Türkische Pressefreiheit war einmal

Bei den Dis­kus­sio­nen über die Ein­schrän­kung der Pres­se­frei­heit durch Erdo­gans Regime höre ich immer genau hin, wenn tür­ki­sche Stim­men sich hier­zu äußern. Mir kommt es so vor, als ver­tei­di­gen die aller­meis­ten Erdo­gans Kurs. Und zwar mit Argu­men­ten, die ich per­sön­lich nicht nach­voll­zie­hen kann. Nicht nur Böh­mer­mann Inwie­weit ich die Böh­­mer­­mann-Affä­­re und die Reak­ti­on der tür­ki­schen Com­mu­ni­ty dar­auf von den Repres­sa­li­en gegen Jour­na­lis­ten, also den Vor­gän­gen in der Tür­kei selbst, ordent­lich von­ein­an­der tren­ne, will ich nicht beur­tei­len. Ich gebe zu, da geht schnell etwas durch­ein­an­der. Die tür­ki­schen Kolum­nis­ten Cey­da Karan und Hik­met Cetin­ka­ya wur­den am Don­ners­tag jeweils zu zwei Jah­ren Haft ver­ur­teilt. Das Urteil, so lese ich im Köl­ner Stadt-Anzei­­ger in einem Arti­kel zum heu­ti­gen Tag der Pres­se­frei­heit, soll im Sin­ne des Prä­si­den­ten Erdo­gan sein. Zwei Jah­re für ein Bild des Pro­phe­ten Was haben die bei­den Zei­tungs­ko­lum­nis­ten ver­bro­chen, dass ein Rich­ter sie für zwei Jah­re ins Gefäng­nis schickt? Aus mei­ner per­sön­li­chen Sicht arg wenig. Für das tür­ki­sche Gericht… 

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Bei den Dis­kus­sio­nen über die Ein­schrän­kung der Pres­se­frei­heit durch Erdo­gans Regime höre ich immer genau hin, wenn tür­ki­sche Stim­men sich hier­zu äußern. Mir kommt es so vor, als ver­tei­di­gen die aller­meis­ten Erdo­gans Kurs. Und zwar mit Argu­men­ten, die ich per­sön­lich nicht nach­voll­zie­hen kann.

Nicht nur Böhmermann

Inwie­weit ich die Böh­mer­mann-Affä­re und die Reak­ti­on der tür­ki­schen Com­mu­ni­ty dar­auf von den Repres­sa­li­en gegen Jour­na­lis­ten, also den Vor­gän­gen in der Tür­kei selbst, ordent­lich von­ein­an­der tren­ne, will ich nicht beur­tei­len. Ich gebe zu, da geht schnell etwas durcheinander.


Die tür­ki­schen Kolum­nis­ten Cey­da Karan und Hik­met Cetin­ka­ya wur­den am Don­ners­tag jeweils zu zwei Jah­ren Haft ver­ur­teilt. Das Urteil, so lese ich im Köl­ner Stadt-Anzei­ger in einem Arti­kel zum heu­ti­gen Tag der Pres­se­frei­heit, soll im Sin­ne des Prä­si­den­ten Erdo­gan sein.

Zwei Jahre für ein Bild des Propheten

Was haben die bei­den Zei­tungs­ko­lum­nis­ten ver­bro­chen, dass ein Rich­ter sie für zwei Jah­re ins Gefäng­nis schickt?

Aus mei­ner per­sön­li­chen Sicht arg wenig. Für das tür­ki­sche Gericht aber hat das Weni­ge genügt. Die Kolum­nis­ten haben in ihrer Zei­tung „Cum­hu­ri­y­et“ das ers­te Titel­co­ver der fran­zö­si­schen Sati­re­zeit­schrift „Char­ly Heb­do“ nach den Anschlä­gen auf die Redak­ti­on mit zwölf Toten über­nom­men. Die­ses Cover zeigt den Pro­phe­ten, der trau­rig drein­blickt. Auf dem Cover ist ein Schild mit der Auf­schrift „Je suis Char­lie“ zu lesen. Außer­dem steht dort „Alles ist ver­ge­ben“.

Nun wis­sen wir, dass schon die Dar­stel­lung des Pro­phe­ten in der isla­mi­schen Welt nicht erlaubt oder jeden­falls nicht gern gese­hen ist. Wie Isla­mis­ten auf die kri­ti­sche Dar­stel­lun­gen reagie­ren, haben wir in den letz­ten Jah­ren mehr­fach erlebt. Es waren für west­li­che Gemü­ter ver­stö­ren­de, erschre­cken­de Bil­der von zor­ni­gen, aggres­si­ven und gewalt­tä­ti­gen mus­li­mi­schen Män­nern und Frau­en. Mit unse­ren Vor­stel­lun­gen sind sol­che Reak­tio­nen ein­fach unver­ein­bar und völ­lig inakzeptabel.

Allahu akbar! – gehts auch ohne Pressefreiheit?

