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2 Minuten

Reue zeigen aber Alter und Herkunft verschweigen

Wie passt es eigentlich zusammen, dass Mias Mörder in der Gerichtsverhandlung zwar angeblich Reue gezeigt hat, sein Alter und seine Herkunft jedoch nicht verraten wollte?

Das Alter hätte vermutlich wohl gravierende Wirkung auf das Strafmaß gehabt. Es wäre ggf. nicht mehr das Jugendrecht zur Anwendung gekommen.

Die Staatsanwaltschaft in Landau Revision hat gegen das Urteil eingelegt. Der mutmaßliche Afghane wird, falls die Revision erfolgreich ist, statt 8 1/2 10 Jahre ins Gefängnis gehen. Danach droht die sofortige Abschiebung. Die Prüfungen dazu laufen dem Vernehmen nach.

Urteilsschelte ist unerwünscht. Man würde sich nur mit den Rechten gemein machen, so ein Grund.

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Ist es nicht ein beredtes Beispiel für die Art von Urteilen, über die wir seit Langem ständig streiten? Ob man nun der populistischen Urteilsschelte zustimmen mag oder nicht, zufrieden stellen solche Gerichtsentscheidungen viele Leute nicht. Es geht bei der lauter werdende Kritik nicht um Urteile gegen straffällig gewordene Geflüchtete. 

Die Intention des Jugendstrafrechts ist mir schon bekannt. Es dominiert der erzieherische Aspekt. Aber hätte der Täter von Kandel, der brutal und rücksichtslos gemordet hat und der im Prozess nicht bereit war, sich zu privaten Fragen (Alter, Herkunft) zu äußern, nicht anders angefasst werden müssen?

Ich hoffe, das Gericht hat alles versucht, die Grundlagen für den Prozess zu klären. Mir bleibt ein schlechtes Gefühl. War das gerecht und der Tat wirklich angemessen? Das treibt viele Leute um. Ob das alles Rechte sind?

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4 Gedanken zu „Reue zeigen aber Alter und Herkunft verschweigen“

  1. Hi Horst,
    um mal Vergleiche zu haben, hab ich gerade nach ähnlichen Straftaten gesucht – hierzulande als „Familiendrama“ bezeichnet.
    Da ist z.B. das

    1)
    Urteil im Laubenheimer Familiendrama
    https://merkurist.de/mainz/prozess-urteil-im-laubenheimer-familiendrama_9X
    „Nach drei Verhandlungstagen hat das Schwurgericht einen Laubenheimer Familienvater zu einer Freiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilt. Der 51-Jährige, der seine Ehefrau mit zehn Messerstichen in den Oberkörper und acht weiteren Stichen getötet haben soll, gestand die Tat bereits am ersten Verhandlungstag.“
    -> psychologischer Sachverständige bescheinigte dem Familienvater eine affektbedingte Störung der Bewusstseinskontrolle

    2)
    Oder hier:
    http://www.kn-online.de/Nachrichten/Schleswig-Holstein/Prozess-um-Familiendrama-Freispruch-Durch-Drogen-schuldunfaehig
    „Im Drogenrausch ersticht ein 30-Jähriger seine Mutter, verletzt seine Oma schwer. Doch statt ins Gefängnis wie von der Staatsanwaltschaft gefordert schickt das Gericht ihn in eine Entzugsklinik. “
    Anmerkung: die Drogen waren 1 Joint und 1 Fiebermedikament – Gutachten führten zur Anerkennung als „schuldunfähig“.

    3)
    Urteil im Prozess um Familiendrama in Niederwürschnitz
    https://www.radiolausitz.de/beitrag/urteil-im-prozess-um-familiendrama-in-niederwuerschnitz-405709/
    „Weil er seine Lebens­ge­fährtin mit einem Messer getötet hat, muss ein 41-jähriger aus Nieder­wür­schnitz für neun Jahre hinter Gitter. Das Chemnitzer Landge­richt verur­teilte den Mann am Dienstag wegen Totschlags. Er hatte der sieben Jahre jüngeren Frau Anfang Februar unter anderem drei Mal in die Brust gesto­chen, weil sie sich von ihm trennen wollte.“

