Kabarett: Richter und Scharfrichter in einem sein

Wenn jemand einen „fal­schen Witz“ erzählt, kann das die gesell­schaft­li­che Repu­ta­ti­on kos­ten. Und was ist, wenn sie oder er das im Kaba­rett beruf­lich machen? Wenn es nach man­chen lin­ken Mei­nungs­ma­chern geht, wür­den sie wohl vom Bild­schirm ver­bannt. Soviel zum The­ma: Sati­re darf alles.

HS230625

Horst Schulte

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Der Zeit – Arti­kel von Johan­nes Schnei­der hat für mich was von Abge­sang auf Sati­re und Kaba­rett. Wären alle so humor­be­freit und klein­lich wie die­ser jour­na­lis­ti­sche Scharf­rich­ter, hät­te die poli­ti­sche Kor­rekt­heit uns viel­leicht schon heu­te ein wich­ti­ges Spiel­feld für über­par­tei­li­che Gesell­schafts­kri­tik genommen.

Große, alte Zeiten

Wie wohl Die­ter Hil­de­brandt über Johan­nes Schnei­der den­ken wür­de? Ich kom­me auf ihn, weil Schnei­der im Bei­trag die von ihm und Sam­my Drech­sel gegrün­de­te legen­dä­re Münch­ner Lach- und Schieß­ge­sell­schaft gegrün­det hat. Wie die Ansprü­che sol­cher Gigan­ten des Gen­res wohl in unse­rer Gegen­wart aus­sä­hen? Was habe ich mir dar­un­ter vor­zu­stel­len, wenn vom Kaba­rett gesagt wur­de, dass dem Publi­kum manch­mal auch gern das Lachen im Hals ste­cken blei­ben soll­te? Alle, die gutes Kaba­rett schät­zen, weiß, wovon ich spreche.

Irgend­wo­her kommt schließ­lich die Idee, dass Kaba­rett auch mal weh­tun kann? Oder dass, je nach Poin­te, die einen wei­nen und die ande­ren lachen wür­den oder, dass ein Teil des Publi­kums bei­des zugleich tun könnte? 

Politisch korrektes Kabarett?

Johan­nes Schnei­der schreibt das nicht. Aber ich bin mir sicher: er möch­te nichts davon! Er will ein­wand­frei­es und poli­tisch kor­rek­tes Kaba­rett. Viel­leicht am bes­ten noch mit die­ser beleh­ren­den Atti­tü­de, die lei­der gewis­sen Kaba­rett­pro­gram­men im TV eigen gewor­den sind. Abstu­fun­gen zwi­schen ver­schie­de­nen Spiel­ar­ten gibts kaum mehr.

Dazu passt jener nun mit Zeit­ver­zug in die Dis­kus­si­on gera­te­ne Aus­schnitt von 2018, wonach man Juden wie Har­vey Wein­stein als Wie­der­gut­ma­chung (zwin­ker) das Beläs­ti­gen von Frau­en gestat­ten sol­le, weil mit Geld ja nichts gut­zu­ma­chen sei (zwink­er­zwin­ker). „Jetzt plötz­lich kommt her­aus, den Juden geht’s wirk­lich nicht ums Geld. Denen geht’s um die Wei­ber, und des­we­gen brau­chen sie das Geld.“ Uff.

Lisa Eck­hart: Sich schön inkor­rekt durch­a­mü­sie­ren | ZEIT ONLINE

Mit Zeitverzug in die Diskussion geraten…

Ja, was der guten Lisa Eck­art damals (2017) bei den WDR-Mit­ter­nachts­spit­zen raus­ge­hau­en hat, hat eine Wei­le gebraucht, um den lin­ken Empö­rungs­ap­pa­rat ans Lau­fen zu krie­gen. Ich hat­te ges­tern ihren dama­li­gen Bei­trag beim WDR ver­linkt. Hört ihn euch an und macht euch selbst ein Bild über die­se uner­hört anti­se­mi­ti­sche Ent­glei­sung Eck­harts, die frei­lich erst dadurch beson­ders abscheu­lich (gemacht) wur­de, dass die lin­ken Medi­en sie irgend­wie plötz­lich für einen will­kom­me­nem Ver­wen­dungs­zweck entdeckten. 

Eck­art sei mit­ten in der MeToo-Debat­te auf­ge­tre­ten. Die Künst­le­rin habe ein hoch­ak­tu­el­les, für Sati­re nahe lie­gen­des The­ma gewählt und dabei Vor­ur­tei­le gegen­über Min­der­hei­ten auf­ge­grif­fen, um genau die­se Vor­ur­tei­le zu ent­lar­ven. Im Kon­text der MeToo-Debat­te habe ihre Sati­re funk­tio­niert. Kri­tik habe es damals nicht gege­ben.

