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Thüringische Revolution

Keine Lust auf Experimente?

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Wir kennen es aus den Diskussionen nach terroristischen Anschlägen. Da kommt schnell das „Argument“, dass es nicht nur rechten, sondern auch linken Terrorismus gibt. Schnell ist man dabei, die Toten gegeneinander aufzurechnen. Die Zahlen und Daten der jeweils anderen Seite werden bezweifelt. Wem hilft sowas?

Nach den Wahlen in Thüringen klagen und schimpfen alle über die Ergebnisse. Der größte Verlierer, die CDU beklagt laut den Verlust der Mitte. Traditionelle Koalitionen (CDU/CSU, SPD, FDP) funktionieren nicht mehr. Die nötigen Mehrheiten in Thüringen können nur mit etwas Mut zusammengebracht werden. Der scheint noch zu fehlen.

Die Bildung einer funktionierenden Regierung wird schwierig und wohl entsprechend lange dauern.

Genau das wusste man aber schon seit einiger Zeit, denn die Umfragen waren nicht so weit weg vom vorläufigen Endergebnis (das endgültige kommt erst am 7.11).

Mich hat überrascht, wie schlecht Mike Mohrings CDU abgeschnitten hat. Im Sommer 2018 lag die CDU in manchen Umfragen noch bei 31%, ein Jahr zuvor gar bei 37%. Was ist seit 2017 in Thüringen passiert? Ich versuche erst gar nicht, das zu ergründen. Osten halt.

Polarisierung der Gesellschaft

Die Erklärung der Politiker stellt einmal mehr auf die Polarisierung des Wahlkampfes ab. Dafür sprechen die Ergebnisse der Linken und der AfD. Das kann man so sehen. Ich finde, so einfach sollte die CDU es sich nicht machen! Von der SPD hört man diese Töne (wohl aus guten Gründen) nicht.

Wenn ich Ramelow in seiner staatstragenden und sympathischen Art und Weise über die Wahlen reden höre, kann ich mir kaum erklären, weshalb die CDU nach wie vor eine solche Aversion gegen die Linken pflegt und Mohring aus der Bundespartei von einer Koalition vehement abgeraten wird. Dabei hat er gestern Abend noch angedeutet mit den Linken reden zu wollen.

Die WählerInnen sehen

Gut, ich kann verstehen, wenn Parteien keine Gespräche mit der AfD führen wollen. Gefühlsmäßig. Nur frage ich mich (heute nicht zum ersten Mal), ob es vernünftig ist, ungefähr ein Viertel der Wählerinnen und Wähler (ca. 250.000) schlechterdings auszuschließen.

Je stärker die Polarisierung zwischen den Etablierten und der AfD voranschreitet, desto klarer zeigt sich (siehe Umfragen), wer davon profitiert. Die Etablierten sind es nicht. Übrigens auch nicht die Grünen, jedenfalls sobald es aufs Land geht.

Damit kein Missverständnis entsteht: Für mich gehört die Linke dazu, obwohl ich kürzlich während einer Reportage über ewiggestrige Linke schon richtig erschrocken bin. Was gibt es bloß für (alte) Spinner? Vermutlich sind einige davon auch Mitglieder der Partei „Die Linke“. Aber wer weiß, welche Leute sich in der AfD und den anderen Parteien so tummeln? Schließlich haben CDU und SPD jeweils über 400.000 Mitglieder. Da wird schon so mancher dabei sein, der gesinnungstechnisch nach allgemein gültigen Maßstäben (linker Mainstream) nicht präsentabel wäre.

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Alle gegen die AfD?

Wir erinnern uns bestimmt noch an Zeiten, in denen die Grünen und später die Linken auf ganz ähnliche Art und Weise wie die AfD heute ausgegrenzt wurden. Ist das vielleicht so eine Art „Feuertaufe“?

Demokratische Kultur verbinde ich damit nicht, sondern mit einem anderen Verhalten und mit den Werten, von denen immer alle reden.

Wenn ich sehe, wie Teile der Antifa und auch unorganisierte (sic?) Linke verbal gegen die AfD, deren Funktionäre und Mitglieder vorgehen und wie gewaltbereit Linke gegen AfD – Leute vorgehen, regt sich in mir ein starkes Unbehagen. Wir müssen dafür kämpfen, dass der Faschismus in unserem Land keine Chance hat. Aber nicht mit Gewalt und auch nicht mit Ausgrenzung!

Demokratie und ihre Werte schätzen und leben

Tun wir das nämlich nicht mit demokratischen Mitteln und gewaltfrei, sondern bekämpfen missliebige Parteien und deren Anhänger (Wähler) mit Feuer und Schwert, wird der Kampf länger dauern als er müsste. Ganz nebenbei verraten wir unsere eigenen Werte.

Wir sollten unserer Demokratie mehr zutrauen. Unser Selbstbewusstsein dürfen wir daraus ableiten, dass von allen Wahlberechtigten bisher ein überschaubarer Teil die AfD gewählt haben.

Wir sollten nicht pöbeln, nicht alles ausgrenzen, was von „denen“ kommt, wir sollten uns vielmehr ermuntert fühlen, gegen die AfD mit demokratischen Mitteln vorzugehen. Ein Diskurs ist mit manchen Vertretern dieser Partei ist schwer. Das haben wir immerhin schon gelernt. Allerdings finden solche Diskussionen vorwiegend in der Öffentlichkeit statt, womöglich vor Mikrofonen oder Kameras.