    4)
    Urteil nach Familiendrama / Täter schnitt 81-Jähriger Schwiegermutter die Kehle durch
    https://www.radiohochstift.de/nachrichten/paderborn-hoexter/detailansicht/urteil-nach-familiendrama.html
    Im Prozess um das tödliche Familiendrama in Paderborn-Sande muss der Täter für acht Jahre ins Gefängnis. Das Paderborner Landgericht verurteilte den 58-Jährigen am Nachmittag wegen Totschlags.
    Die Richter berücksichtigten beim Verurteilten eine verminderte Schuldfähigkeit – zur Tatzeit habe er eine depressive Phase und damit verbunden eine tiefgreifende Bewusstseinsstörung gehabt.

    5)
    Vater muss nach Mord an Kindern in Psychiatrie
    https://www.stern.de/panorama/stern-crime/urteil-nach-familiendrama-in-niedersachsen-vater-muss-nach-mord-an-kindern-in-psychiatrie-3572454.html
    „Andreas S. hatte am Nachmittag des 14. Juni von seiner Ehefrau Tanja, die sich im Urlaub in Dänemark befand, telefonisch erfahren, dass sie sich endgültig von ihm scheiden lassen wolle. Wenige Stunden später tötete er mit einem Teppichmesser die drei Söhne Lio, Lean und Noah im Schlaf und danach die zwölfjährige Pia, die wach geworden war und sich wehrte. “
    15 Jahre, jedoch in der Psychatrie: Gutachter bescheinigen Depression mit Alkohol und Persönlichkeitsstörung.

    6)
    Hier nun ein Inder als Verurteilter:
    https://www.sr.de/sr/home/nachrichten/urteil_messerstecherei_dudweiler100.html
    Der 38-jährige Inder, der im Sommer seine Lebensgefährtin in Dudweiler erstochen hat, ist wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren verurteilt worden.
    „..Er soll die Tat zuvor mehrfach angekündigt haben.“ – und ist doch nicht als Mörder, sondern als Totschläger verurteilt worden.

    Was sagt das jetzt in Bezug auf das Urteil gegen den Täter von Kandel?
    Mir sagt es, dass die Strafe nicht unüblich niedrig ist, Jugendstrafrecht hin oder her. Die o.g. Täter waren durchweg im vorgerückten Alter und wurden teilweise niedriger bestraft-

    Auch denke ich, dass der Mann – genau wie ähnliche in den Beispielen – hätte wegen Totschlags verurteilt werden können, nicht wegen Mord.
    Und wer weiß, ob in diesem Fall genaus engagierte Gutachter zu gange waren – es fällt doch sehr auf, dass den Tätern vielfach verschiedene Formen der Bewusstseinsstörung bescheinigt wurden – aber Kantel soll gänzlich klar im Kopf gewesen sein, als er seine Ex erstach?

    Ja, es ist eine schreckliche Tat. Aber mit kommt es doch so vor, alls sei das allgemeine „Racheverlangen“ hier doch deutlich größer als bei „ganz normalen Familiendramen“.

    Antworten
  2. Interessante Sammlung. Danke für die Mühe.

    Dir ist aufgefallen, dass alle anderen Täter wegen Totschlags vor Gericht standen, während Abdul D. wegen Mordes angeklagt wurde. Der Vorsatz mit dem D. die Tat durchgeführt hatte, scheint vor Gericht den Unterschied gemacht zu haben. Die vorausgegangenen verbalen Angriffe auf das Opfer, die sich über eine Zeit hingezogen haben, spielten dabei ebenso eine Rolle wie die Daten, die auf dem Smartphone des Angeklagten vorhanden waren. Es ist leider nicht auszuschließen, dass die öffentliche Aufmerksamkeit des Falles bei alledem eine Rolle gespielt hat. Auch wenn mein Satz problematisch ist, sage ich ihn trotzdem: Wer sein Gastrecht so missbraucht und einen Menschen mit Vorsatz tötet, hat kein Mitleid und keine Rücksichtnahme verdient! Die politische Dimension dieser Fälle spielt eine Rolle; ob wir das nun wollen oder nicht.

