestens zehn Prozent des Kernhaushalts müssten investiv sein – und alles darüber hinaus dürfe aus dem großen Infrastrukturfonds finanziert werden. Dass zwischen Kernhaushalt und Sondervermögen geschoben werde, sei technisch begründet und ökonomisch sinnvoll, so klingt es von dort. Der Chefökonom des Finanzministeriums, Armin Steinbach, weist die Kritik entschieden zurück: Viele Berichte würden mit veralteten und überhöhten Investitionsplänen arbeiten, die aus einer Zeit stammen, bevor der 500-Milliarden-Euro-Fonds überhaupt existierte. Wer einen falschen Maßstab anlege, könne nur zu falschen Ergebnissen kommen. Auch die Annahme, dass die Bundesländer 100 Milliarden Euro aus dem Fonds nicht investieren würden, sei schlicht nicht selbstverständlich. Gründe dafür geben die Kritiker nicht an. Möglicherweise hat diese Annahme mit der früheren Erfahrung zu tun, dass Länder bereitgestellte Mittel aus unterschiedlichen Gründen nie abgerufen haben. Mit dem Entschuldungsthema, das den Städten und Gemeinden auf den Nägeln brennt, hat all das allerdings nichts zu tun. Jedenfalls sind die Mittel des Sondervermögens dafür nicht gedacht.

Zwischen all dem steht eine Stimme, die weder dramatisiert noch beschönigt. Sebastian Dullien vom IMK sagt, das Ministerium halte formal die Regeln ein; gleichzeitig sei die Definition von „zusätzlichen Investitionen“. Doch für die Wirtschaft selbst sei diese Feinmechanik kaum relevant: Ob das Geld in Brücken, Panzer, Schulen oder Sozialpolitik fließe, mache kurzfristig fast keinen Unterschied. Die Konjunktur frage nicht nach juristischer Etikettierung – sie reagiere auf den Geldfluss, nicht auf dessen Schublade.

So entstehen zwei gewissermaßen unversöhnliche Erzählungen, die ineinandergreifen. Die eine sieht einen Staat, der Investitionsversprechen verwässert und Zukunftsaufgaben ignoriert. Die andere sieht ein Missverständnis, gespeist aus unklaren Maßstäben und voreiligen Urteilen. Und vielleicht zeigt gerade diese Spannung, wie fragil das Vertrauen in die deutsche Haushaltspolitik geworden ist. Investitionen sind längst nicht nur Zahlen – sie sind politische Verheißungen. Wer ihnen misstraut, misstraut schnell auch denen, die sie verkünden. Und wer sie verteidigt, kämpft nicht nur um ihre Glaubwürdigkeit, sondern um die Deutung dessen, was Zukunft überhaupt bedeutet.


Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe auf dem Land.

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