Trommelwirbel für den nächsten Superlativ: monumentales Systemversagen

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Dass ein grü­ner Bun­des­tags­ab­ge­ord­ne­ter und stell­ver­tre­ten­der Frak­ti­ons­chef Armin Laschet die Ver­ant­wor­tung für die Toten der Hit­ze­wel­le in Kana­da und den Ver­ei­nig­ten Staa­ten zuschreibt, war schon eine elen­de Sache. Jetzt gif­ten alle durch­ein­an­der, dass er als Minis­ter­prä­si­dent von NRW von den bevor­ste­hen­den Kata­stro­phen­flu­ten gewusst und nicht reagiert haben soll.

Als Beweis für sei­ne Schuld gilt den Anklä­gern ein von der BBC ver­öf­fent­lich­ter aber nicht per­so­na­li­sier­te Vor­wurf, die bevor­ste­hen­de Flut sei eini­ge Tage vor dem Ereig­nis sei­tens der EFAS, Pro­fes­sor Han­nah Clo­ke, angeb­lich sogar orts­ge­nau, gemel­det wor­den. Die Mel­dung sei, so hieß es, an die „deut­schen Behör­den“ gegangen. 

Dar­aus macht das Netz ein Sys­tem­ver­sa­gen. Das kann­ten wir schon aus der Coro­na-Zeit. Jetzt hat Frau Pro­fes­sor Clo­ke ein Super­la­tiv hin­zu­ge­fügt. Das Sys­tem­ver­sa­gen ist nun „monu­men­tal“. Mehr geht jetzt gera­de nicht. Oder fällt euch was noch stär­ke­res ein als ein „monu­men­ta­les Systemversagen“? 

Prof Clo­ke said the­re were places whe­re peo­p­le did not know the floods were coming, or did not know how to respond to pro­tect them­sel­ves and their homes.

Ger­ma­ny floods: How a coun­try was taken by sur­pri­se – BBC News

Jetzt hät­te ich ger­ne gewusst, wie Prof. Clo­ke sich vor­stel­len wür­de, die Häu­ser vor die­sen Flu­ten zu schüt­zen. Denn das sagt sie ja in ihrer Erklä­rung. Es ist doch völ­lig ver­rückt, so etwas ange­sichts die­ser Lage in den Gebie­ten zu behaupten.

Der Vor­wurf, den die Bri­tin for­mu­liert, wird von deut­schen Behör­den zurück­ge­wie­sen. See­ho­fer lobt heu­te das Zusam­men­spiel aller im Kata­stro­phen­schutz wir­ken­den Insti­tu­tio­nen. Der Prä­si­dent des deut­schen Kata­stro­phen­schut­zes, Schus­ter, stand ges­tern im „Heu­te Jour­nal“ Claus Kle­ber Rede und Antwort. 

Bür­ger­meis­ter Lussi aus Schuld erklär­te ges­tern, dass das höchs­te Hoch­was­ser vor die­sem Unglück bei etwas über 3 Metern gewe­sen wäre. Jetzt waren es über 8 Meter. Dass in sei­nem Ort kei­ne Men­schen gestor­ben sind, war ein wirk­li­cher Licht­blick. Auch aus dem Stadt­teil Erft­stadt-Bles­sem wer­den bis­her Gott sei Dank kei­ne Toten gemel­det. Trotz die­ser Erleich­te­rung steigt die Zahl der Todes­op­fer ins­ge­samt lei­der noch.

Alle Men­schen, die von den betrof­fe­nen Orten berich­ten, bestä­ti­gen uni­so­no, dass man eine Kata­stro­phe die­ses Aus­ma­ßes nie gese­hen habe. Trotz­dem wird in den Medi­en mit bra­chia­ler Unter­stüt­zung der aso­zia­len Netz­wer­ke allein auf­grund der Vor­wür­fe von Pro­fes­sor Clo­ke nun der per­so­na­li­sier­te Vor­wurf laut, Laschets Untä­tig­keit sei ver­ant­wort­lich für Tod und Ver­wüs­tung. Es wird sug­ge­riert, dass ein man­gel­haf­ter Kata­stro­phen­schutz und aus­ge­blie­be­ne War­nun­gen der Zivil­be­völ­ke­rung das Unglück erst in die­sen Dimen­sio­nen ermög­licht hätte.

