Treue und Dankbarkeit

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In die­sem Jahr sind Irm­gard und ich 40 Jah­re ver­hei­ra­tet. Die aus die­sem Anlass geplan­te Schiffs­rei­se wer­den wir ver­schie­ben. Zeit genug hät­ten wir. Aber es gibt ande­re Prioritäten.

Vor kur­zem waren wir zum 60. Geburts­tag eines mei­ner ältes­ten Freun­de ein­ge­la­den. Er wohnt in Köln, also nicht weit weg von uns. Trotz­dem sehen wir uns manch­mal jah­re­lang nicht. Das tut kei­nen Abbruch.

Für sei­ne Gäs­te hielt er klei­ne Anspra­che. Er sprach von gro­ßer Dank­bar­keit, die er für sein in man­cher­lei Hin­sicht pri­vi­le­gier­tes Leben emp­fin­de. Das hat mich berührt. Wahr­schein­lich des­halb, weil ich das von ihm nicht erwar­tet habe. Aller­dings wohl auch des­halb, weil mei­ne Frau und ich eben­falls gro­ße Dank­bar­keit emp­fin­den, wenn wir auf unser Leben und auf unse­re Kind­heit zurückblicken.

Mei­ne Eltern hat­ten zeit ihres Lebens einen gro­ßen Freun­des- und Bekann­ten­kreis. Mama hat mir nicht nur ein­mal ein­dring­lich emp­foh­len, auf mei­ne Freun­de zu ach­ten, unse­re Freund­schaf­ten zu pflegen.

Ich weiß heu­te, dass das Leben trot­zi­ge Ereig­nis­se bereit­hält, die das nicht ganz so ein­fach machen wie es den Anschein hat. Die Grün­de dafür kön­nen viel­fäl­ti­ger Natur sein. Und wenn es die eige­ne Bequem­lich­keit ist.

Von ande­ren Hin­der­nis­sen haben wir früh in unse­rer Ehe erfah­ren, als sich ein mit uns eng befreun­de­tes Ehe­paar nach weni­gen Jah­ren Ehe wie­der schei­den ließ. Ich bin kein Mora­list und auch nicht jemand, der den kirch­li­chen Gebo­ten um die Unauf­lös­lich­keit der Ehe viel Bedeu­tung bei­mes­sen wür­de. Irm­gard und ich beka­men aus nächs­ter Nähe mit, wie schlimm es ist, wenn der Mensch, den man liebt, sich plötz­lich von einem abwendet.

Viel­leicht war es die Ent­täu­schung über das Ver­hal­ten mei­nes Freun­des. Ich ken­ne ihn von Kind an. Wir haben für lan­ge Zeit unse­ren engen Kon­takt ver­lo­ren. Im Lauf der Jah­re ergab es sich, dass ich bei einer erneu­ten Hoch­zeit mei­nes Freun­des Trau­zeu­ge war. Lei­der wur­de auch die­se Ehe nach kur­zer Zeit geschieden.

Wir sind Freun­de geblie­ben. Wenn wir uns nach län­ge­rer Zeit wie­der­se­hen stellt sich eine Ver­traut­heit ein, die ich für außer­ge­wöhn­lich hal­te. Ihm geht es nicht anders.

Bezie­hun­gen schei­tern und das lei­der nicht sel­ten. Ist man mit bei­den Ehe­part­nern freund­schaft­lich ver­bun­den, kann das dazu füh­ren, dass die Kon­tak­te zumin­dest zu einem der Part­ner abbre­chen. Man ent­frem­det sich, obwohl man das durch­aus nicht gewollt hat.

4 gute Freun­de sind nicht viel. Aber gute Freun­de fin­det man eben auch nicht so leicht. Und man kann sie leicht ver­lie­ren. Einer ist ver­stor­ben, drei haben sich von ihren Part­nern getrennt und leben heu­te nicht mehr in unse­rer Nähe. Da wird es ein­sam um einen her­um. Also doch zu wenig Freund­schaf­ten gepflegt? Ich glau­be, das kann man so nicht sagen. Das Leben ist Ver­än­de­rung, auch wenn es in unse­rem Fall über lan­ge Zeit danach aus­sah, als ver­än­de­re die Zeit nur die ande­ren. Wir haben unse­re Eltern und Ver­wand­ten lan­ge gehabt. Das ist etwas Wert­vol­les, das wir oft nicht so zu schät­zen wis­sen, wie es sein sollte.

Jeder defi­niert Begrif­fe wie Freund­schaft ein wenig anders. Ich ken­ne Men­schen, die sehr genau unter­schei­den zwi­schen Freun­den, Arbeits­kol­le­gen und Bekann­ten. Das mache ich, bis auf ganz weni­ge Aus­nah­men, auch so. Im Gegen­satz zu mir trifft mei­ne Frau bis heu­te ihre „alten“ Arbeitskollegen.