    Wenn die Staatsanwaltschaft in Revision geht, weil ihr das Urteil zu milde war, zeigt das auch, dass hier etwas nicht stimmt. Sie hatte für 10 Jahre, der Höchststrafe für Mord im Jugendstrafrecht übrigens, plädiert.

    Wenn die Judikative sich von allgemeinem politischen Druck unbeeindruckt zeigt und stattdessen nach liberaler Tradition urteilt und dabei den anderslautenden Ratschlag von Insidern ignoriert, dürfen wir uns vllt nicht wundern, wenn unser Staat sich verändert. Das kleinere Übel besteht nämlich nach meiner Überzeugung darin, das Strafmaß zu verhängen, das unsere Gesetze vorsieht und sich nicht in liberalste Überzeugungen der 70er Jahre zu verbeißen? Das haben wir lange gemacht. Wohin hat uns das geführt?

    Seit Silvester in Köln ist klar, dass unser Staat ein Problem damit hat, sein Gewaltmonopol zu behaupten. Es ist nicht möglich, BürgerInnen vor jeder Form von Gewalttätigkeit zu schützen. Solche Fälle werden immer passieren. Aber dass Richter sich von gesellschaftlichen Entwicklungen so völlig unbeeindruckt zeigen und grausamste Taten mit lascher Hand aburteilen, darf es nicht sein. Insofern fand ich es falsch, dass Innenminister Reul (NRW) seinen „Appell“ zurücknehmen und sich dafür sogar entschuldigen musste.

    Der Staat schaffte auf allen Ebenen die Basis dafür, dass sich unser Land verändert hat, weil er in allen Instanzen die Veränderungen ignoriert, mit denen wir konfrontiert sind.

    Es geht weniger um (mein) „Racheverlangen“, sondern um die strikte Anwendung unserer Gesetze. Die Justiz ignoriert diese immer wieder klar definierte Forderung und spielt nach ihren Regeln. Unabhängige Justiz ist ein Pfeiler einer demokratischen Grundordnung. Kenn ich alles und ich stehe grundsätzlich dazu. Aber wir befinden uns längst an einem Scheidepunkt. Wenn wir diesen nicht schon überschritten haben.

    Ich kann mir vorstellen, wie kritisch du meinen Kommentar aufnehmen wirst. Auf der einen Seite mühe ich mich damit ab, mich mit rechten Ansichten auseinanderzusetzen, auf der anderen Seite komme mit solchem reaktionären Mist. Kann ich verstehen. Aber was stellen wir uns unter einem wehrhaften Staat vor, wenn er und seine „Repräsentanten“ (dazu gehören auch die Richter) sich so verhält, wie wir es erleben? Gestern Abend habe ich mich via Facebook-Messenger länger mit einem Politiker über ein Papier unterhalten, das er mir zugeschickt hatte. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hatte es im Auftrag der Regierung erstellt und es ging um die heikle Frage der Abschiebung von Straftätern. Das Thema lautet: „Völker- und menschenrechtliche Vorgaben für Abschiebung von straffällig gewordenen Flüchtlingen“. Die Hürden für alle Staaten, die die GFK unterschrieben haben, sind in solchem Fall derart hoch, dass die mangelnde „Beweglichkeit“ unserer Politik einen kaum noch verwundern kann. Dort heißt es u.a. in den Schlussfolgerungen:

    > „Änderungen im deutschen Ausländer-, Asyl und Aufenthaltsrecht, welche die Ausweisung von Flüchtlingen an deren Verurteilung wegen Straftaten und an ein bestimmtes Strafmaß knüpft, können die Vorgaben der EGMR-Rechtsprechung zum RefoulementVerbot nicht aushebeln.“

    Ich bekomme angesichts solcher engen Grenzen für staatliches Handeln sogar Verständnis für Seehofers Masterplan, den ich insgesamt negativ gesehen habe.

    Antworten
  3. Hi Horst,
    danke für die umfangreiche Antwort!

