Respektrente: Zu teuer und zu ungerecht

stroke="currentColor" stroke-width="1.5" stroke-linejoin="round" stroke-linecap="round" /> 10 Kommentare

Die SPD scheint, wie wei­land Martin Schulz, ein­ein­halb Themen gefun­den zu haben, mit denen sie punk­ten kann. Nicht weni­ge ver­mu­ten dahin­ter die Absicht, sich mit­hil­fe von Steuer-​Milliarden die Gunst poten­zi­el­ler Wähler zurück­zu­er­obern. Ein paar Umfragen wei­sen tat­säch­lich für die SPD leich­te Gewinne aus.

Es ist völ­lig klar, dass die Pläne mit der Union nicht umsetz­bar sind. So kann das SPD-​Manöver als Hinweis ver­stan­den wer­den, dass die SPD die Koalition bald plat­zen las­sen könn­te. Aber wür­de sie das tun, obwohl wich­ti­ge Wahlen bevor­ste­hen? Wie könn­te ein sinn­vol­les Konzept zum Ausstieg aus der (ver­hass­ten) GroKo aus­se­hen, das die Partei in die­sem mit Wahlen gespick­ten Jahr vor noch schwe­re­ren Blessuren bewahrt? Und wie passt dies zum bis­he­ri­gen (eher staats­tra­gen­den) Verhalten der Partei?

So detail­arm Sebastian Heils Vorschläge sind, sie haben eine Menge Menschen ange­spro­chen. Ob sie, wie zu lesen war, ein­hun­dert Prozent SPD reprä­sen­tie­ren oder haupt­säch­lich schlech­ten Werten geschul­det sind, weiß außer­halb des Willy-​Brand-​Hauses ver­mut­lich keiner. 

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Obwohl es in der Union (Karl-​Josef Laumann) durch­aus posi­ti­ve Stimmen zur Respektrente, gibt, über­wie­gen in der Öffentlichkeit die lau­ten, ableh­nen­den Töne. Die Ministerpräsidenten Bouffier und Söder haben sich dahin­ge­hend sehr deut­lich geäu­ßert. Man spricht von einem Linksruck der SPD und behaup­tet, die Pläne sei­en unbe­zahl­bar. Das bekann­te Repertoire wird genutzt. Es ist die bewähr­te Mischung aus Diffamierung der ande­ren Position und der schlich­ten Behauptung, nur die Union han­de­le verantwortungsbewusst.

Zur Sache

Wer heu­te einen Rentenanspruch von unter 819 bzw. 1012 Euro (Ostdeutschland) hat, der kann prü­fen las­sen, ob ihm Geld aus der Grundsicherung zusteht. Der Wert bewegt sich zwi­schen 424 Euro (Single) und 764 Euro (für Ehepaare). Hinzu kämen ange­mes­se­ne Kosten für die Wohnung. Dabei wird die Warmmiete zur Ermittlung her­an­ge­zo­gen. Die Werte sind regio­nal unter­schied­lich. Quelle 

Heils Beispielrechnung nimmt eine Friseurin als Basis, die 40 Jahre lang zum Mindestlohn gear­bei­tet hat. Ihre Rente beträgt in die­sem Fall monat­lich 514 Euro! Nach dem neu­en Modell für die­se Fälle gäbe es 447 Euro mehr Rente, so dass die Friseurin dann auf 961 Euro im Monat käme. Quelle

❝ Heil schlägt außer­dem zwei flan­kie­ren­de Maßnahmen vor. Der SPD-​Politiker will einen pau­scha­len Freibetrag beim Wohngeld, der nicht mit der Grundrente ver­rech­net wird. Das soll Beziehern von Mini-​Renten in teu­ren Großstädten hel­fen. Für Fälle, in denen die Kombination aus Grundrente und Freibetrag beim Wohngeld kein Alterseinkommen ober­halb der Grundsicherung garan­tie­ren kann, will Heil noch eine Freibetragslösung schaf­fen. ❞ Quelle: Handelsblatt

Obwohl ich mir nicht vor­stel­len kann, dass die­se „flan­kie­ren­den Maßnahmen” eben­falls für die ca. 3–4 Millionen Rentner gel­ten sol­len, für die Heils Respektrente gedacht ist, fin­de ich nir­gends eine klä­ren­de Aussage dazu. 75% der von der Respektrente pro­fi­tie­ren­den Menschen sol­len übri­gens Frauen sein. Dort besteht ver­mut­lich auch der größ­te Handlungsbedarf. 

Von allen Einwänden, die ich zur Respektrente gele­sen habe, beschäf­tigt mich einer am meis­ten. Es sind nicht die Kosten. Heil, fin­de ich, hat schon Recht, wenn er sagt, dass die­ses Projekt unse­rer Gesellschaft etwas wert sein muss. Diese Diskussion muss geführt werden! 

Allerdings wird das Pferd an einem Punkt lei­der von hin­ten auf­ge­zäumt. Richtig wäre es, die durch Hartz IV ent­stan­de­nen Friktionen grund­sätz­lich und nach­hal­tig zu ändern. Der Billiglohnsektor, der den Menschen kaum aus­kömm­li­che Löhne und infol­ge­des­sen mie­se Renten beschert, muss in den Blick genom­men und bekämpft wer­den. Das soll­te gesell­schaft­li­cher Konsens sein.

