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Zwischen Zufriedenheit und Kritik: Persönliche Gedanken zum 3. Oktober

Im kommenden Jahr feiern meine Frau und ich, so Gott will, unseren 50. Hochzeitstag. Wir sind uns einig: Wir hatten ein schönes Leben, es hat uns an nichts gefehlt. Neid oder den Druck, ständig etwas optimieren zu müssen, haben wir nie empfunden. Auch ein Haus haben wir nicht gebaut – obwohl es möglich gewesen wäre. Es hat uns schlicht nicht gefehlt.

Natürlich verstehe ich, dass viele Menschen ihr Leben nach Zielen ausrichten, die von Erwartungen oder von einem subtilen Vergleichsdruck geprägt sind. Für uns war das nie ein Maßstab.

Über Nostalgie und die Vergangenheit

Mit nostalgischen Rückblicken tue ich mich schwer. Ich kann sie nachvollziehen, wirklich sympathisch sind sie mir aber nicht. Übrigens auch dann nicht, wenn ich solchen Gedanken selbst verfalle, was gelegentlich vorkommt. Nostalgie gehört in die Vergangenheit – und manche scheinen genau das auszublenden.

In den 1980er-Jahren habe ich mich oft gefragt, wohin uns dieses permanente „Mehr“ führt: mehr Autos, mehr Abfall, immer höhere Ansprüche.

Der Individualismus und der daraus entstandene Egoismus sind in meinen Augen die zerstörerischen Begleiterscheinungen dieser Entwicklung.

Gedanken zur Wiedervereinigung

Rückblickend erinnere ich mich gerne an die Bonner Jahre. Damals stellte die Bundesrepublik keine Führungsansprüche – diese Zurückhaltung empfand ich als äußerst angenehm (Nostalgie). Heute fällt mir auf, dass manche Ostdeutsche die Wiedervereinigung als das Ergebnis von Fremdbestimmung wahrnehmen.

Diese Sichtweise verbindet sich mit der Klage über dauerhafte Benachteiligung und bildet das Fundament für das populistische Narrativ, wir lebten längst nicht mehr in einer Demokratie. Das schießt so weit übers Ziel hinaus, dass ich mich jedes Mal aufrege, wenn ich es lese.

Ich sehe mit Sorge, dass sich dieses Stimmungsbild verschärfen könnte, wenn unser Sozialstaat angesichts knapper werdender Mittel weniger leisten kann. Das steht uns aber unweigerlich bevor. Wie wollen wir eine solche Krise erfolgreich bestehen, wenn die Menschen schon jetzt, bevor sie wirklich Realität ist, Zeter und Mordio schreien?

Die Repräsentanz Ostdeutscher

Übrigens ist die Repräsentanz von Ostdeutschen im Bundestag gar nicht schlecht: Rund 21 % der Abgeordneten stammen von dort. Dass es in anderen Bereichen wie Wirtschaft, Medien oder Kultur noch Nachholbedarf gibt, bleibt unbestritten. Einfluss im politischen Spektrum haben Ostdeutsche allerdings sehr wohl. Nutzen sie diesen oder beklagen sie sich lieber?

Vielleicht zeigt sich in meiner Einstellung, dass ich in mancher Hinsicht wirklich konservativ ticke: In der alten Bundesrepublik habe ich mich wohler gefühlt. Diese Empfindung wollte ich einmal festhalten – wohl wissend, dass sie nicht allen gefallen wird.

Horst Schulte

Herausgeber, Blogger, Amateurfotograf

- alleiniger Autor dieses Blogs -

Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

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4 Gedanken zu „Zwischen Zufriedenheit und Kritik: Persönliche Gedanken zum 3. Oktober“

  1. wenn unser Sozialstaat angesichts knapper werdender Mittel

    Ich bin überzeugt davon, dass genug Mittel da wären! Allerdings ist es nicht gewünscht.

  2. Kleine Bemerkung am Rande: Daß wir uns weniger leisten können ist eine Mär. Wer sich immer weniger leisten kann – wenn man davon überhaupt reden mag – ist der am wenigstens finanzstarke Teil der Bevölkerung.
    Ghandi an dieser Stelle: There is enough for everyone’s need, but not for everyone’s greed.
    Wo bleibt die Wiedereinführung der Vermögenssteuer, zum Beispiel? Stattdessen wird über eine Reform des Bürgergeldes salbadert. Nichts neues unter der Sonne …

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