    Über eine womöglich „kritische“ Reaktion meinerseits musst du dir keine Gedanken machen: es ist doch völlig normal, dass man nicht ständig einer Meinung ist, Dinge im Lauf der Zeit anders bewertet und und und. So lange man darüber debattieren kann – und das kann man gerade mit Dir ja sehr gut! – ist doch alles ok. Die Pest unserer Tage ist ja, dass mehr und mehr die Debatte verweigert und nurmehr in „Freund“ und „Feind“ gedacht wird und viele nur noch Bestätigung in der eigenen Blase suchen.

    Ich hab nochmal geschaut: zumindest in den Fällen 1 und 6 hat auch hier der Täter die Tat vorher mehrfach angekündigt. Da die Urteilsbegründung gegen Kantel wg. Jugendstrafrecht unter Verschluss bleibt, sind hier der Analyse aber leider Grenzen gesetzt. Ich wette aber mal, die Richter sind der Überzeugung, dass sie „die Gesetze strikt angewendet“ haben – eben auch unabhängig von der politischen Stimmung.

    Dass man den Täter als Mörder verurteilt hat, kommt m.E. den von Dir intendierten schärferen Urteilen bereits entgegen – jedenfalls scheint sich für mich die Tat an sich nicht grundsätzlich von einigen oben erwähnten zu unterscheiden.

    „Seit Silvester in Köln ist klar, dass unser Staat ein Problem damit hat, sein Gewaltmonopol zu behaupten. Es ist nicht möglich, BürgerInnen vor jeder Form von Gewalttätigkeit zu schützen. Solche Fälle werden immer passieren. Aber dass Richter sich von gesellschaftlichen Entwicklungen so völlig unbeeindruckt zeigen und grausamste Taten mit lascher Hand aburteilen, darf es nicht sein. “

    Wie du selbst sagst: noch nie konnte der Staat alle Bürger jederzeit vor Gewalt schützen. Über den „Verlust des Gewaltmonopols“ spricht man doch eigentlich erst dann, wenn irgendwelche Gruppen damit beginnen, „das Recht in die eigenen Hände zu nehmen“ – Bürgerwehren, Lynchmobs etc.

    Da ich mal Jura studiert habe, muss ich auch einwenden: In einem Laden die Ex-Freundin zu erstechen ist brutal, aber keine „grausamste Tat“. Siehe zu „grausam“ (=Mordmerkmal) die Erläuterungen hier:
    https://strafrecht-online.org/problemfelder/bt/211/auslegung-grausam/
    „Unstrittig ist, dass eine brutale Tatausführung allein nicht genügt (Rengier Strafrecht BT II, 17. Aufl. 2016, § 4 Rn. 44). Auch die Verursachung von Schmerzen, die mit der Tötung typisch verbunden sind, kann eine Strafbarkeit gemäß § 211 nicht begründen. “
    (Ich nehme an, in dem Fall haben die Richter das Mordmerkmal „aus niedrigen Beweggründen“ genutzt.)

    Das mit der schwierigen Ausweisung von Straftätern aufgrund internationaler Regelungen halte ich auch für problematisch. Dass man nicht dorthin ausweist, wo dem Täter, der seine Strafe ja abgesessen hat, Tod oder Folter droht, ist für mich ok. Aber die anderen Fälle…?

    Ich habe mal geschaut:

    -> Als anerkannter Asylbewerber kann jemand nur abgewiesen werden, wenn Gefahr für die öffentl. Sicherheit vorliegt (deshalb „Gefährder“).
    -> Ein Asylbewerber kann nur abgeschoben werden, wenn der Antrag letztentlich abschlägig beschieden wird und keine andere Schutzvorschrift greift. Aber auch, wenn er -wie oben- die öffentl. Sicherheit gefährdet.
    https://www.anwalt.org/asylrecht-migrationsrecht/abschiebung/

    Ausländer, die nicht wegen Asyl im Land sind, können bei Straftaten ausgewiesen werden: http://www.rechtsanwalt-ausländerrecht.de/ausweisung/

    Übrigens sind neue internationale Regelungen für Migration und Flucht in Arbeit bzw. schon vereinbart. Siehe dazu

    UN-Staaten einigen sich auf Migrationspakt
    https://www.zeit.de/politik/ausland/2018-07/vereinte-nationen-globaler-migrationspakt-usa

    und zum Flüchtlingspakt:
    https://www.sueddeutsche.de/politik/un-wenn-fluechtlingskrisen-zur-normalitaet-werden-1.3931561

    zu beidem gibt es eine kleine Anfrage der Grünen
    https://www.bundestag.de/presse/hib/2018_06/-/558918
    ob die schon beantwortet ist, weiß ich nicht.