Notfalls muss der Gesetzgeber dafür sor­gen, dass die Tarifbindungen wie­der­be­lebt wer­den. Der Wildwuchs, den zu vie­le Unternehmen in Deutschland vor dem Hintergrund angeb­li­cher Sicherstellung ihrer Wettbewerbsfähigkeit aus­ufern lie­ßen, muss gestoppt wer­den! Das muss auch in einer glo­ba­li­sier­ten Wirtschaft gehen. Es sind nicht vie­le, dafür lei­der umso mäch­ti­ge­re Interessengruppen, die die natio­na­le Politik mit Hinweis auf ein inter­na­tio­na­les Wettbewerbsumfeld behin­dern. Ob das Argument immer rich­tig ist, möch­te ich bestreiten. 

Wer Demokratie und (rela­ti­ve) Freiheit genie­ßen will, muss heu­te unbe­dingt dazu bereit sein, für inter­na­tio­na­le Regeln zu kämp­fen! Die Fortschritte in die­ser Hinsicht sind mager.

Zurück zur Respektrente: Wie ver­hal­ten sich spä­ter die­je­ni­gen Rentner, deren Rente jetzt nur knapp über den gesetz­li­chen Grenzwerten liegt? Ist nicht davon aus­zu­ge­hen, dass alle, die kei­nen Anspruch auf Grundsicherung plus Wohngeld haben, sich spä­ter sehr unge­recht behan­delt füh­len werden? 

Meine Mutter lag mit ihrer Rente unge­fähr 50 Euro über dem Grenzwert und erhielt kei­nen Zuschuss zu ihrer Miete. Ich fin­de, das ist ein Malus sol­cher Gerechtigkeitsideen, der nicht weg­zu­dis­ku­tie­ren ist. Und zwar auch dann nicht, wenn vie­le Menschen – jeden­falls zunächst – an sol­chen mas­si­ven Rentenerhöhungen für eine bestimm­te Gruppe von Rentnern gar nichts Anstößiges fin­den wer­den. Ich erin­ne­re an die Diskussionen um die Mütterrente oder die Rente mit 63. Wir brau­chen die Diskussionen um sol­che Maßnahmen, weil unse­re Gesellschaft(en) aus­ein­an­der­zu­bre­chen drohen. 

Die effek­ti­ve Öffentlichkeitsarbeit neo­li­be­ra­ler Kreise garan­tiert, dass jeder Vorschlag, der in die­ser Weise die Staatsausgaben betrifft, beson­ders kri­tisch hin­ter­fragt wird. 

Neben dem gern genom­me­nen Kostenargument wer­den die Gegner (zu Recht!) die Ungerechtigkeit auf­grei­fen, die in die­ser Subventionierung mit Steuermitteln lie­gen. Es ist uns schließ­lich bis­her nicht gelun­gen, eine gute Methode zu fin­den, die das aus gutem Grund exis­tie­ren­de Lohnabstandsgesetzes wirk­sam sein lässt. Obwohl nur so schlim­me Gerechtigkeitslücken geschlos­sen wer­den kön­nen. Nur in einer idea­len Welt wür­den wir dar­über nicht strei­ten müssen.

Mit sol­chen guten gemein­ten Regelungen bewirkt die Politik immer­hin, dass eine Diskussion um gerech­te Löhne und Renten geführt wird. Eine Lösung des Problems sehe ich in Heils Vorschlägen nicht. 


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10 Gedanken zu „Respektrente: Zu teuer und zu ungerecht“

  1. 900,- Euro, um „Armut zu ver­hin­dern” – lach­haft! Zusammen mit den Ausgaben für Miete inkl. Heizung kommt man in Großstädten locker über die­sen Betrag – und zwar im Hartz4 bzw. Grundsicherungsbezug.
    Ich sehe auch kei­nen Sinn dar­in, Bedürftigkeitsprüfungen unbe­dingt ver­mei­den zu wol­len! Sehr viel ent­schei­den­der ist doch, nach wel­chen Kriterien die abläuft bzw. zu wel­chen Ergebnissen die kommt. Man soll­te den Rentnern genau­so­viel Rücklage /​geschütz­tes Vermögen zuge­ste­hen wie Hartz4ern – und nicht deut­lich weni­ger, wie es jetzt der Fall ist. Auch wäre schwer ange­sagt, die Rentner in der Grundsicherung nicht wei­ter mit Residenzpflicht zu beläs­ti­gen. Ist doch krank, den Alten zu ver­wei­gern, mit ihrem weni­gen Geld anders­wo ange­neh­mer zu leben. Ja war­um denn nicht?
    Um der Altersarmut zu begeg­nen, wäre auch eine ande­re Zuverdienstregelung zur Grundsicherung ange­sagt. Auch hier ste­hen Grundsicherungsempfänger schlech­ter als Hartz4-​Bezieher. Können aber aus Altersgründen nicht mehr so viel /​so voll arbei­ten wie Jüngere. Wem wür­de es denn scha­den, wenn man ihnen erlaub­te, z.B. 50% eines Zuverdienst zu behal­ten? Oder gar 100% von einem gede­ckel­ten Freibetrag?