Medien funktionieren so

Wenn ich in mancher Talkshow die betretenen Gesichter der Zuschauer sehe, nachdem ein AfD-Funktionär zwischen Vorwürfen an die politische Konkurrenz, Selbstbeweihräucherung und der Einnahme der Opferpose hin- und herschaltet, wird mir schmerzlich bewusst, wie schwer die öffentliche Auseinandersetzung mit diesen Leuten fällt.

Manche Aussagen von AfD – Funktionären sind so schamlos, dass man glaubt, es kaum ertragen zu können. Aus öffentlichen Debatten kann man sich schwer zurückziehen, wenn man der eigenen Sache nicht extrem schaden will. Wer sich provozieren lässt und eine für viele vielleicht durchaus berechtigte Bemerkung an die Adresse des AfD-Vertreters macht, ist auch raus. Die Medien funktionieren halt so.

Es ist für jeden schwierig, auch für den besten Rhetoriker und den klügsten Politiker. Da bilden auch die Moderatoren und die Vertreter der politischen Konkurrenz keine Ausnahmen. Es ist unglaublich schwer, den Anwürfen der AfD-Vertreter in adäquater Weise zu begegnen. Übrigens auch deshalb, weil das Themenhopping eine der Paradedisziplinen der Populisten ist. Es ist halt alles Scheiße!

Die Medien repräsentieren aber zum Glück nicht das einzige Terrain, auf dem wir unsere offene, pluralistische Demokratie verteidigen können!

Das können wir zu Hause und beim Treffen mit Freunden tun. Die Politiker müssen das an allen Orten tun, an die die diese Art von Auseinandersetzungen hingehört: vor allem in die Parlamente!


Ausgrenzung hilft nicht, sie bewirkt das Gegenteil dessen, was gewünscht wird

Es ist nicht zielführend, wenn die AfD weiterhin in dieser Art und Weise ausgegrenzt wird!

Die Zustimmungswerte in den Ost-Ländern, in denen zuletzt gewählt wurde, beweisen das. Noch schlimmer: wir wissen das natürlich auch längst!

Dass die AfD auf Bundesebene nicht recht von der Stelle kommt, ist ermutigend. 12,6% hatte sie 2017 bei den letzten Bundestagswahlen erreicht. Seitdem schwanken die Umfragewerte für die Partei zwischen 13 und 15%.

Offenbar gibt es in Brandenburg, Sachsen und Thüringen ganz schön viele Unzufriedene.

Zur Wahl wegen Unzufriedenheit

In Thüringen gab es eine hohe Wahlbeteiligung (64,9%), was reflexhaft von den Parteien – auch den etablierten – als besonders positiv herausgestellt wurde. In Sachsen (66,6%) und in Brandenburg (61,3%) war das nicht anders. Das darf man auch anders sehen. Aus dem Lager der Nichtwählern strömten der AfD 73.000 Stimmen zu. Auch die Linke konnte aus dem Lager der Nichtwähler 53.000 Stimmen hinzugewinnen.

Da sind wir bei der Frage, weshalb die AfD überhaupt diesen Stellenwert erreicht hat. Natürlich hat das damit zu tun, dass vor allem die Behauptung „Deutschland geht es gut“, die die CDU/CSU wie eine Monstranz vor sich her trägt, bestenfalls nur ein Teil der Wahrheit ist. Es gibt zu viele Menschen, denen es eben nicht gut geht. Die durchschnittliche Rente in Deutschland beträgt knapp unter 1000 Euro im Monat, 9 Millionen ArbeitnehmerInnen sind im Niedriglohnsektor beschäftigt. Wenn Finanzminister Olaf Scholz die SPD dafür lobt, nach jahrelangem Kampf endlich den Mindestlohn durchgesetzt zu haben, sollte ihm dieser Satz eigentlich im Hals stecken bleiben. Er war schließlich einer derjenigen, die vehement für die Durchsetzung von Schröders verkommener Agenda gesorgt haben. Ohne sie hätte es des Mindestlohnes gar nicht bedurft. Sorry für diesen kleinen Exkurs.

Stellt sie in den Parlamenten

Was ich sagen will: Wir müssen die AfD in die Arbeit der Parlamente einbeziehen und ihren Vertretern die Posten gewähren, die ihnen nach den allgemein gültigen Statuten zustehen. Sie sollen ihre Vorstellungen ausbreiten. In den Parlamenten, in den Sendern, in den Zeitungen. Die BürgerInnen sind nicht so dumm und kaufen der AfD den völkisch-nationalistischen Schmarrn ab. Sie wollen eine lebendige, offene und pluralistische Demokratie und kein Regime, welches Menschen wie Björn Höcke im Sinn haben.

Würde die AfD von Politik und Medien weniger ‚über’beachtet und stattdessen – auch wenns schwerfällt – als Bestandteil unseres demokratischen Spektrums behandelt, könnte die Partei vielleicht ganz fix unter die 5 % Hürde rutschen. Ihren WählerInnen muss klar werden, dass diese Partei für nichts Lösungen anbietet und das die von der AfD geschürte Dauerempörung über Minderheiten (Flüchtlinge) oder der Kampf gegen Veränderungen (Haltung zum Klimawandel) zu nichts führen werden.

VOR
Artikelinformationen:

Politik

AfD, Demokratie, Impfstoff, Umgang

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