Btw: Bei uns lie­fen heu­te zwei­mal Sire­nen. Sie funk­tio­nie­ren. Ins­be­son­de­re NRW und Rhein­land-Pfalz ver­fü­gen über ein gutes und funk­tio­nie­ren­des Alar­mie­rungs­netz. Angeb­lich, liest man im Inter­net, sei dies nicht der Fall. Die Fra­ge, ob Sire­nen Men­schen in einer sol­chen Aus­nah­me­la­ge davor schüt­zen kön­nen, ihr Leben zu gefähr­den, bleibt frei­lich unbe­ant­wor­tet. Haupt­sa­che, man kann das in die Rei­he angeb­li­cher Ver­säum­nis­se der Behör­den aufnehmen. 

Das RND hat heu­te einen Arti­kel nach­ge­scho­ben, das m.E. den mie­sen Ein­druck, den der Bericht mit der Aus­sa­ge von Prof. Clo­ke hin­ter­ließ, zumin­dest etwas gera­de­rückt. Aber das „monu­men­ta­le Sys­tem­ver­sa­gen“ ist in der Welt und wird vor allem bei Twit­ter sozu­sa­gen wei­ter­ver­ar­bei­tet. Die Demo­kra­tie­ver­dros­sen­heit, die durch sol­che vor­ei­li­ge Sys­tem­schel­te (Coro­na­ver­sa­gen) immer wei­ter ver­grö­ßert wird, ist auch der Unver­ant­wort­lich­keit vie­ler Medi­en zuzuschreiben. 

Es gab Tage vor den Ereig­nis­sen mas­si­ve War­nun­gen in allen Wet­ter­be­rich­ten. Kei­ner dürf­te sie über­hört oder über­se­hen haben. Sicher schien, dass auch unse­re Regi­on stark betrof­fen sein könn­te. Genaue Anga­ben, so wur­de im Wet­ter­be­richt des WDR /​ARD erklärt, wo wel­che Men­gen an Was­ser nie­der­ge­hen wür­den, könn­ten natur­ge­mäß aber nicht gemacht wer­den. Die Dimen­sio­nen des Wet­ter­ge­sche­hens waren schließ­lich so mas­siv, dass die­se unver­meid­ba­re Kata­stro­phe so pas­siert ist. 

Der Deut­sche Wet­ter­dienst ist die Behör­de, die die War­nun­gen ver­brei­tet. Wir ken­nen das aus vie­len – nicht immer ganz zutref­fen­den Wet­ter­war­nun­gen. Im Wet­ter­be­richt der Medi­en wird sol­chen War­nun­gen oft hin­zu­ge­fügt, dass sich bestimm­te Wet­ter­phä­no­me­ne hin­sicht­lich ihres Wir­kungs­be­rei­ches nicht gut vor­aus­sa­gen ließen.

War­um spre­chen unse­re Medi­en und der beson­ders emp­fäng­li­che Tei­le unse­rer Twit­te­ria ange­sichts der Kri­tik von Prof. Clo­ke nicht auch von den Aus­wir­kun­gen in Hol­land und Bel­gi­en. Dort sind auch Tote zu bekla­gen. Wer hat dort ver­sagt? Mit sol­chen Adjek­ti­ven arbei­ten die Medi­en doch am liebsten.

Wenn wir unbe­dingt mit Vor­wür­fen ope­rie­ren müs­sen, soll­ten wir uns alle an die Nase fas­sen. Die Schuld denen zu geben, die wir in unse­re Par­la­men­te oder unse­re Rat­häu­ser gewählt haben, ist bil­lig und wird der Gesamt­ver­ant­wor­tung der Gesell­schaft ins­ge­samt für die­ses schlim­me Unglück nicht gerecht. Was ist mit Kli­ma­schutz­maß­nah­men, wenn es wirk­lich drauf ankommt? Was ist mit Tem­po 130 auf deut­schen Auto­bah­nen. Um nur ein­mal einen Piek­ser zu bringen.

Ich kann mir nicht vor­stel­len, dass die Men­schen über den bevor­ste­hen­den Stark­re­gen nicht infor­miert gewe­sen sind. Alle Wet­ter­be­rich­te waren doch voll mit den ent­spre­chen­den War­nun­gen. Dass es eine App gibt, die Men­schen infor­miert, die übri­gens von 9 Mio. Nut­zern her­un­ter­ge­la­den wur­de, ist nur eine Rand­no­tiz. Tech­ni­sche Ange­bo­te die­ser Art sind in Deutsch­land nicht so beliebt. Anhand der unend­li­chen Dis­kus­sio­nen über den Wert der Coro­na-App haben wir das erfahren.