    Es wird also alles nicht einfacher – immerhin wollen diese „Pakte“ die Situation der Aufnahmeländer verbessern.

    Antworten
  4. >Dass man den Täter als Mörder verurteilt hat, kommt m.E. den von Dir intendierten schärferen Urteilen bereits entgegen – jedenfalls scheint sich für mich die Tat an sich nicht grundsätzlich von einigen oben erwähnten zu unterscheiden.

    Schätze, dass du nach Lage der Dinge damit wohl richtig liegst. Andererseits. Kürzlich wurden Leute für ein Autorennen in Berlin, bei dem ein Mensch zu Tode kam, zu einer hohen Freiheitsstrafe verurteilt. Zum ersten Mal wurde dabei von Mord gesprochen. Das Urteil ist inzwischen kassiert worden. Das zeigt, wie „schärfere Urteile“ schnell wieder einkassiert und zum vorher üblichen Strafmaß zurückgefunden wird. Mich stellt das nicht wirklich zufrieden. Meinen früheren Glauben an den Sinn des liberalen Strafvollzuges habe ich zudem verloren.

    Auch wenn es mit unserer Diskussion gar nichts zu tun hat. Du hast bestimmt von der Vergewaltigung eines 10jährigen durch einen anderen 10jährigen gelesen. Es gab unter den Kindern Zeugen, die nicht geholfen, sondern den mutmaßlichen Täter unterstützt haben. Was passiert in unserer Gesellschaft?

    Wir lesen, dass die allgemeine Kriminalität im Land signifikant zurückgeht. Anderseits wird gemeldet, dass die von Flüchtlingen begangenen schwerem Taten im Vergleich zur einheimischen Bevölkerung stark gestiegen sind. Das kommt nicht aus der rechten Ecke.

    Wer will schon nachzuvollziehen, welches Trauma Kriegs- und Fluchterlebnisse bei Menschen auslösen oder wie entscheidend solche Erfahrungen für das soziale Verhalten von Menschen sind? Unabhängig davon, woher sie stammen und welcher Religion sie zugehörig sind? Die Menschen neigen dazu, ihre Urteile spontan nach jedem bekanntgewordenen Übergriff zu fällen. Ich verstehe das, finde es aber trotzdem mehr als kritisch. Die Medien spielen dabei eine schlechte Rolle. Sie setzen zu stark auf die Effekte, die Auflagen und Klickraten beeinflussen.

    Den unausweichlichen Affekt wird zwar jeder vorhersagen, aber wir schaffen es nicht, uns zu enthalten oder wenigstens solchen Mechanismen kritisch zu begegnen.

    Stattdessen bemängeln wir, wie ich es auch mache, dass die Strafen für diese oder jene Handlung nicht ausreichend wären. Wahrscheinlich ist dies ein klarer Hinweis auf unsere Hilflosigkeit. Denn – seien wir ehrlich – wir sehen, welche Exzesse heutzutage möglich sind, die vor ein paar Jahrzehnten in dieser massiven Form nicht, jedenfalls nicht öffentlich, viele buchstäblich in Angst und Schrecken versetzen. Und wir erleben einen Staat, dem außer ein paar vordergründigen Debatten oder ein paar Sonntagsreden nichts Vernünftiges einfällt. Die Polizei beklagt sich darüber personell nicht ausreichend besetzt zu sein, die Staatsanwaltschaft und die Richter schließen sich an. Alle Fehlleistungen werden so entschuldigt. Öffentlich wirft die Polizei der Staatsanwaltschaft vor, dass Täter, die sie wenig zuvor festgenommen hätte, einige Stunden später wieder auf der Straße sind. Die Richter werden dafür kritisiert, weil sie milde Strafen verhängen und die Täter wenig später wieder auf freiem Fuß sind. Das sind Debatten, die wir seit Jahren führen. Sind das falsche Eindrücke oder ist alles nur Ausdruck von mangelndem juristischen Verständnis? Der ehemalige Richter am Bundesgerichtshof, Thomas Fischer, verwahrte sich in einigen Kolumnen, die er für die FAZ geschrieben hat, gegen Richterschelte mit nachvollziehbaren Argumenten. Aber die kritische Sicht auf die Justiz verschwindet nicht. Aus solchen Diskussionen nehme ich immer eine Empfehlung mit: Misch dich nicht in Dinge ein, von denen du keine Ahnung hast. Ich füge mich in der Regel und halte die Klappe. Andere machen das nicht. Die Kritik wird lauter und mündet in Staatsverdrossenheit. Die Politik reagiert mit zeitlichem Verzug, wenn überhaupt. Die Dinge werden verharmlost aber es wird Besserung versprochen. Dabei hat sie (natürlich) ihre Finger von der Justiz zu lassen. Dennoch werden kritische Stimmen auch aus der Politik immer lauter (Reul, Innenminister NRW).