    Statt des­sen ein kom­li­zier­tes Gewürge, das auch nicht viel verbessert.…

  2. „Residenzpflicht” bezieht sich hier auf die Pflicht, sich nur 4 Wochen pro Jahr im Ausland auf­hal­ten zu dür­fen. Dies Restriktion ver­dankt sich „Florida Joe” und der BILD, die erfolg­reich skan­da­li­siert hat, dass sich da jemand im Grundsicherungsbezug in der Ferne „die Sonne auf den Bauch schei­nen” lässt.
    Es hat also nichts mit Stadt oder Land zu tun. Sondern mit will­fäh­ri­gen Politikern, die gleich die Gesetze ändern, wenn BILD den „Volkszorn” entfacht.
    „Aufs Land zie­hen” ist übri­gens m.E. alten Menschen ganz beson­ders unzu­mut­bar, wenn sie ihr Leben in der Großstadt ver­bracht haben. Dort sind Freunde und Bekannte, dort sind infra­struk­tu­rel­le Hilfseinrichtungen für Senioren, dort sind sie ver­netzt und ein­ge­wur­zelt – gra­de wie­der gehört, wie eine Rentnerin, die von ihren Nachbarn Hilfe und Freundschaft bekommt, sag­te, dann kön­ne man sie auch gleich in den Sarg entsorgen. 

    Ansonsten: alle Menschen, denen weni­ger bleibt als der Regelsatz für Haushaltsvorstände (424,-) plus „ange­mes­se­ne Miete und Heizung” (regio­nal unter­schied­lich) ist berech­tigt, Hartz4 bzw. im Rentenalter Grundsicherung zu bean­tra­gen. Wer das nicht tut, MUSS nicht mit weni­ger aus­kom­men, son­der ent­schei­det sich aus frei­en Stücken dafür, sein Recht auf Zuschuss (Aufstockung bzw. Grundsicherung) nicht in Anspruch zu neh­men. Frauen mit gerin­ge­ren Renten leben ja oft mir bes­ser ver­sorg­ten Männern zusam­men, sie haben also oft kei­nen Anspruch, weil die Zusammenrechnung (Ehe, Unterhaltspflicht, „Bedarfsgemeinschaft”) ergibt, dass bei­de zusam­men genug Einkommen haben, um nicht anspruchs­be­rech­tigt zu sein.

  3. Missverständnis!!! Nicht 900,- plus Miete/​Heizung, son­dern 424,- (Regelsatz für Haushaltsvorstände) plus „ange­mes­se­ne Miete und Heizung“ ist das, was man per Hartz4 oder Grundsicherung bekommt. In einer Großstadt sum­miert sich das fast auf 900,-, in teu­ren Städten (München) sogar auf mehr, da hier die „ange­mes­se­ne Miete” höher ange­setzt wird.
    Wenn also Heil eine „Respektrente” bei 900,- ansetzt, emp­fand ich das als Augenwischerei, da es ja nichts Wesentliches ändert, also eben NICHT vor Altersarmut schützt. Bzw. nur ganz streng defi­ni­to­risch, da die Grenze zur offi­zi­el­len Armut ja knapp und 900,- ange­setzt ist.
    900,- plus Miete hab ich nir­gends gefor­dert… und bin auch gar nicht gegen Bedürftigkeitsprüfungen bei Sonderrenten.

  4. Der SPD Vorschlag ist min­des­tens dann unge­recht, wenn es um sol­che Einzahler geht, die ein Leben lang den Höchstbetrag ein­ge­zahlt haben und durch die Regierungen Schröder dann um ein paar Jahre betro­gen wur­den, ganz abge­se­hen von der all­ge­mei­nen Kürzung, die angeb­lich sooo nötig war um die armen Unternehmer nicht am Hungertuch nagen zulas­sen bzw. sie aus dem land zu trei­ben. Durch die­se ’Reformen’ wur­de die Spanne Höchst- zu Niedrigstrente schon zusam­men­ge­scho­ben, nicht etwa nach oben, son­dern nach unten, unter den frü­he­ren Mittelwert.
    Das soll nun durch eine wei­te­re Ungerechtigkeit ’beho­ben’ wer­den? Welch ein Hohn, erst die Rentner nach 2004 aus­plün­dern, dann ein wenig drauf­le­gen und das war’s?

    Wenn sich die Koalitionäre an die gro­ßen Vermögen und die Multis steu­er­mä­ßig her­an­wa­gen wür­den wäre Geld genug vorhanden.

    Außerdem hat die FDP – die ich ansons­ten wegen ihrer extrem neo-​liberalen Politikvorschläge bestimmt nicht beson­ders gut lei­den kann – einen bes­se­ren und aus­ge­gli­cher­e­n­en, schlicht „gerech­te­ren” Vorschlag gemacht, den ich dort → Rentengerechtigkeit bespro­chen habe.

🪁 Wir sind alle auf derselben Reise.

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