Der Mensch ist ein Gewohn­heits­tier (sag­te mein Vater gern)

Unse­rem Fri­seur hal­ten wir bei­de gemein­sam seit 40 Jah­ren die Treue. Es gab, mei­ne ich, in einem der Tei­le von „Der Pate“ eine Sze­ne, in der Don Cor­leo­ne mit sei­nem Fri­seur nach Jahr­zehn­ten ein erns­tes Gespräch führ­te. Für ver­gleich­ba­re Bean­stan­dun­gen hat­ten weder mei­ne Frau noch ich bis­her Anlass. 😆

Wenn wir unse­re (zahl­rei­chen) Onkel und Tan­ten, die lei­der inzwi­schen fast alle ver­stor­ben sind, besuch­ten, fiel mir auf, dass eini­ge sich offen­sicht­lich von ihren alten Möbeln, Fern­se­hern und Musik­an­la­gen – manch­mal sogar ihren Tape­ten – nicht recht tren­nen moch­ten. Ich habe mir das damit erklärt, dass sie halt einer ande­ren Gene­ra­ti­on ent­stamm­ten oder manch­mal auch damit, dass sie alt waren.

Da war man, wie ich anzu­neh­men bereit war, einen Tick spar­sa­mer als heu­te. Sie leben ein ande­res Leben als ihre Kin­der, Nich­ten und Nef­fen, die fast alle das „bes­se­re Leben“ füh­ren, das sich ihre Eltern für sie gewünscht hatten.

Wenn ich mich heu­te in unse­rer Woh­nung umschaue, fal­len mir zwei Gegen­stän­de ins Auge, die Irm­gard und ich gleich zum Anfang unse­rer Ehe gekauft haben.

Es ist das Bild, das ich hier als Titel­bild ver­wen­de und die­se so genann­te Sägeuhr. Sie funk­tio­niert zwar nicht mehr (rich­tig). Aber sie noch ein­mal repa­rie­ren zu las­sen schei­tert dar­an, dass es nicht ganz ein­fach ist, einen guten Uhr­ma­cher zu fin­den, der sol­che Auf­trä­ge annimmt.

Sägeuhr

Es wür­den sich bestimmt noch wei­te­re Sachen fin­den. Ich den­ke da auch an alte Haus­halts­ge­rä­te, die wir damals zur Hoch­zeit geschenkt beka­men, die wir so gut wie nie benutzt haben und die trotz­dem immer noch da sind. Mei­ne Schwie­ger­mut­ter (91) erzähl­te ges­tern davon, dass sie immer noch ein Bild im Kopf hät­te. Onkel K. aus D. brach­te ein Bügel­brett mit, das er uns am Pol­ter­abend zur Hoch­zeit schenk­te. Wahr­schein­lich erin­ne­re ich mich des­halb dar­an, weil sie immer mal wie­der davon erzählt, wenn wir über die­se Zeit spre­chen. Das Bügel­brett war übri­gens eines der Mar­ke „Leif­heit“. Das Unter­neh­men, für das ich Jahr­zehn­te spä­ter 18 Jah­re lang gear­bei­tet habe. Die­ses Teil wird immer noch benutzt. Unglaub­lich, nicht?

Außer­dem gibt es noch etwas, das wir seit 40 Jah­ren nut­zen. Und zwar täg­lich, außer sonn­tags. Es ist der Köl­ner Stadt-Anzei­ger, den wir in die­sem Jahr seit 40 Jah­ren abon­niert haben. Frü­her haben wir uns die Zei­tung sogar per Nach­sen­de­auf­trag in den Urlaub schi­cken las­sen. Hat immer geklappt. Aber das ist heu­te nicht mehr nötig. Wäh­rend unse­res Urlaubs geht er statt­des­sen ins Alten­heim um die Ecke.

Irm­gard und ich fei­ern unse­ren 40. Hoch­zeits­tag zwei­mal. Das ist nix beson­ders, weil wir jeden Hoch­zeits­tag zwei­mal fei­ern. Wir haben im Juni stan­des­amt­lich gehei­ra­tet und im Okto­ber kirch­lich. Wir haben damals stan­des­amt­lich vor­ab gehei­ra­tet, weil wir ansons­ten unse­re Woh­nung nicht hät­ten bezie­hen kön­nen. Da gab es bei Woh­nungs­ge­sell­schaf­ten damals noch stren­ge Richt­li­ni­en. Hier auf dem Land jedenfalls :-/

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.
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2 Gedanken zu „Treue und Dankbarkeit“

  1. Mit Ende 20 hat es mich rich­tig geschockt hat, in was braun ver­gilb­ten uralten Tape­ten alte Leu­te wohn­ten, die ich als Mie­ter­be­ra­te­rin auf­such­te. Jetzt weiß ich, wie sich sowas ent­wi­ckelt: Je älter man wird, des­to weni­ger mach­bar wird die in jun­gen Jah­ren übli­che Do-it-yours­elf-Reno­vie­rung. Nicht nur der Mega-Auf­wand schreckt, son­dern auch die Anstren­gung, die Unfall­ge­fahr… auf der Lei­ter über Kopf eine Alt­bau­de­cke strei­chen – wer traut sich das denn wie lange?
    Machen las­sen kos­tet wie­der­um ganz schön viel Geld, schmä­lert den Auf­wand des Rum­räu­mens aber kaum. Hin­zu kom­men frem­de Hand­wer­ker in der Woh­nung, auf die man ach­ten muss… kurz­um: fürs Ver­schie­ben spricht vieles! 🙂

    Schön, auch mal was Pri­va­tes zu lesen – und Glück­wunsch zu 40 Jah­ren offen­bar glück­li­cher Ehe!

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