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Zwischen Reformdrang und Vertrauenskrise – ein Abend mit Illner & Lanz

Bei "Illner" ging es um die Reformbedürftigkeit des Sozialstaats, insbesondere Bürgergeld und Missbrauchsdebatten; bei "Lanz" dominierten Koalitionsstreit, Sozialstaat und parteiinterne Spannungen – ein Abend, der mehr Fragen als Antworten hinterließ.

Gestern habe ich mehr geschrieben als gewöhnlich. Und auch sonst ist es in diesen Zeiten nicht wenig, was mir durch Kopf und Tastatur geht. Ich bin davon überzeugt, es wird vielen Menschen in diesen Zeiten so ähnlich ergehen.

Gestern Abend habe ich Illner und Markus Lanz angesehen. Ja, ich weiß. Warum tut man sich das an? Ich finde darauf keine gescheite Antwort. Ein Stück Wahnsinn wird mitschwingen. Oder gar ein Hang zum Masochismus. Oh, zu privat soll’s doch nicht werden…

Sozialstaat in der Zerreißprobe

Bei Maybrit Illner stand am 25. September das Thema „Sozialstaat in Not – teuer, ungerecht, missbraucht?“ im Zentrum.  Gäste wie Paul Ziemiak (CDU), Philipp Türmer (Jusos), Verena Bentele (VdK) und Boris Palmer diskutierten, wie sehr der Staat überlastet sein könnte – und ob Reformen, von denen alle reden, nicht doch vor allem Symbolpolitik sind.  Es ging um die Frage, wer überhaupt Anspruch hat – und wer ihn genießt – und darum, ob sich Leistung lohne, wenn man auf die hohen Abgaben und im Verhältnis auf zu niedrige Nettowerte stößt. Palmer warnte vor einer düsteren Zukunft des Sozialstaats, zeigte sich skeptisch gegenüber dem Flickenwerk beim Bürgergeld. 

Kritik kam auch daran, dass fundamentale Fragen oft ausgeklammert würden, zugunsten punktueller Auseinandersetzungen. Der Missbrauch von Sozialleistungen war ein dominierendes Thema der Diskussion. Dabei denke ich, dass es sehr viel mehr gäbe, das man im Interesse der Finanzierbarkeit unseres Staates diskutieren sollte. So kam mir die Finanznotlage von immer mehr Kommunen in den Kopf – auch in Baden-Württemberg und Bayern gibt es die übrigens mehr und mehr.

Es war in meinen Augen typisch, wie Juso-Chef Türmer reagierte, als von Sinti und Roma, von Menschen aus Bulgarien und Rumänien die Rede war und vom bandenmäßigen Leistungsmissbrauch. Ich verstehe ihn einerseits, weil das Benennen von Ross und Reiter für Menschen mit vergleichbarer Sozialisation weiterhin ein No-Go ist und weil sich solche Klagen nach rassistischen oder anderen schlechten Motiven anhören. Wir müssen den Tatsachen ins Auge sehen und dürfen uns nicht vormachen, alles Leid auf diesem Planeten heilen zu können. Dieses Land hat sich übernommen. Dass manche damit u. U. verschiedene Begleiterscheinungen anders gewichten, gehört mit zum Problem. Mir gehen die Aussagen des Hagener Oberbürgermeisterkandidaten nicht aus dem Kopf, der für seine Stadt die Dinge klar beim Namen genannt hat und der während seines Vortrages bei Markus Lanz immer wieder betonte, man möge ihn bitte nicht missverstehen. So ist das heute.

Die Angst prägt und verärgert viele Menschen, nicht einmal das aussprechen zu können, was viele fundamental belastet. Verdreckte Innenstädte und ein ganz anderes Straßenbild als noch vor 20 Jahren zähle ich dazu. Da mögen andere anhand ihrer nicht abgelegten ideologischen Scheuklappen noch so vehement widersprechen. Uns fällt das auf die Füße, was wir lange Zeit hindurch durch sprudelnde Steuereinnahmen halbwegs kaschieren konnten. Das ist nun zu Ende und die Dinge verändern sich in einem geradezu rasenden Tempo. Mich wundert schon, dass Linke und Grüne diese Entwicklung so virtuos auszublenden in der Lage sind.

Koalitionen, Rhetorik und innerparteiliche Spannungen

Bei Markus Lanz war die dramatische Lage ebenso spürbar. Es war nicht nur ein Streit über Inhalte, sondern über Sprachgewalt und über das, was noch zu vermitteln ist.  Schon in Vorankündigungen war zu lesen, dass etwa SPD-Vize Alexander Schweizer den Themensetzungen der Union widersprechen würde. In der Debatte traf einmal mehr Ideologie auf Praktikabilität – und Emergenzen auf Symbolpolitik. Die Parteipositionen standen weniger im Fokus als die Streitigkeiten und Spannungen, die sie offenlegen.

Der Bauch als Resonanzraum

Während ich zuhörte und zusah, kreisten meine Gedanken um das, was unausgesprochen bleibt. Die Talkshows haben die Macht, Themen zu beleuchten und zu setzen – aber oft bleiben Bruchteile der Wirklichkeit außen vor: Wie stark spüren die Menschen in den Regionen solche Reformdebatten? Welche Ängste weben sich ins Vertrauen in den Staat? Wo bleibt Empathie für diejenigen, die am Rande der Reformen stehen? Ich fragte mich: Ist der Diskurs noch verbindend oder längst fragmentierend? Letzteres ist längst der Fall (Warren Buffet).

Gesamteindruck & persönliche Reflexion

Der gestrige Abend offenbarte einmal mehr: Wir stehen in einem Übergang, in dem alles auf dem Prüfstand steht – nicht nur das Sozialsystem und damit verbundene Rechtsfragen (Verfassungsgerichtsurteile), sondern das Vertrauen, mit dem Menschen Staat, Politik und einander begegnen. Ich spürte eine beklemmende Schwere in den Stimmen, eine Unruhe hinter der Rhetorik, die mich nicht loslässt. Talkshows wie diese sind Spiegel, aber auch Amplifikatoren – sie zeigen, was bereits schwelt.

Mich drückt die Sorge, dass wir uns rhetorisch überholen, ohne Rücksicht auf das, was so dringend erhalten werden muss: Solidarität, Mitsprache, Zugehörigkeit. Ich fürchte, dass Debatten zu sehr in Polarisierung abdriften, und dabei das verloren geht, was uns zusammenhält. Und doch, trotz Resignation, wächst der Wunsch, dass wir genauer hinhören – und achtsamer sprechen.

Ich hoffe, meine Worte tragen etwas von meiner Unruhe, meiner Besorgnis zu den Wenigen, die dies zufällig lesen.

Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

- alleiniger Autor dieses Blogs -

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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