Sabrina Amali war für mich der eigentliche Grund, gestern bei der ARD dranzubleiben. Ihre Nadirah Abaza trägt diesen Krimi, sie wirkt gleichzeitig verletzlich, fokussiert und glaubwürdig in ihrer Zerrissenheit zwischen Herkunft, Job und Loyalitäten. Während um sie herum das Berliner Grau wummert, bleibt sie der ruhige, kluge Mittelpunkt, an dem sich alles reibt und sortiert.
Inhaltlich hatte der Film einiges, was ich ausdrücklich richtig fand. Die permanente Bedrohung jüdischen Lebens in Deutschland ist kein Drehbuchkniff, sondern seit Jahren traurige Realität. In Sonntagsreden wird das gern betont, aber die Folgen selten so konsequent in einer Primetime-Erzählung durchgespielt. Dass sowohl rechte als auch linke Extremisten daran Anteil haben, ist ebenso unstrittig wie notwendig zu benennen – und das tat der Film in unzureichender Weise. Trotzdem war er für mich ein gutes Stück Unterhaltung.
Was mich aber geärgert hat, war der blinde Fleck. Die Schattenseiten des Lebens „unter Kartoffeln“ – also den mehrheitsdeutschen Verhältnissen – wurden breit ausgeleuchtet: Verstrickungen im Polizeiapparat, institutionelles Wegsehen, die Unsicherheit für alle, die sich nicht auf der Sonnenseite der Norm verorten. Das war stellenweise stark und bitter, aber auch sehr gewollt. Gleichzeitig blieb ein Punkt komplett außen vor: die Rolle muslimischer Einwanderer, wenn es um Antisemitismus und Gewalt gegen Jüdinnen und Juden geht.
Gerade in einem Film, der so dezidiert politische und gesellschaftliche Linien nachzeichnet, wirkt dieses Auslassen wie ein bewusstes Wegblenden. Statt ein vollständigeres Bild zu zeichnen, entsteht der Eindruck, als sei die Bedrohung ausschließlich ein Problem „der Deutschen“, genauer: der Kartoffeln, der Rechten und eines korrupten Sicherheitsapparats. Dass es hier Überschneidungen und toxische Allianzen mit Teilen der migrantischen Community gibt, taucht schlicht nicht auf.
Die Schlussszene hat für mich dann den Bogen überspannt. Ich habe sie so gelesen, dass das mögliche Heil – oder zumindest die Hoffnung – im Schulterschluss von Juden und Muslimen liegt, quasi als Gegenentwurf zu einem feindlichen deutschen Umfeld. Das mag gut gemeint sein, aber in dieser Zuspitzung empfinde ich es als unterkomplex und, ja, auch als ziemlich schäbig. Als Kartoffel fühle ich mich nicht dadurch angegriffen, dass mir institutioneller Rassismus vorgeführt wird. Ich fühle mich angegriffen, wenn so getan wird, als könne das Unheil nur von „uns“ kommen und das Gelingen nur in einer Allianz „der Anderen“ liegen.
Das Problem ist nicht, dass der Film eine klare Haltung einnimmt. Das Problem ist, dass er an einer entscheidenden Stelle kneift. Antisemitismus in Deutschland ist vielschichtig, kommt von rechts, von links, aus der Mitte – und eben auch aus Teilen muslimischer Milieus. Wer das eine groß in den Vordergrund stellt und das andere komplett ausspart, erzählt keine mutige Geschichte, sondern eine bequeme. Und das kratzt dann selbst an einem ansonsten starken Krimi, der so viel richtig macht und dessen Hauptfigur deutlich mehr Komplexität verdient hätte, als ihr das Finale zugesteht.



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