    Ist der Verlust des staatlichen Gewaltmonopols nicht bereits dann gegeben, wenn Polizisten in zahlreichen öffentlich bekanntgemachten Beispielen, an ihrer Arbeit gehindert werden? Polizisten werden angegriffen von türkischen, libanesischen und anderen Familienclans. Sie müssen sich in Sicherheit bringen und können höchstens im zweiten „Hinfassen“ dem Recht Geltung verschaffen. Wenn überhaupt.

    Wieder war es so, dass einer der Täter von Chemnitz, mehrfach vorbestraft war. Er wurde nicht abgeschoben. Die Gründe dafür sind eigentlich schon egal. Er war in einen Mord verstrickt. Der Mensch könnte vielleicht noch leben, hätten die Behörden ihren Job gemacht. Leider gibt es mehrere ähnlich gelagerte Beispiele. Mit dem Berliner Attentäter Amri hat diese Debatte begonnen, wenn ich mich recht entsinne. Und – was hat sich seitdem geändert? Solche Leute gibt es im schlimmsten Fall immer noch en masse in Deutschland. Wer will das schon? Die Zahl der Gefährder nimmt immer schneller zu. Wir kennen diese Zahlen. Aber was machen wir? Nichts! Dass unser elend schlechter Inlandsgeheimdienst auch da die Finger drin hatte, macht einen doch nur noch wütend. Lernen wir bzw. unsere Politiker nie dazu? Wieso ist Maaßen noch im Amt? Warum wird die ganze Behörde nicht aufgelöst, damit etwas Vernünftiges entstehen kann?

    Ich halte viel von Müllers Masterplan mit Afrika. Aber Merkel geht’s bei ihren Afrika-Besuchen um was anderes. Sie winkt mit Geldscheinen, damit die dortigen Staatschefs ihre Leute an der Ausreise hindern. Merkel will so den Druck auf die europäische und deutsche Politik reduzieren. Sie will keine schlechte Presse, keine Fotos von drangsalierten Flüchtlingen, weil das nur noch mehr Unruhe brächte. An die Menschen denkt keiner mehr. Auch nicht bei uns.

    Dass es so gekommen ist, liegt m.E. vor allem an der laschen Art, in der dieser Staat mit Verbrechern umgeht. Hätte man klar gemacht, wo die Grenzen sind und etwaige Täter hart bestraft, so hätte das zum einen vielleicht eine abschreckende Wirkung und – selbst wenn nicht – die Law and Order – Fans im Land (also die Rechten vor allem) hätten ihre Strategie in die Tonne klopfen müssen. So aber öffnen sich die Türen für die Rechten weiter und weiter. Die Sonntagsfrage vom 3.9. (INSA) sieht die AfD inzwischen als zweitstärkste Partei bundesweit gleich hinter der Union. Mich tröstet überhaupt nicht, dass eine neuere Umfrage (6.9. infratest-dimap) das wieder „ein wenig zurecht“ rückt. Wenn unser Staat alles so weitermacht wie bisher, gibt es ihn in der Form, wie wir ihn über die längste Zeit unseres Lebens kannten, bald nicht mehr. Das macht mir Angst.

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