Sanktions-Illusion: Warum Europas Kurs gegen Russland ins Leere läuft

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von Horst Schulte

Lesezeit: 3 Min.

symbolische sanktionen gegen russland
symbolische sanktionen gegen russland

Manchmal sitzt man fassungslos vor den Nachrichten. Überall Experten, Analysen, Gewissheiten – und doch bleibt das Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Kürzlich wieder so ein Moment: Die deutschen Leitmedien verkündeten fast schon jubelnd, Donald Trump habe endlich harte Sanktionen gegen Russlands größte Erdölfirmen verhängt. Vielleicht hat man sich von Trumps Rhetorik hinreißen lassen? Maßnahmen, die die russischen Geldquellen zum Versiegen bringen sollen. Klingt entschlossen, fast historisch. Doch wer einen Schritt weiterblickt, stößt auf Widersprüche – und auf eine Wahrheit, die deutlich bescheidener klingt.

Der Frankfurter Rechtswissenschaftler und Sanktionsrechtler Prof. Dr. Viktor Winkler ist kein Unbekannter: Er berät Unternehmen zu internationalem Sanktionsrecht und zählt zu den wenigen deutschen Experten, die die politischen und juristischen Dimensionen westlicher Strafmaßnahmen gleichermaßen durchdringen. In einem Gespräch mit dem Nachrichtensender ntv äußerte er sich ungewöhnlich deutlich zu den jüngsten Sanktionen der EU und der USA gegen russische Energieunternehmen.

Winkler widersprach dem offiziellen Narrativ, die neuen Strafmaßnahmen seien „verheerend“ oder gar ein „scharfes Schwert“ gegen Moskau. Tatsächlich träfen sie zwei Unternehmen, die ohnehin kaum noch Handelsbeziehungen mit westlichen Banken oder US-Firmen unterhalten. Der ökonomische Schaden für Russland bleibe marginal. Die Sanktionen wirkten daher mehr wie symbolische Gesten – Zeichen der Entschlossenheit ohne reale Hebelwirkung.

Besonders kritisiert Winkler, dass die Hauptfinanzströme gänzlich unangetastet bleiben. Russland exportiere weiterhin Öl im großen Stil nach Indien und China – allein im vergangenen Jahr seien rund 200 Milliarden US-Dollar in Richtung Kreml geflossen. Gerade dort, bei den Abnehmern russischer Rohstoffe, müsste angesetzt werden, wenn man Präsident Putin tatsächlich an den Verhandlungstisch zwingen wolle. Stattdessen konzentriere sich der Westen auf Namen und Firmen, die politisch gut klingen, aber wirtschaftlich kaum Relevanz haben.

Europa, so Winkler, mache es noch schlimmer, indem es die eigenen Sanktionsziele unterlaufe. Deutschland habe 2023 für über 8 Milliarden Euro Flüssiggas aus Russland bezahlt – Geld, das direkt in die Kassen des Kremls fließt. Von einer konsequenten Linie könne keine Rede sein. Die EU habe es zudem nicht einmal geschafft, innerhalb der „Koalition der Willigen“ (USA, EU, Großbritannien) eine einheitliche Liste von sanktionierten Oligarchen und Unternehmen zu erstellen.

Winkler spricht von einer „Salami-Taktik“: Die EU füge Paket an Paket, ohne klare Strategie, ohne Prioritäten, ohne juristische Kohärenz. Was fehle, sei ein gezielter Sanktionsplan – einer, der nicht blind die Wirtschaft treffe, sondern gezielt kriegsrelevante Branchen schwäche. Die derzeitige Politik sei deshalb ein Flickenteppich, der Russland kaum schade, aber die Glaubwürdigkeit Europas untergrabe.

Eine seiner schärfsten Warnungen richtet sich gegen den Vorschlag, eingefrorene russische Vermögen – rund 140 Milliarden Euro – für den Wiederaufbau der Ukraine zu verwenden. Das sei völkerrechtswidrig, betont Winkler, denn Sanktionen bedeuteten nicht Enteignung. Das Eigentum bleibe bei der sanktionierten Person oder Institution. Wer das ignoriere, verlasse den Boden des Rechts. „Wir sollten die Guten sein“, sagt Winkler. „Wir sollten uns an das Völkerrecht halten und uns nicht in eine Lage bringen, in der alles erlaubt scheint.“

Seine Diagnose fällt ernüchternd aus: Der Westen hat viel Moral, aber wenig Methode. Statt einer rechtlich fundierten, ökonomisch wirksamen Strategie dominiere Symbolpolitik – eine Politik, die mehr auf Schlagzeilen ziele als auf Wirkung.

Quelle: ntv – Interview mit Prof. Dr. Viktor Winkler


Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe auf dem Land.

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Artikelinformationen

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9 Gedanken zu „Sanktions-Illusion: Warum Europas Kurs gegen Russland ins Leere läuft“

  1. Angeblich ist der EU nichts Besseres mehr eingefallen, als unter anderem den Export von Puzzles, Kinderspielzeug mit Motoren, Blumen, Moos, Kloschüsseln nach Russland verbieten. Ist zwar eine unbestätigte Meldung aus einem russlandfreundlichen Blog, aber zuzutrauen wäre es der EU.