Der WDR bedau­er­te jedoch Miss­ver­ständ­nis­se im Zusam­men­hang mit einer spä­te­ren Ver­öf­fent­li­chung von Eck­arts Auf­tritt auf Face­book. Im Novem­ber 2019 sei das Video anläss­lich eines Akti­ons­tags für Frau­en in dem sozia­len Netz­werk gepos­tet wor­den. Weni­ge Wochen zuvor war die jüdi­sche Syn­ago­ge in Hal­le Ziel eines Anschlags. So muss­te laut WDR der Ein­druck ent­ste­hen, dass die Künst­le­rin aktu­ell und in einem ande­ren Kon­text auf­ge­tre­ten sei.

Quel­le: Tages­spie­gel vom Mai d.Js.

Der Kontext, aha

Ja, der Kon­text spielt auch bei Sati­re eine Rol­le! Aber wie gesagt, hört euch an, was sie wirk­lich gesagt und wor­auf sie da rekur­riert hat. Das auf die­se Wei­se auf anti­se­mi­ti­sche Res­sen­ti­ments zu ver­kür­zen ist zwar bequem und typisch, aber es greift nun ein­mal viel zu kurz. 

Durch sol­che Kri­ti­ker kann es uns blü­hen, dass uns sati­ri­sche Ver­gnüg­lich­kei­ten ganz abhan­den­kom­men. Jeden­falls die Art von Kaba­rett, das wir ein­mal gekannt haben.

Aber es passt in die­se Zeit. Wir hal­ten nichts mehr aus. Egal, was der ande­re zu sagen hat und es mit unse­rer eige­nen Ein­stel­lung nicht in Ein­klang ist.

Vie­le machen sich nicht die Mühe, dar­über nach­zu­den­ken, son­dern benut­zen ihren Vor­rat an intel­lek­tu­el­ler Muni­ti­on, um nach­drück­lich zu ver­su­chen, Kaba­ret­tis­ten oder Sati­ri­ker (Nuhr/​Eck­hart), die inhalt­lich nicht den Maß­stä­ben eige­ner Vor­stel­lung von poli­ti­cal cor­rect­ness ent­spre­chen, aus dem öffent­li­chen Raum zu drän­gen. Dabei gilt: Ste­ter Trop­fen höhlt den Stein. Das lässt sich am Bei­spiel von Die­ter Nuhr gut beobachten. 

Nie­mand geht ins Kaba­rett, um sich über die Dar­bie­tung auf­zu­re­gen. Man geht ins Kaba­rett, um zu sagen: End­lich bringt das mal wer auf den Punkt. Oder auch: End­lich hat mal wer den Mut!

Lisa Eck­hart: Sich schön inkor­rekt durch­a­mü­sie­ren | ZEIT ONLINE

Es mag sein, dass ich nie ein Kaba­rett besucht habe, um mich dar­über auf­zu­re­gen. Aber dass ich es getan habe (bei den Live-Pro­gram­men von Vol­ker Pis­pers, Hagen Rether oder Max Uthoff), will ich hier aus­drück­lich feststellen. 

Endlich sagt es mal einer?

Es brauch­te in Deutsch­land wäh­rend mei­ner Lebens­zeit kei­nen Mut, etwas „end­lich“ mal zu sagen. Es kam vor, dass mir die­ses Gen­öle, die Kla­gen sol­cher lin­ken Wohl­stands­bür­ger auf den Geist ging, denen immer irgend­was nicht gepasst hat. 

Beson­ders unan­ge­nehm emp­fand ich es, dass man­che von ihnen vor­aus­setz­ten, alle wären ihrer Mei­nung. Ich war es nicht immer! Trotz­dem habe ich mir die­se Kaba­rett­pro­gram­me gern ange­hört – weil sie ein­fach gut waren. Und das ist das Pro­gramm von Nuhr oder Eck­hart eben­so. Gut, Nuhr habe ich schon mal live gese­hen, Eck­hart nicht. Aber ich habe mir vie­le ihrer Vide­os ange­se­hen. Jedes Pro­gramm ist anders. Die­sen jedoch die intel­lek­tu­el­le Güte in die­ser Art und Wei­se abzu­spre­chen, wie Herr Schnei­der es getan hat, fin­de ich dumm, unfair sowieso.

Moralische Positionen

Die­je­ni­gen, die aus mora­lisch über­höh­ten Posi­tio­nen her­aus argu­men­tie­ren, soll­ten über­le­gen, ob sie tat­säch­lich dabei hel­fen wol­len, die weni­gen nicht gleich voll-links zu ver­or­ten­den Kaba­rett- oder Sati­re­künst­ler aus der Öffent­lich­keit her­aus­zu­drü­cken. Dar­an arbei­ten in den aso­zia­len Hetz­me­di­en näm­lich genug Leu­te. Trau­rig fin­de ich, dass das vor allem Lin­ke sind.

Update: Nichts wird gut!

Link: Lisa Eck­hart nimmt nicht am Har­bour Front Lite­ra­tur­fes­ti­val teil

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Kabarett Kultur Linke Nuhr Satire

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