Als hätte es hier je einen Mangel an Wolken gegeben. Ich wurde erwachsen mit Rudi Carrells legendärem »Wann wird es endlich wieder Sommer?«. Wie sich die Zeiten ändern. In den 80er Jahren gingen meine Frau und ich mit unseren geliehenen Kindern an den wenigen schönen Sommertagen sehr gern ins Wellenbad. Das RWE machte es möglich. Die Kosten für das Betreiben haben schon damals die Möglichkeiten der Kommune gesprengt. Leider wurde es vor Jahrzehnten aus Kostengründen geschlossen. Ich glaube nicht, dass sich dieses wunderschöne Schwimmbad mit seinen weitläufigen Wiesen, nicht gerechnet hätte. Da wir aber nur am Wochenende und bei schönem Wetter dort waren, mag dieses Gefühl täuschen.
Die Ortschaft Frimmersdorf befindet sich in unmittelbarer Nähe dieses Wellenbades. Und damit war eines der Kraftwerke nicht weit entfernt. Einen Nachteil hatte diese Lage allerdings. Je nach Windrichtung zogen die riesigen Wolken über das Schwimmbad und verweilten dort stundenlang, wenn man Pech hatte. Ansonsten haben wir mit den Kindern wunderbare Stunden verlebt.
Unsere Gegend ist dominiert von RWE-Kraftwerken. Damals war das RWE hier der größte Arbeitgeber. Inzwischen hat sich dies geändert und die Kommunen kämpfen neben Strukturproblemen auch aus anderen Gründen mit finanziellen Problemen. Steuergeld und großzügige finanzielle Zuwendungen, die damals normal waren, sind Vergangenheit. Die Gründe dafür sind bekannt. Fast jedes Städtchen hatte ein Freibad, mehrere Hallenbäder und Turnhallen. Wie viele davon von Rheinbraun und RWE gesponsert waren, kann ich nicht sagen. Jedenfalls erinnert man sich angesichts immer weiter schwindender Spielräume der Gemeinden daran, wie es einmal gewesen ist.
Das ist allerdings auch nur eine Seite der Medaille. Die andere sieht so aus, wie sie im Arte-Film in ca. 31 Minuten gezeigt wird. Überall stehen oder ziehen die Wolken, man möchte sie vielleicht manchmal lieber Rauchschwaden nennen, die die Kraftwerke bis heute immerhin zum Teil aus ihren Diensten entlassen. Sie ziehen fort, nicht ohne ihre vermutlich schädlichen Inhaltsstoffe. Dass unsere Gegend lufttechnisch nicht gerade als beispielhaft beschrieben wird, versteht sich angesichts dieser Emissionen von selbst.
Wie im Arte-Film deutlich wird, gehören diese Fabriken zum historischen Bild unserer Region. Manche erkennen darin sogar ein Stück Heimat wieder. Soweit würde ich nicht gehen, obwohl sich auch bei mir ein solches Gefühl einstellte, wenn wir der Heimat mit dem Auto wieder ein Stück näher kamen. Das machte sich nicht durch den Anblick von Kraftwerken bemerkbar. Da gab’s andere, allerdings auch eher technische Merkmale (Autobahnkreuze etwa), die mir sagten, dass wir bald zu Hause sind. Die langen Standbilder im Film, die Straßenzüge, mitunter auch Umzüge, zeigen eine geradezu überwältigend unattraktive Landschaft. Ich würde sagen, freiwillig würde ich hierher nicht umziehen, falls es denn angestanden hätte. Aber so. Ich bin in dieser Region geboren, aufgewachsen und habe hier mein Leben verbracht. Ein gutes Leben. Da gibt’s nichts drumherumzureden.

Der Film zeigt mir erneut, dass das menschliche Auge die Dinge vollkommen anders wahrnimmt, als es die Kamera tut. Das ist beim Film nicht anders als auf Fotos. Ich hätte immer Stein und Bein geschworen, dass die Kamera den Objekten eher schmeichelt, sie schöner erscheinen lässt und das menschliche Auge die Dinge realistischer, ganz bestimmt weniger schmeichelhaft, wahrnimmt. Wie man sich irren kann.