    Abseits solcher Meldungen war ich aber auch schon immer der Meinung, dass Russland mit den Brics Staaten viel zu mächtige Freunde hat, als das Europa mit Sanktionen irgend etwas erreichen könnte. Dass Europa auch weiterhin fossile Brennstoffe von Russland bezieht, entweder direkt oder über Umwege, halte ich für die größte Farce und ein Beweis weiterer Unfähigkeit der EU. Und – das ganze ist gerade für Deutschland ein Bumerang. Die ökonomische Prosperität korrelierte direkt mit dem billigen Gas aus Russland. Seit Sprengung der Nordstream Pipeline durch die Ukraine?!, geht es wirtschaftlich bergab. Jede weitere Maßnahme oder Sanktion könnte den Ölpreis nach oben treiben; mit der Folge weiterer Grauimporte nach Russland, in der Hoffnung auf preiswertes Öl und Gas, um nicht vollständig von Trump Frackingöl abhängig zu sein. Es bleibt spannend.

  2. „Russland exportiere weiterhin Öl im großen Stil nach Indien und China – allein im vergangenen Jahr seien rund 200 Milliarden US-Dollar in Richtung Kreml geflossen. Gerade dort, bei den Abnehmern russischer Rohstoffe, müsste angesetzt werden, wenn man Präsident Putin tatsächlich an den Verhandlungstisch zwingen wolle.“

    Das sagt sich so leicht, ist aber angesichts realer Abhängigkeiten (seltene Erden, Chips, vielerlei Produkte) schlicht nicht drin!

    Blöderweise ist tatsächlich Trump der einzige aktuelle Hoffnungsträger. Nach seinem gestrigen Treffen mit XI verlautbarte er: «Wir werden beide zusammenarbeiten, um zu sehen, ob wir etwas schaffen». Sehr glaubhaft ist das nicht, sollte er allerdings wirklich irgendwann zum Kriegsende wesentlich beitragen, darf er wegen mir auch den so sehr gewünschten Friedensnobelpreis bekommen.

    Und zu China sollten unsere Politiker und Diplomaten netter sein! Angesichts der Lage ist es doch unsinnig, allein Trump zu hofieren.

  3. @Horst Schulte: „geschlossen handelnde“ EU? Hm… ich bin da nicht so optimistisch. Die Interessen der 27 Länder sind halt doch recht divers.

    Über China denke ich anders: Es war nicht „nett“ von uns, China zur aufstrebenden Wirtschaftsmacht werden zu lassen – es stand garnicht in unserer Macht, das zu verhindern (und davon abgesehen: mit welchem Recht hätte man das denn verhindern sollen?).

    Zuerst waren sie die Billig-Werkbank des Westens, denn bei uns mochte niemand mehr diese großteils händischen kleinteiligen Fabrikarbeiten mehr machen.

    China hat das aber nicht auf Dauer brav hingenommen, sondern hat gelernt, Kooperationen nur mit der Bedingung des Wissenstransfers zu schließen. Chinesen studierten im Westen und nach und nach konnte China höherwertigere Produkte herstellen und zunehmend auch selbst entwickeln. Die Billigarbeiten wanderten nach Vietnam, Kambodscha, Myamar… und China schrieb weiter seine Erfolgsgeschichte und ist ein mächtiger Konkurrent, natürlich auch durch massive staatliche Subventionen, aber die gibt es bei uns durchaus auch.

    „Im Jahr 2024 importierte Deutschland Waren im Wert von 157,2 Milliarden Euro aus China“ (Google-KI).

    Zu den Abhängigkeiten lies mal hier, Zitat:

    „Im Jahr 2024 hatte Deutschland in rund 230 industrienahen Warengruppen einen Importanteil aus China von mindestens 50 Prozent und somit eine potenziell kritische Abhängigkeit. 2023 traf dies auf rund 220 Warengruppen zu. 77 Warengruppen bilden dabei den harten Kern. Sie hatten in den vergangenen fünf Jahren konstant einen Importanteil aus China von mindestens 50 Prozent.“

    Dass wir soviel auch sehr Wichtiges importieren, geschieht ja nicht aus Jux und Dollerei! Auch sind es nicht nur die Kosten und Gehälter, die in China niedriger sind, auch unsere gepflegte Umwelt sähe wohl anders aus, wenn hierzulande seltene Erden und der ganze Chemie-Kram produziert würde. Das Dickicht an Gesetzen und Vorschriften (EU, Nationalstaat, Länger, Gemeinden), sowie die Errungenschaften des Sozialstaats (der sehr viel mehr ist als Bürgergeld) machen es doch zudem ganz unmöglich, all diese Produktionen zurückzuholen.

    Dann die absurd langen Arbeitszeiten in China, die zwar gesetzeswidrig sind, aber weithin üblich. Damit können und wollen wir garnicht konkurrieren.

    Weil ich wegen alledem nicht glaube, dass es für unseren Wohlstand förderlich wäre, es sich mit China richtig zu verderben, bin ich für Verhandlungen und Dialog – nicht nur mit Trump, auch mit Xi.

  4. @Horst Schulte:Mit China hat Deutschland den gleichen Fehler wie bereits vor zwanzig Jahren gemacht. Damals waren wir maßlos arrogant, man sprach von China-Schrott und Plagiaten, mehr könnten die Chinesen nicht.

    Mir hat seinerzeit in einer Vorlesung ein Prof. gesagt, die Wahrscheinlichkeit wäre ziemlich hoch, dass von den deutschen Automobilherstellern in den nächsten 25 Jahren nur zwei, drei überleben; diese Lücke jedoch sehr schnell von chinesischen Automobilherstellern geschlossen wird. Da sind wir jetzt fast.

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