Es gehört schon auch ein gewis­ses Maß an Eigen­vor­sor­ge und Eigen­ver­ant­wort­lich­keit dazu. Ich wüss­te übri­gens nicht, ob ich mein Haus ver­las­sen wür­de, weil der Wet­ter­dienst ein kras­ses Unwet­ter beschreibt, das mei­ne Regi­on heim­su­chen wird. Schließ­lich haben wir (hier jeden­falls) bis­her damit noch über­haupt kei­ne Erfah­run­gen gemacht. Was aber pas­sie­ren kann, wenn gan­ze Dör­fer eva­ku­iert wer­den, muss man halt auch zur Kennt­nis neh­men wol­len. Ich spre­che von Anzei­chen von Plün­de­run­gen oder Van­da­lis­mus. Wir sehen in den USA Leu­te, die ihre Häu­ser erst ver­lie­ßen, als das Feu­er kei­ne ande­re Wahl mehr ließ. Kann man sich anhand sol­cher Bil­der nicht vor­stel­len, wie schwer es Behör­den fie­le, für eine geord­ne­te Eva­ku­ie­rung zu sor­gen? Auch in die­ser schlim­men Kata­stro­phe gab es Men­schen, die ihre Häu­ser trotz­dem nicht ver­las­sen woll­ten. Aber sol­che Sachen spie­len für man­che wohl kei­ne Rol­le. Haupt­sa­che, sie fin­den ein Ziel, auf das sie erbar­mungs­los ein­prü­geln können. 

Ich weiß, dass Men­schen in sol­chen Fäl­len immer nach Ver­ant­wort­li­chen suchen. Schein­bar macht es das leich­ter, mit den schlim­men Fol­gen umzu­ge­hen. Wer aller­dings beginnt sich damit zu beschäf­ti­gen, kann sehen, wor­um es den Medi­en und den aso­zia­len Netz­wer­ken geht: Sie wol­len den Kan­di­da­ten der Uni­on ver­nich­ten. Ja, ver­nich­ten! Die­se gan­ze Misch­po­ke soll­te sich bes­ser zur Arbeit im Kata­stro­phen­ge­biet mel­den, wenn sie ihre Aggres­sio­nen irgend­wie abre­agie­ren müssen.

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Horst Schulte
Rentner, Blogger & Hobbyfotograf
Mein Bloggerleben reicht bis ins Jahr 2004 zurück. Ich bin jetzt 71 Jahre alt und lebe seit meiner Geburt (auch aus Überzeugung) auf dem Land.

Schlagworte: Flutkatastrophe Verantwortung

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2 Gedanken zu „Trommelwirbel für den nächsten Superlativ: monumentales Systemversagen“

  1. Es ist noch Luft nach oben, denn es gibt noch zwei Mög­lich­kei­ten der Stei­ge­rung. Es ste­hen noch bereit:

    1. Apo­ka­lyp­ti­sches Systemversagen
    und final:
    2. Bibli­sches Systemversagen

    Ansons­ten hal­te ich es wie bei ande­ren Kata­stro­phen auch:

    Ich neh­me nach­richt­lich zur Kennt­nis, was pas­siert ist. Anschlie­ßend hal­te ich mich gele­gent­lich (übli­cher­wei­se ein­mal täg­lich) auf dem Lau­fen­den per ARD/ZDF-Video­text bzw. Nachrichten-Feed.

    Damit bin ich völ­lig aus­rei­chend infor­miert, den gan­zen gro­ßen Rest an breit­ge­tre­te­nem (sozi­al-) media­lem Schutt igno­rie­re ich wei­test­ge­hend, da irrele­vant. Dafür habe ich kei­ne Zeit.

    Natür­lich ent­ge­hen mir nicht alle „Auf­re­ger“ zum The­ma, sie­he Laschets Lach­num­mer, oder das sich die Quer­lüg­ner­sze­ne vor­geb­lich „hilfs­be­reit“ im Kata­stro­phen­ge­biet breit­macht, um unter den Opfern bil­lig Anhän­ger für ihren Ver­schwö­rungs­un­sinn zu gewinnen.

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