Dass im tür­ki­schen Gerichts­saal nach der Ver­kün­dung des Urteils gegen die bei­den Kolum­nis­ten laut­hals der Ruf „Alla­hu akbar!“ ertön­te, macht nach­denk­lich. Die ver­ur­teil­te Cey­da Karan sah in die­sen Rufen sowie in die­sem dras­ti­schen Urteil gegen sie und ihren Kol­le­gen einen Beweis für die fort­schrei­ten­de Isla­mi­sie­rung der Türkei.

Vor eini­gen Tagen las ich, dass die tür­ki­sche Bevöl­ke­rung sich nie­mals damit ein­ver­stan­den erklä­ren wür­de, die vom tür­ki­schen Par­la­ments­prä­si­den­ten Ismail Kahr­a­man gefor­der­te isla­mi­sche Ver­fas­sung zu beschlie­ßen. Wenn man sich die Stim­men­ver­hält­nis­se, übri­gens auch in Deutsch­land, ver­ge­gen­wär­tigt, besteht für die­se Gelas­sen­heit aus mei­ner Sicht kein Grund.

Die Tren­nung von Staat und Reli­gi­on ist in der aktu­el­len Erdo­gan-Tür­kei schon jetzt kein unum­stöß­li­ches Dog­ma mehr.

Mus­ta­fa Kemal Ata­türks säku­la­re Tür­kei wird unter die­ser Füh­rung sicher nicht mehr lan­ge fort­be­stehen. Die für demo­kra­ti­sche Rechts­staa­ten selbst­ver­ständ­li­che Gewal­ten­tei­lung ist in der Tür­kei heu­te bereits außer Kraft gesetzt, denn es wer­den Gerichts­ur­tei­le gefällt, die Erdo­gan in den Kram pas­sen. Ent­spre­chen Rich­ter nicht den Wün­schen Erdo­gans, so bekom­men auch sie den lan­gen Arm des Prä­si­den­ten zu spüren.

Ich wür­de mich zu die­sen tür­ki­schen Inter­na nicht äußern, wenn mit uns in Deutsch­land nicht Mil­lio­nen von Tür­ken oder Tür­kisch-Stäm­mi­gen leben wür­den. Vie­le ver­tei­di­gen Erdo­gan gegen Böh­mer­mann. Dafür habe ich Ver­ständ­nis. Pres­se­frei­heit und Mei­nungs­frei­heit kön­nen Gren­zen gesetzt sein. Zum Bei­spiel dort, wo Per­sön­lich­keits­rech­te ver­letzt werden.

Kein Ver­ständ­nis habe ich aller­dings dafür, dass vie­le Tür­ken in Deutsch­land das Regime Erdo­gan auch in ande­ren Belan­gen unter­stüt­zen. Das habe ich zuletzt bei der aus mei­ner Sicht nach­voll­zieh­ba­ren Kri­tik am Ein­fluss der Ditib auf die in Deutsch­land akti­ven Moscheen wie­der erfahren.

Führen wir einen „Stellvertreterkrieg“?

Immer wie­der habe ich das Gefühl, dass – in Deutsch­land – ein „Stell­ver­tre­ter­krieg“ geführt wird. Ist man (der Deut­sche) gegen Erdo­gan, ist man gegen (die) Tür­ken. In einer intak­ten Gesell­schaft wäre das so nicht oder jeden­falls nicht so deut­lich. Ich per­sön­lich glau­be, dazu tra­gen auch Erdo­gans Wahl­kampf­be­su­che in Deutsch­land bei. Ich ver­ste­he nicht, dass die Deut­sche Regie­rung das über­haupt zulässt!

Aber was will man schon in einem Land erwar­ten, in dem eine Par­tei, die sich selbst (aus Grün­den) als auf­stre­ben­de Volks­par­tei begreift, in ihr Par­tei­pro­gramm hin­ein­schreibt: „Der Islam gehört nicht zu Deutsch­land“?

Ich emp­fin­de es so, dass wir den Mus­li­men immer deut­li­cher zei­gen, wie wenig wir ihre Reli­gi­on (und sie?) schät­zen. Wir sen­den rück­sichts- und beden­ken­los Signa­le an eine gro­ße Bevöl­ke­rungs­grup­pe in unse­rem Land, die Män­ner wie Erdo­gan für sich zu instru­men­ta­li­sie­ren verstehen.

Wir müs­sen auf die Ein­hal­tung unse­rer Geset­ze und Regeln bestehen! Aber der Raum für Kul­tur und Reli­gi­on darf in einer Demo­kra­tie unter kei­nen Umstän­den so beschnit­ten wer­den, wie die AfD es ihrer Kli­en­tel ver­spro­chen und zum Teil sug­ge­riert hat. Denn – längst ist noch nicht alles the­ma­ti­siert, was die Schritt­ma­cher der Par­tei in ihren Köp­fen bergen. 

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.
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2 Gedanken zu „Türkische Pressefreiheit war einmal“

  1. Selbst eine AFD in Regie­rungs­ver­ant­wor­tung käme wohl an einem Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt nicht vor­bei. Also kei­ne Angst.

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